Firmenberater Ludwig Eickelpasch: „Unternehmer müssen sich bewegen“

Seit fast 30 Jahren begleitet Ludwig Eickelpasch aus Eschwege mittelständische Betriebe beim Gestalten der Zukunft ihres Unternehmens.
Eschwege – Am Ende eines harten Arbeitslebens voller Einsatz steht für viele Unternehmer die Frage nach der Zukunft des Unternehmens. Im besten Fall ist die Regelung von langer Hand geplant. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich viele Unternehmer zu spät mit der Zukunft des eigenen Betriebs ernsthaft auseinandersetzen. Wir sprachen mit dem Unternehmensberater Ludwig Eickelpasch aus Eschwege, der seit fast 30 Jahren mittelständische Betriebe bei diesem Prozess begleitet.
Machen sich mittelständische Unternehmer zu spät Gedanken über die Unternehmensnachfolge?
Alle Unternehmer wissen, dass ihr Leben, wie auch das aller anderen Menschen, endlich ist. Es ist somit klar, dass sie ihre Aufgaben als Unternehmer auch nur in diesem zeitlich begrenzten Rahmen erfüllen können. Ob und wie ein Unternehmer einen Nachfolger für sein Unternehmen sucht, ist eine ganz persönliche Entscheidung. Dies betrifft auch das Lebensalter, in dem er diesen Prozess anschiebt. Aufgrund der fehlenden Zeitverbindung wählen viele Unternehmer zum Start des Prozesses eher einen späteren Zeitpunkt.
Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Ein Beispiel: Ein erfolgreicher Stahlbauunternehmer bei Augsburg wurde frühzeitig auf die Nachfolgesituation aufmerksam gemacht. Mit fast 80 Jahren wollte er sich „endlich“ kümmern. Dann war er nicht mehr in der Lage dem Nachfolgeprozess zu folgen und darin Entscheidungen zu treffen. Das Unternehmen wurde wenige Jahre später geschlossen. Aufgrund der psychischen Belastung lebte der Unternehmer danach nur noch kurze Zeit.
Aber man kann sich auch früher Gedanken über die Nachfolge machen?
Eine erfolgreiche Unternehmerin in der Nähe von Aachen war nach einer schweren Erkrankung wieder fit. Trotzdem hat sie mit etwa 45 Jahren die Entscheidung zum Verkauf ihres Unternehmens getroffen. Die Arbeitsplätze wurden durch den Nachfolger erhalten. Das Unternehmen floriert weiterhin.
Ab wann sollte man denn über eine Nachfolgeregelung nachdenken?
Dazu gibt es keine allgemeingültige Aussage. Die Unternehmensnachfolge hat immer Wirkungen in die Familie des Unternehmers hinein. Wird das Unternehmen von der Tochter oder dem Sohn weitergeführt besteht die Möglichkeit, dass Veränderungen im Alltag des Unternehmers nicht gravierend sind. Sollte der Unternehmer aber ganz ausscheiden, bringt das erhebliche Veränderungen für seine persönliche Lebenssituation mit sich und damit auch für die Familie. Im Umgang mit diesen Lebensveränderungen spielt das Lebensalter oft eine große Rolle.
Was muss ich beachten, wenn ich meinen Betrieb übergeben will?
Zunächst muss man das Unternehmen prüfen. Darin sind materielle (aus Jahresabschlüssen), soziale (die Mitarbeitersituation) und perspektivische (z. B. Investitionen und Marktentwicklungen) Themen enthalten. So entdeckte Schwachstellen können möglicherweise behoben werden, Stärken im Unternehmen können dem Nachfolger vorgestellt werden. Dann muss das Unternehmen ausführlich beschrieben werden. Die vollständige Unternehmensbeschreibung umfasst nicht selten 40, 50 und mehr Seiten. Sie ist eine wichtige Grundlage zur Unternehmensvorstellung im persönlichen Gespräch mit Kaufinteressenten.
Und was ist mit dem Verkaufspreis?
Ein endgültiger Kaufpreis wird immer nach vielen Gesprächen zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Für einen erfolgreichen Start in die Gespräche sollte ein abgebender Unternehmer eine Vorstellung dazu haben. Diese kann auch Argumente eines potenziellen Käufers berücksichtigen.

Sie sagen: „Man kann die Unternehmensnachfolge nicht verhindern, man kann sie aber gestalten.“ Was meinen Sie damit?
Der Übergang in die nächste Generation geht meist „nicht mal einfach so“. Es sind viele Interessen der an der Nachfolge beteiligten Menschen zu berücksichtigen. Dies geschieht im Nachfolgeprozess. Damit dieser erfolgreich verläuft, muss er gestaltet werden.
Welche Konflikte können zwischen den Abgebern und den Übernehmern entstehen?
Grundsätzlich sind die beiden Parteien in vielen Positionen unterschiedlicher Meinung. Konkrete Beispiele sind Unstimmigkeit in den Daten in der Unternehmensbeschreibung, unvollständige Unterlagen, Stärken, aber auch die Schwächen im Unternehmen wurden nicht umfänglich besprochen, eine Partei versucht ein Preisdiktat. Außerdem können die Parteien sich in der Höhe der notwendigen Investitionen oder in der Einschätzung von Marktentwicklungen nicht einig sein. Manchmal stimmt aber auch einfach die Chemie zwischen beiden nicht.
Braucht es in der aktuellen Zeit großen Mut, einen Betrieb zu übernehmen?
Grundsätzlich ist der Kauf eines mittelständischen Unternehmens eine sehr persönliche Entscheidung. Der Umgang mit „schwierigen Zeiten“ gehört aber für mittelständische Unternehmer zum Tagesgeschäft. Dafür steht der Mut dieser Menschen. Sie sind eben Unternehmer.
Haben Sie bei Unternehmensgründungen zuletzt eine Zurückhaltung gespürt?
Tendenziell gab es in der Vergangenheit in Ballungsräumen mehr Unternehmensgründungen als im ländlichen Raum. Diese Situation scheint sich aber aufgrund der persönlichen Lebenshaltung der Gründer und ihrer Familien und der fortschreitenden Digitalisierung zu verändern. Sichtbar ist dies auch an der Zunahme von Co-Working-Spaces im ländlichen Raum. Das größte Hemmnis dabei scheint die fehlende Mobilität aufgrund fehlender Nahverkehrsangebote im ländlichen Raum zu sein.
Welche Fragen beschäftigen derzeit Unternehmensgründer?
Ist die Unternehmensnachfolge eine Alternative zur Unternehmensneugründung? Die Digitalisierung führt zu Veränderungen im Marketing. Wie bindet man Internetplattformen ein? Dazu wird Fachwissen im Unternehmen gebraucht. Ist das Crowdfunding, aufgrund der der Kostenentwicklung für Eigen- und Fremdmittel, eine Alternative zur Kapitalbeschaffung? Außerdem müssen die Unternehmer persönlich Haltungsfragen für sich beantworten. Dazu gehört der Umgang mit der eigenen Lebenszeit und die Zusammenarbeit mit den Menschen im Unternehmen. Die Frage nach der ganz neuen Unternehmensform im Verantwortungseigentum ist sehr bewusst.
Welche speziellen Probleme haben Unternehmer aus dem Werra-Meißner-Kreis? Gibt es hier Eigenheiten?
Das Handwerk sucht nach Fachkräften. Im Mittelstand fehlen die Neugründungen. Das ist eine Folge der fehlenden Mobilität im Kreis und über die Kreisgrenzen hinaus. Außerdem gibt es hier eine hohe Zahl konzernabhängiger Unternehmen. Das bedeutet, dass Entscheidungen, die in weiter Ferne getroffen werden, zu erheblichen Arbeitsplatz- und Wertschöpfungsverlusten im Kreis führen.
Welche Bedeutung haben mittelständische Unternehmen für die Region?
Mittelständische Unternehmer sind ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Motor für Entwicklungen. Diese wirken aus den Unternehmen in alle Gesellschaftsschichten und -bereiche. Auch im Werra-Meißner Kreis haben wir dazu gute Beispiele. Mittelständische Unternehmer brauchen ein Umfeld, in dem sie Entwicklungen voranbringen können. Dazu gehören Menschen und damit Offenheit, Vertrauen und Respekt. Hohe Mobilität ist dabei eine unabdingbare Basis zur Verbindung der Menschen. Dies sind zentrale Fragen von Unternehmern in Nordhessen und damit auch im Werra-Meißner Kreis. Für vieles übernehmen sie selbst die Verantwortung; sie investieren. Für andere Bereiche brauchen sie die Unterstützung aus politischen Gremien, Kammern und Verbänden.
Eine philosophische Frage zum Abschluss: Ist die derzeitige Zukunft eine der schwierigsten?
Nach meinen Erfahrungen hat hier das Wort ,schwierig’ eine besondere Bedeutung. Schwierig bedeutet veränderbar und damit entwicklungsfähig. Positiv ausgedrückt: „Es kann besser werden. Das Glas ist halb voll.“ Aber von selbst geht das nicht. Viele Menschen müssen sich bewegen. Bewegung ist das Kernthema für Unternehmer. (Tobias Stück)
Zur Person
Ludwig Eickelpasch stammt ursprünglich aus Mönchengladbach. Dort ist er nach seinem BWL-Studium in Münster 1978 in den elterlichen Leder- und Schuhgroßhandel eingestiegen. Den Betrieb hat er 1985 in eine GmbH umgewandelt und nach einigen Jahren an einen Mitbewerber verkauft. Nach dem Mauerfall ist Eickelpasch mit seiner Familie nach Eschwege gekommen, wo er in Thüringen ein Textilunternehmen führte. Anschließend leitete er für eine Anwaltskanzlei Familienunternehmen im Konkurs. Seit mehr als 20 Jahren berät er Betriebe in der Unternehmensnachfolge. Eickelpasch ist verheiratet, zweifacher Vater und Großvater. (ts)
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