Itmeizeh Itmeizy über den Ramadan und das Fest des Fastenbrechens

Im Interview spricht Itmeizeh Itmeizy, stellvertretender Vorsitzender, über den Ramadan, das Fastenbrechenfest und die Arbeit des Vereins.
Eschwege – Muslime weltweit haben am Freitag das Fest des Fastenbrechens gefeiert. Damit endet jährlich der Fastenmonat Ramadan. In Eschwege kamen über 400 Menschen zusammen, um das Fest gemeinsam zu feiern, das auch als Zuckerfest bekannt ist. Ausgerichtet wurde es vom islamischen Kulturverein Eschwege.
Herr Itmeizy, was wird beim Zuckerfest gefeiert?
Eigentlich heißt es „Fastenbrechenfest“, aber an dem Tag macht und bekommt man viele Süßigkeiten. Daher hat sich der Name „Zuckerfest“ eingebürgert. Gefeiert wird an diesem Tag das Ende des heiligen Monats Ramadan. Während des Monats hat man gefastet.
Wie wird das Datum für das Fest berechnet?
Das Fastenbrechenfest findet am Ende des Ramadan statt. Damit wird das Datum des Fests ebenso wie der Zeitraum des Fastenmonats nach dem Mondkalender berechnet. Das Mondjahr ist elf Tage kürzer als ein Jahr nach dem gregorianischen Kalender. Deswegen verschiebt sich Ramadan jährlich um etwa zehn Tage. Ramadan beginnt mit dem zunehmenden Sichelmond. In der Mitte des Fastenmonats liegt der Vollmond. In der Zeit, in der Islam erneut offenbart wurde, nutzten die Muslime den Mondkalender.
Während des Ramadan verzichten viele Muslime zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang auf Getränke und Nahrung. Wie gestaltet sich das Fasten?
Im Ramadan tut man viel für seinen Körper und seine Seele. Auf den ersten Blick erscheint es für viele Menschen nicht gesund, wenn man täglich mehrere Stunden auf Essen und Trinken verzichtet. Aber man weiß, dass der Körper während des Fastens Zeit hat, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Da er nicht mehr mit der Verarbeitung von Nahrung beschäftigt ist, kann er sich regenerieren.
Welchen Effekt hat das Fasten auf Körper und Seele?
Irgendwie fühlt man sich nach dem Ramadan einfach leichter und aktiver. Klar, an den ersten drei oder vier Tagen muss man sich umgewöhnen. Aber der Körper stellt sich schnell um. Und man denkt als Fastender nach den ersten Tagen auch nicht ständig daran, dass man jetzt gerade nicht essen und trinken darf.
Für die Seele ist es gut, weil man dankbarer für die Dinge wird, die eigentlich sonst alltäglich sind. Der erste Schluck Wasser hat nach 16 Stunden eine ganz besondere Bedeutung. Während des Ramadan freut man sich über Getränke und Nahrungsmittel, die sonst alltäglich sind. Dabei erkennt man, welchen Wert diese Dinge haben.
Was ist sonst noch besonders am Fasten?
Gleichzeitig kommt man während des Ramadan einfach zusammen. Denn wer in dieser Zeit fastet, tut das gemeinsam mit Millionen von Menschen weltweit. Der Ramadan ist eine schöne Zeit und es gibt einem Stolz, das Fasten einen Monat lang durchzuhalten. Es ist eine Zeit, in der man aus seiner Routine herauskommt. Das Fasten macht man für sich selbst. Dazu gezwungen wird niemand. Wenn die Motivation nicht von innen heraus kommt, würde man es auch gar nicht schaffen.
Wer nimmt am Fasten teil?
Eigentlich ist jeder ab der Pubertät dazu verpflichtet. Viele fasten allerdings schon vorher. Als Regel gilt, dass das Kind in der Lage sein muss, die Stunden ohne Nahrung auszuhalten. Doch man trainiert es vorher. Wir haben vorher immer so einen halben Tag gefastet. Und dann steigert man sich langsam, bis man einen Tag schafft. Ich selbst habe mit acht Jahren zum ersten Mal am Ramadan teilgenommen. Aber da fiel der Ramadan auch in den Winter und die Zeit zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang war kurz.
Und wer fastet nicht?
Die Regel ist, wer es nicht schafft, muss dies auch nicht tun. Ausgeschlossen sind auch ältere Menschen, Kranke, Schwangere, Stillende und auch Reisende. Wobei man da unterscheiden muss. Eine Fahrt nach Witzenhausen zählt beispielsweise nicht dazu. Wer Diabetes hat oder Dialyse-Patient ist, fastet nicht. Das gilt für alle Menschen, für die das Fasten ein gesundheitliches Risiko darstellen würde.
Das Fastenbrechenfest wurde vom islamischen Kulturverein ausgerichtet. Seit wann gibt es ihn?
Den Verein gibt es seit 2017. Sein Vorstand besteht aus sieben Menschen, insgesamt haben wir über 100 aktive Mitglieder. Ende 2016 kam uns die Idee dazu, da viele geflüchtete Menschen in den Kreis kamen. Unter anderem waren es mehrere Ärzte, die ihn gegründet haben. Denn die Idee entstand in der Tagesklinik der Erstaufnahmeeinrichtung. Immer wieder kam dort die Frage nach einer Begegnungsstätte auf.
Welche Aufgaben hat der Verein?
Neben dem eingerichteten Gebetsraum für Muslime ist eine unserer wichtigsten Aufgaben das Bewahren der arabischen Sprache und die Weitergabe an die Kinder. Dafür haben wir Arabisch-Unterricht ins Leben gerufen. Einmal wöchentlich unterrichten die vier ehrenamtlichen Lehrer die Kinder in vier Klassen. Dort lernen sie die Basis der Sprache, üben dann mit ihren Eltern zuhause weiter. Inzwischen gibt es zwei Jahrgänge von Schülern, die das Lesen und Schreiben der arabischen Sprache dort erlernt haben.
Für den Werra-Meißner-Kreis ist das Angebot wichtig. Ich kenne selbst zwei Familien, für die es ein Entscheidungskriterium bei der Frage war, ob sie nach Eschwege ziehen und hier am Klinikum arbeiten würden oder nicht. Bei der Einteilung der Klassen richten wir uns nach Sprachstand und auch etwas nach dem Alter der Kinder. Die vier Klassen entsprechen also vier Sprachleveln. Mit etwa 13 oder 14 Jahren haben die Jugendlichen das Sprachziel erreicht und können dann ein Buch auf Arabisch lesen. Für mehr reichen unsere Möglichkeiten als Verein nicht aus.
Welche Angebote vom islamischen Kulturverein gibt es noch?
Wichtig ist uns als Verein die Aufklärungsarbeit. Einmal betrifft das die Menschen, die durch Flucht in den Kreis gekommen sind. Wir sprechen aber eigentlich von Gästen und nicht von Geflüchteten. Sie haben zum Beispiel Fragen zu Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten. Andererseits richtet sich unser Angebot an die deutsche Bevölkerung. Vor der Coronapandemie haben wir gemeinsam mit der Evangelischen Familienbildungsstätte/Mehrgenerationenhaus Werra-Meißner die Reihe „Weißt du, was ich glaube?“ angeboten. Da ging es um die beidseitige Aufklärung über Religionen.
Als Verein haben wir einen Gebetsraum an der Marktstraße in Eschwege. Wir bieten auch Seelsorge und das Gestalten von Trauerfeiern an. Denn viele Menschen, die hergekommen sind, haben inzwischen Familienmitglieder verloren. Dazu ist ein ehrenamtlicher ausgebildeter Imam bei uns tätig. Wir haben etwa eine Trauerfeier im Monat und uns ist wichtig, dass sich die Menschen in so einer Situation nicht allein fühlen. Deswegen waren wir während der Coronapandemie auch Teil des Stabs für Seelsorge. Uns war wichtig, dass man im Krankenhaus auch als Mensch islamischen Glaubens einen Ansprechpartner hat. Da habe ich mich persönlich mit engagiert.
Wie hat die Coronapandemie die Arbeit des Vereins beeinflusst?
Unsere Arbeit nach außen ist zurückgegangen. Das betrifft beispielsweise den Besuch von Schulklassen bei uns, die etwas über den Islam lernen wollen. Ansonsten hatten wir allerdings während der Coronapandemie nie geschlossen. Wichtig war uns, dass wir in der Moschee mit Beachtung der Auflagen weitermachen. Ich kann mich nicht an einen Tag erinnern, an dem die Menschen nicht mit Fragen bezüglich der Pandemie zu uns gekommen sind. Bei vielen haben die Deutschkenntnisse nicht ausgereicht, um die Auflagen verfolgen zu können. Das war eine anstrengende Zeit.
Und wie wurde während der Coronapandemie gefeiert?
Insgesamt sechsmal haben wir unsere beiden Feste – das Fastenbrechenfest und das Opferfest 70 Tage danach – unter den Auflagen gefeiert. Auch beim Gebet in Freien haben wir Masken getragen, weswegen es nie zu Krankheitsausbrüchen nach den Festen kam. Wir sind sehr dankbar dafür, dass die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt und der Polizei so super funktioniert hat. Das war 1a! Sie sind uns immer auf Augenhöhe begegnet. Auch während der Coronapandemie haben zum Fest etwa 300 bis 400 Menschen hier in Eschwege zusammen gebetet. Sie kamen aus dem gesamten Kreis, aber auch aus beispielsweise Bebra.
Also wirkt der Verein über den Kreis hinaus?
Ja, zudem kommen die Menschen im Verein aus unterschiedlichen Ländern. Bei uns treffen Menschen aus Afghanistan, Syrien, Palästina, Jordanien, dem Libanon, Marokko, Algerien, Somalia, dem Sudan und weiteren Ländern aufeinander. Die unterschiedlichen Kulturen spielen schon eine Rolle, aber das merkt man nicht, wenn wir zuhause sind. Da wir alle Muslime sind, vereint uns das. Man fastet und betet gleich, kommt sich durch die Religion näher.
Da wir alle neben unserem Beruf im Verein tätig sind, brauchen wir Mitglieder und Interessierte. Einen Info-Service oder etwas Vergleichbares haben wir aus diesem Grund nicht. Auch wenn wir die Vereinsarbeit nebenbei machen, sind Besucher und Menschen, die Fragen zum Islam haben, stets bei uns willkommen. (Eden Sophie Rimbach)