Der Mann nennt sich Manfred, gibt vor, US-Amerikaner und Arzt sowie für den Geheimdienst im Auftrag der UNO in Krisengebieten unterwegs zu sein. Daher seien die Kontaktmöglichkeiten begrenzt und oft reglementiert. Es wird nur geschrieben, zu Telefonaten oder einem Videogespräch kommt es nie. Damit er aus den Krisengebieten ausreisen kann, verlangen erst eine angebliche korrupte UNO-Unterorganisation, dann vermeintliche syrische Gefängniswärter Geldbeträge.
Der Mann macht ihr Komplimente, schickt Bilder und später einen Koffer, mutmaßlichvoller schwarz gefärbter 100-Dollar-Scheine. Sie ist verliebt, versucht immer wieder, ihm mit Überweisungen an die angeblichen UNO-Organisationen zu helfen. Zum Schluss heißt es „Mann weg – Geld weg“ – und so hat Ina Nawenka auch ihr 780 Seiten starkes Buch benannt, in dem sie schonungslos die Geschichte aufarbeitet und auch die Chats mit dem Mann abbildet. Immer noch ist sich Ina Nawenka nicht sicher, ob es Betrug oder doch eine wahre Geschichte mit einer korrupten Organisation im Hintergrund ist. Für Love-Scammer seien die Handlungen zu umfangreich gewesen.
Sollte sie Betrügern aufgesessen sein, will sie mit dem Buch zeigen, wie diese psychologisch arbeiten und Beziehungen aufbauen, sagt sie. Und: „Man kann alles machen im Internet, aber man darf keinen einzigen Cent verschicken.“
Das rät auch Alexander Först, Sprecher der Polizeidirektion Werra-Meißner. Zum Vorgehen der Täter erklärt er, dass diese – Frauen sowie Männern – etwa über Online-Plattformen oder Partnerbörsen Kontakt suchen und eine Vertrauensbasis aufbauen. Sie geben sich ein seriöses Profil mit ungewöhnlichem Beruf im Ausland – bei männlichen Love-Scammern etwa Arzt, Ingenieur oder Soldat, bei Täterinnen Arzthelferin, Betreuerin oder Geschäftsfrau – um Interesse zu erwecken. Dazu kommen gefälschte Fotos, um attraktiv zu erscheinen.
Es folgen erfundene Geschichten rund um Beruf, Hobby und Familie und damit einhergehende Schicksalsschläge. Beim Opfer erzeugen sie so Verständnis und empathische Anteilnahme. „Dadurch gelingt es den Täterinnen und Tätern das Vertrauensverhältnis immer weiter zu festigen“, so Först. Danach bekunden die Täter Gefühle und Liebe, heben dies immer stärker hervor – bis zur vorgespielten gemeinsamen Lebensplanung. Opfer geraten meist in eine Art „Abhängigkeitsverhältnis“.
Zu einem persönlichen Kennenlernen kommt es laut Först in der Regel nicht. Täter schieben zum Beispiel Probleme mit einem Visum, Verlust von Papieren, Krankheit oder einen Unfall vor, warum sie nicht nach Deutschland einreisen können. Verbunden ist das meist mit finanziellen Forderungen an das Opfer, das Geld an ausländische Banken wie die „Western-Union-Bank“ zahlen soll. Denkbar ist auch, so Först, dass Hilfeleistungen für Bekannte erbeten werden – etwa Annahme und Weitergabe von Päckchen oder Einlösen (gefälschter) Schecks. „Letztlich versuchen die Täter mit dieser Betrugsmasche, ihre oftmals ahnungslosen und gutgläubigen Opfer möglichst lange finanziell oder auf andere Weise auszubeuten.“
Love-Scammer kommunizieren laut Först nach der ersten Kontaktaufnahme in gutem Englisch. Einige haben auch „erstaunlich“ gute Deutschkenntnisse. Sie überhäufen ihre Opfer bereits frühzeitig mit Komplimenten und überschwänglichen Liebesbekundungen. Sie geben an, im Ausland tätig zu sein, und können aus verschiedenen Gründen nicht nach Deutschland reisen. Verschiedene Probleme machen immer wieder die Unterstützung durch die Opfer nötig.
Alexander Först rät, nach Profilbildern und E-Mail-Adressen im Internet zu recherchieren. Oft erhalte man weitere Informationen, die den Verdacht bestätigen oder widerlegen können. Für Schriftverkehr mit Unbekannten sollte ein separater Mailaccount genutzt werden. Es sollte kein Geld – auch keine Gutscheincodes und Ähnliches – überwiesen, keine Schecks eingelöst und keine Päckchen oder Schreiben angenommen und weitergeleitet werden. Mails und Chatnachrichten sollten als Beweismittel gesichert werden. Ebenso rät Först, den Kontakt abzubrechen und bei der Polizei Anzeige wegen Betrug zu stellen.
Hilfe erhalten Opfer durch Betreuungs- und Beratungsangebote wie dem Weißen Ring und der Frauenberatungsstelle. Zudem können sie sich über Selbsthilfegruppen für Opfer dieser Betrugsmasche informieren. Dazu gibt es Opferanwälte und, bei finanziellem Schaden die Schuldnerberatung. Für eine emotionale Aufarbeitung und psychologische Betreuung gibt es Fachärzte. (Nicole Demmer)