Grüne Werra-Meißner: Landrätin soll sich zu fachfernen Besetzungen der Fachbereiche erklären

Die Fraktion Bü90/ Die Grünen spricht sich dagegen aus, dass Kreisbeigeordnete Fachbereiche in der Kreisverwaltung leiten sollen. Landrätin Nicole Rathgeber solle „klar Farbe bekennen“.
Werra-Meißner – Die Fraktion von Bü90/ Die Grünen wehrt sich gegen die jetzt zwischen Landrätin Nicole Rathgeber (Freie Wähler) und der Großen Koalition aus SPD und CDU getroffene Vereinbarung, Fachbereiche in der Kreisverwaltung durch Kreisbeigeordnete leiten zu lassen. Die Grünen werfen der Großen Koalition Wortbruch vor. Der Deal, zwei Fachbereiche durch die beiden neuen Kreisbeigeordneten leiten zu lassen, um die zusätzliche Stelle des Vizelandrates zu finanzieren, verändere die Diskussionsgrundlage.
In der Kreistagssitzung vom 1. März dieses Jahres hatten SPD und CDU noch gemeinsam erklärt, man habe von der Idee Abstand genommen, Fachbereiche in der Kreisverwaltung von politischen Kreisbeigeordneten führen zu lassen. „Nun soll genau das passieren“, sagt Grünen-Vorstandssprecher Felix Martin. „Nachdem SPD und CDU ohne sachliche Argumente die Stelle eines teuren und gänzlich überflüssigen neuen Kreisbeigeordneten geschaffen haben, folgt nun die nächste fragwürdige Idee“, so Martin. „Fachliche Qualifikation soll nicht mehr bei allen Fachbereichsleitungen Einstellungskriterium sein.“ Auf Anfrage der Grünen habe Landrätin Nicole Rathgeber noch Anfang März mitteilen lassen, die Leitung eines Fachbereiches umfasse mindestens eine Vollzeitstelle. Hauptamtliche Beigeordnete müssten die für die jeweilige Stellenausübung notwendige fachliche Qualifikation mitbringen, damit die Besetzung einer Fachbereichsleitung zumindest theoretisch nicht ausgeschlossen wäre. „Dennoch sollen nun politische Beigeordnete diese Leitung zusätzlich zu zahlreichen anderen Aufgaben nebenbei erledigen. Das ist absurd“, sagt Felix Martin.
Nun gibt es eine Einigung zwischen der Landrätin sowie SPD und CDU, wonach der von der CDU vorgeschlagene Bewerber für den Beigeordneten die Leitung des Fachbereichs Bauen übernehmen solle. „In der Debatte im Kreistag hat die Frage der Leitung von Fachbereichen keine Rolle mehr gespielt, nachdem SPD-Fraktionschef Thomas Eckhardt erklärt hatte, man habe von dieser Idee Abstand genommen. Nicht einmal drei Wochen später erklären er und CDU-Fraktionschef Uwe Brückmann nun das genaue Gegenteil. Die SPD/CDU-Koalition befasst sich über Monate mit Personalfragen, statt ihre Arbeit für den Kreis zu erledigen“, so Felix Martin. Als „fachlich bedenklich“ bezeichnet die Grünen-Fraktionsvorsitzende Sigrid Erfurth das Vorhaben der Großen Koalition: „In der Stellenausschreibung heißt es, dass für die Leitung des Fachbereiches Bauen etwa die Befähigung zum höheren technischen Dienst in der Fachrichtung Architektur beziehungsweise Städtebau oder ein Studium der Architektur oder Bauingenieurwesen vorausgesetzt wird.“ Der jetzige Kandidat der CDU, Philipp Kanzow, ist Jurist. Er erfülle, so Erfurth, nicht die Voraussetzungen.
„Während sich Landrätin Nicole Rathgeber bislang maßgeblich aus der Debatte rausgehalten hat, muss auch sie nun klar Farbe bekennen“, fordert die Erfurth „Die Entscheidung, ob Fachbereiche von Kreisbeigeordneten geleitet werden, liegt allein bei der Landrätin.“ Vor allem von ihr erwarte man eine Erklärung, warum sie zulasse, dass einzelne Fachbereiche in Zukunft von Kreisbeigeordneten geleitet werden, obwohl diese die fachliche Qualifikation nicht mitbrächten. Auch der Personalrat der Kreisverwaltung hatte sich deutlich gegen die neue Stelle eines zweiten Kreisbeigeordneten positioniert. „Jede Fachbereichsleiter-Stelle ist mit Fachkompetenzen hinterlegt. Bei dem Vereinnahmen durch Wahlbeamte ist das nicht mehr garantiert und ein ständiger Wechsel nach einer Wahlperiode ist wenig förderlich. Wir haben in der Kreisverwaltung Strukturen und eine Organisation, in der die Rolle des Dezernenten und der Fachbereichsleitung nicht vereinbar ist.“ (Emily Hartmann)
Strukturen in Kreisverwaltung verschmelzen
Die Kreisverwaltung gliedert sich in politisch geführte und fachlich geführte Bereiche. Während die Landrätin und der Vizelandrat (Erster Kreisbeigeordneter, EKB) politisch gewählt sind, werden die einzelnen Fachbereiche (Dezernate) klassischerweise von Fachleuten mit entsprechender Qualifikation geleitet (Beispiel: Leitung Bauamt durch einen Architekten oder Bauingenieur). Diese Fachbereichsleiter unterstehen bisher dem Landrat/ der Landrätin und dem EKB. Nach dem jetzt ausgehandelten Modell, bei dem die beiden Vizelandräte gleichzeitig Fachdezernate leiten sollen, wird es zu einer Verschmelzung von politischen und speziellen fachlichen Führungsaufgaben kommen. (esp)