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Vor Ort: Harvester fällen Bäume in einer halben Minute

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Von: Tobias Stück

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Steile Hänge sind für den Harvester1270G von John Deere kein Problem. Zusätzlich ist er mit einem bis zu 300 Meter langen Seil gesichert. Mit der Seilwinde soll außerdem der Boden geschont werden. © Stück

Im Herbst sieht man sie verstärkt im Wald. Harvester haben die Forstarbeit vereinfacht und sind beim Fällen der Fichten gefragt. Wir waren bei einem Einsatz in Völkershausen dabei.

In der Regel ist es eine Sache von 35 Sekunden. Dann ist der Baum gefällt, entastet, entrindet und in gleiche, fünf Meter lange Stücke zerteilt. Wofür Waldarbeiter früher über eine halbe Stunde gebraucht haben, das wird jetzt in gerade einmal einer halben Minute erledigt. Harvester haben die Waldarbeit in den vergangenen 25 Jahren revolutioniert. 50 Bäume in der Stunde sind kein Problem für einen geübten Fahrer.

Mathias Fricke vom Forstunternehmen Lauer aus Steinau ist einer dieser geübten Fahrer. Eine spezielle Ausbildung hat er für diesen John Deere 1270G mit 272 PS nicht. Trotzdem bewegt er ihn traumwandlerisch sicher. „Übung macht den Meister“, sagt der Forstwirt, der jeden Tag zahlreiche Stunden auf dem 20 Tonnen schweren Gerät zubringt. Und diese Erfahrung ist wichtig: Er bewegt nicht nur eine etwa 500 000 Euro teure Maschine, sondern bearbeitet mit den viele Jahrzehnte alten Bäumen auch ein sensibles und wertvolles Produkt.

Der Auftrag

Im Privatwald von Peter Freiherr von Roeder fällt er in diesen Wochen im Auftrag der Völkershäuser Gérance GmbH Fichten. Rund 2000 Festmeter werden es am Ende sein. Bis zum 30. November hat er dafür Zeit. Die Fichten müssen raus, weil die letzten beiden Sommer ihnen arg zugesetzt haben, wie Hubertus Freiherr von Roeder, Geschäftsführer der Gérance berichtet. Die Holzmengen liegen weit über dem Durchschnitt der vergangenen Jahre, der Markt ist unter Druck. Die Gérance hat langfristige Abnahmeverträge geschlossen.

300 Bäume nach der Mittagspause

Harvesterfahrer Fricke hat seit seiner Mittagspause rund 300 Bäume gefällt. Die infrage kommenden Bäume haben Stämme mit einem Durchmesser von bis zu 70 Zentimeter. Die kann er problemlos bearbeiten. Dabei geht er mit großer Geschwindigkeit und Präzision vor. Wie eine Katze pirscht das Ungetüm durch den Völkershäuser Wald. Die riesige Maschine ist dabei weniger laut, als man vermuten würde. Greifen, Schneiden, Drehen, Weiterschieben, Entasten, Stückeln und Ablegen – alles passiert in einer scheinbar fließenden Bewegung. Herzstück der Maschine ist der Prozessorkopf, der an einem fast zwölf Meter langen Kran hängt. Hier werden die Befehle des Fahrers, die er über Joystick und Rechner steuert, in die Tat umgesetzt.

Schäden vermeiden

Bei der Arbeit tastet sich Mathias Fricke mit der großen Maschine so vorsichtig wie möglich durch den Wald. Die abgestreiften Äste werden als Polster auf die Fahrgasse gelegt. Dadurch wird der Bodendruck der fahrenden Maschine zusätzlich vermindert.

Damit der Waldboden möglichst wenig belastet wird, hängt die 20-Tonnen-Maschine vor allem an einem Stahlseil. Das ist 300 Meter lang und oben am Hang an einem starken Baum und am Harvester an einer Seilwinde befestigt. Sie sorgt für eine optimale Traktion. „Immer dann, wenn die sechs Reifen durchzudrehen beginnen, greift die Seilwinde ein, um den Boden zu schonen“, erklärt Fricke. In seinem Arbeitsauftrag steht auch, dass Schäden zu vermeiden und zu beseitigen sind. Der Roeder’sche Wald ist FSC- und PEFC-zertifiziert. „Um allen Anforderungen gerecht zu werden, kann es passieren, dass die Maschine aus Witterungsgründen nicht eingesetzt werden darf“, erzählt von Roeder.

250 Festmeter am Tag

Wenn der Harvester am Ende des Tages auf die Parkposition gefahren wird, hat er im besten Fall rund 250 Festmeter Holz geerntet. In einem zweiten Arbeitsschritt müssen das Holz an die Lagerplätze gerückt und der Einsatzort aufgeräumt werden.

Trend aus Skandinavien

Harvester haben die Forstbewirtschaftung weltweit verändert. In Skandinavien, vor allem Schweden und Finnland, werden die Holzvollerntemaschinen seit den frühen 1980er-Jahren eingesetzt. Mittlerweile wird dort fast die gesamte Holzernte hochmechanisiert durchgeführt. In Mitteleuropa arbeiten diese Maschinen einen Anteil zwischen 30 und 50 Prozent des Einschlagsvolumens auf – mit stark steigender Tendenz. 

Anfang in Deutschland 

In Deutschland wurden die sogenannten Harvester erstmals in großem Umfang zur Aufarbeitung der Windwürfe durch die Orkantiefs „Vivian“ (1990), „Wiebke“ (1990) und „Kyrill“ (2007) eingesetzt. Seither nimmt der Anteil der Holzvollernter am Einschlagsvolumen beständig zu. 

Vorteile 

Derzeit werden 30 bis 40 Prozent der Holzernte in Deutschland mit Vollerntern ausgeführt. Ein Grund für die Zunahme ist das produktivere und kostengünstigere Arbeiten mit den Holz-Vollerntemaschinen. Zum Vergleich: Ein Forstarbeiter schafft zwei bis drei Festmeter pro Stunde, ein Harvester etwa 20. Vollernter reduzieren außerdem das bei der Holzernte mit der Motorsäge sehr hohe Unfallrisiko und leisten einen Beitrag zur Verminderung von Berufskrankheiten, heißt es vonseiten der land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft. 

Kritik 

Allerdings: Der Einsatz der Vollernter führt zu einem Personalabbau bei den Forstbetrieben und zu einer veränderten Qualifikationsstruktur in der Waldarbeit. Kritik kommt auch vom Naturschutzbund (Nabu). Schäden durch den Einsatz schwerer Maschinen sind Gegenstand von Langzeitstudien, die noch nicht abgeschlossen sind. Probleme können durch Bodenverdichtung und Wurzelschädigungen besonders auf labilen Standorten entstehen

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