Infoveranstaltung in Reichensachsen: Kein absoluter Schutz für Weidetiere

Die Infoveranstaltung des Wolfszentrum Hessen im Bürgerhaus von Reichensachsen mit rund 250 Weidtierhaltern aus der Region mündete für die Betroffenen in Enttäuschung und Ratlosigkeit.
Reichensachsen – Ratlos, frustriert und wütend haben die meisten der rund 250 Teilnehmer der Infoveranstaltung zum Thema „Weidetierschutz vor dem Wolf“ am Donnerstagabend das Bürgerhaus in Reichensachsen nach gut drei Stunden verlassen. „Ich gehe hier raus mit dem Gedanken, dass das nichts gebracht hat“, sagte Torsten Möller, Landwirt aus Archfeld. „Das war eine Dialogsimulation. Diese Informationen hätte jeder im Internet nachlesen können“, sagte Frieder Beyer, Berufsschäfer und Initiator der AG Wolf in Hessen.
Das Wolfszentrum Hessen (WHZ) hatte die Halter von Weidetieren aus der Region eingeladen, um über die Arbeit des WHZ, über den aktuellen Stand des Wolfsvorkommens im Werra-Meißner-Kreis, über die Möglichkeiten, Weidetiere vor Angriffen zu schützen sowie über die Förderung für den Herdenschutz und Schadensersatz bei durch den Wolf gerissenen Nutztieren zu informieren.
Schon mit Befremden hatten die Besucher zu Beginn der offenen Infoveranstaltung das Polizeiaufgebot zur Kenntnis genommen. Der Saal des Bürgerhauses wurde durch mehrere Beamte bewacht. Die vom Wolfszentrum eigens eingekaufte Moderatorin für die Veranstaltung, Angela Velthuis, hatte gleich zu Beginn ein Verbot von Bild- und Tonaufzeichnungen verkündet und harsche Regeln für Wortmeldungen und Fragen aufgestellt.
Das Wolfszentrum stell seine Arbeit vor
Die Arbeit des hessischen Wolfszentrums als technisch-wissenschaftliche Behörde stellte Jos Hornung vor und appellierte an die Landwirte, jeden Riss, jede Fährte, Kot oder Sichtungen zu melden. „Wir sind auf ihre Mithilfe angewiesen.“ Dem Vorwurf, dass das Hessische Landesamt für Naturschutz (HLNUG), in dem das Wolfszentrum angesiedelt ist, die tatsächlichen Wolfszahlen „runterrechne“, begegnete Hornung: „Wir können nichts ins Monitoring aufnehmen, das uns nicht gemeldet wird.“ 2022 waren im Werra-Meißner-Kreis 69 von der Behörde verifizierte Wolfsnachweise registriert worden, 65 allein in Waldkappel, das jetzt auch offizielles Wolfsterritorium ist.
Schutz für Weidetiere
Die große Frage der Weidetierhalter, wie sie ihre Tiere sicher vor dem Wolf schützen können und wer sie dabei auch finanziell unterstützt, sollten Arnd Ritter, Berater für Weidetierhalter beim Landesbetrieb Landwirtschaft, sowie eine Referentin des hessischen Umweltministeriums beantworten.
„Einen absoluten Schutz für Weidetiere gibt es nicht“, stellte Ritter klar, empfahl zur Prävention wolfsabweisende Zäune, die er dezidiert erklärte, und verwies letztlich auf die „Richtlinie Weidetierschutz“. Zum Thema Herdenschutzhunde, deren Einsatz nicht nur teuer und aufwendig, sondern insgesamt umstritten ist, räumte Ritter ein, dass „diese Tiere traditionell in großen Weidegebieten weit abseits von Siedlungen eingesetzt“ werden. Weidetierhalter hatten zwischendurch versucht zu schildern, welchen kaum noch leistbaren Mehraufwand der Wolfsschutz für ihre Betriebe bedeute. „Ihre Produktion wird teurer durch den Wolf“, sagte Ritter. „Sie müssen Ihre Betriebe umstrukturieren, selbst mehr arbeiten oder zusätzliches Personal einstellen.“
Berufsschäfer Burkhard Ernst aus Großalmerode und Sprecher der Schäfer im Landkreis nutzte ein kurzes für Fragen geöffnetes Zeitfenster und sagte – immer wieder unterbrochen von der Moderatorin – „Wir brauchen Hilfe, sonst werden wir hier verheizt! Das ist nicht akzeptabel.“ Um 18 Uhr – zirka eineinhalb Stunden nach Beginn – kam es zu den ersten lautstarken Tumulten auf der Veranstaltung. Die Weidetierhalter wollten keine Fragen zu einzelnen Richtlinien stellen, sie wollten ihre Situation schildern und gehört werden. So verstand das HLNUG die Infoveranstaltung nicht. „Hier geht es nur um den Status quo“, sagte Velthuis. Ein Landwirt brachte die Infoveranstaltung auf den Punkt: „Wir würden es gut finden, wenn Ihre Vorgesetzten zu so einer wichtigen Veranstaltung kommen und nicht die Wasserträger vorschicken“, sagte er.
Weiter Informationsveranstaltungen Wolf für Bevölkerung
Landrätin Nicole Rathgeber, die die Veranstaltung am Donnerstag eröffnete und von einem „Zielkonflikt“ sprach, kündigte in den nächsten vier bis sechs Wochen weitere Infoveranstaltungen zum Wolf an. Eine solle sich an die Allgemeinheit richten, eine weitere für Eltern sein. In der vergangenen Woche gab es bereits eine mit den Kitas. (Stefanie Salzmann)