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Seniorenpaar trickst Telefonbetrügerin aus

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Von: Clemens Herwig

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Klarer Fall fürs Klapphandy: Konrad und Elfriede Sichler mit ihren drei Telefonen am Esstisch in Obersuhl. Während der 84-Jährige die Betrügerin am Festnetz beschäftigte, rief seine Frau am Klapphandy die Polizei.
Klarer Fall fürs Klapphandy: Konrad und Elfriede Sichler mit ihren drei Telefonen am Esstisch in Obersuhl. Während der 84-Jährige die Betrügerin am Festnetz beschäftigte, rief seine Frau am Klapphandy die Polizei. © Clemens Herwig

In einem vierstündigen Krimi hat ein älteres Ehepaar aus Obersuhl einer Telefonbetrügerin eine Falle gestellt. Dabei haben die beiden Senioren die Kriminelle nicht nur auflaufen lassen, sondern auch die Polizei ins Boot geholt.

Obersuhl – Als Elfriede Sichler noch glaubt, mit ihrer Enkelin in Not zu telefonieren, schüttelt ihr Mann Konrad schon den Kopf: Da ist was faul. Der 84-Jährige traut der fremden Stimme am anderen Ende der Leitung nicht, die von einem schrecklichen Unfall erzählt und die Großeltern um finanzielle Hilfe bittet. Das Ehepaar aus Obersuhl (Kreis Hersfeld-Rotenburg) lässt die Betrügerin daraufhin in einem vierstündigen Krimi nicht nur auflaufen, sondern stellt ihr gemeinsam mit der Polizei eine Falle – so sicher reagieren Senioren bei Trickbetrug selten.

Der Überfall

Die Sichlers stehen mit vollem Namen und einer sehr kurzen Nummer im Telefonbuch, beides Hinweise auf ihr Alter. Vielleicht klingelt auch deshalb an einem Julimittag das Telefon in Obersuhl. Das Ehepaar nutzt meist den Lautsprecher. „Ich höre doch so schlecht“, erklärt die 83-Jährige fast entschuldigend.

Genau darauf setzt die Betrügerin. Sie redet direkt drauf los, ohne ihren Namen zu nennen – es ist ein verbaler Überfall. Die Senioren können nur rätseln. „Die Laura ist dran“, vermutet Elfriede Sichler dann. Es ist naheliegend – die Enkelin meldet sich oft bei ihren Großeltern. Es ist der Türöffner für die Betrügerin am Telefon.

„Oma, du glaubst gar nicht, was mir heute passiert ist“, nutzt die Frau die Chance. Dann spinnt sie die Geschichte von einem Unfall (es war ihre Schuld, natürlich), der andere habe ein teures Auto gehabt und sei auch noch Rechtsanwalt. Kurz: Sie sitze richtig in der Patsche. Das einzige Glück im Unglück: Eine günstige Werkstatt in der Nähe würde helfen – allerdings nur gegen eine Anzahlung von 32.000 Euro. „Oma, du lässt mich doch nicht im Stich?“, fleht die Frau.

Die Alarmglocken

Bei Konrad Sichler schrillen da bereis alle Alarmglocken. Der 84-Jährige hakt nach, doch die Anruferin hat auf vieles eine Antwort. „Warum holst du nicht die Polizei?“, fragt er. Dann sei doch der Führerschein sofort weg, sagt die vermeintliche Enkelin. Das Geld sei nur ein Vorschuss, versucht sie es beruhigend, morgen hätten sie es von der Versicherung wieder. Keine Polizei, eine Werkstatt, die sofort Geld will und eine Versicherung, die innerhalb von 24 Stunden zahlt – „Ich bin zwar alt, aber noch nicht so verkalkt“, sagt sich Sichler. Die Frau am Telefon gibt sich mittlerweile ungeniert als Laura aus, duzt das Ehepaar. Zwischendurch legt sie immer wieder unter dem Vorwand auf, ihr Handy sei beim Unfall kaputtgegangen. Kurze Zeit später ist sie wieder am Apparat. „Wir haben an dem Tag bestimmt 15 Mal telefoniert“, sagen die Sichlers.

Die Gewissheit

Das misstrauische Ehepaar nutzt die Pausen, um sich abzustimmen. Die ständigen Anrufe der Betrügerin blockieren zwar das Festnetz, doch das alte Klapphandy der 83-Jährigen und das Smartphone ihres Mannes sind frei. Immer wieder warnt die falsche Laura: Niemand darf etwas wissen, das wäre ihr peinlich. Die Senioren halten sich nicht dran. Während Konrad Sichler beim nächsten Klingeln am Esstisch abnimmt, telefoniert seine Frau nebenan mobil mit ihrer Tochter. Der Verdacht bestätigt sich: Die Enkelin ist putzmunter und hat gerade mit ihrer Mutter gesprochen. Die nächste Nummer, die in Obersuhl gewählt wird, ist die 110.

Die Falle

Statt der Betrügerin einen unschönen Tag zu wünschen und aufzulegen, drehen die Senioren den Spieß um: Aus der Jägerin soll die Gejagte werden.

Das Ehepaar verlegt sich auf eine Hinhaltetaktik. Für so viel Geld müsse er auf die Bank, ködert Konrad Sichler. Die Anruferin beißt an. „So viel bekommst du in Obersuhl nicht, da musst du nach Bad Hersfeld.“ Vermutlich hofft sie in der Kreisstadt auf eine anonymere Filiale als im Wildecker Ortsteil.

Den Sichlers spielt der Aufschub in die Karten. Vielleicht kommt es ihnen zugute, dass beide Erfahrung als Dorftheater-Schauspieler haben – als die Polizei 20 Minuten später bei den Senioren Stellung bezieht, ist die Betrügerin auf jeden Fall immer noch am Telefon.

Die Ermittler wollen die Täter mit den Fingern in der Geldbörse der Senioren schnappen. Während Konrad Sichler also vorgibt, nach Bad Hersfeld zur Bank zu fahren, hält seine Frau die Anruferin bei Laune. Ganz sorglos ist Elfriede Sichler während der Telefonate nicht. „Die denken doch, wir haben dann so viel Geld im Haus.“ Sicherheit gibt der Seniorin eine Polizistin, die heimlich die Anrufe mithört und ihr immer wieder den gereckten Daumen zeigt.

Die Enttäuschung

Die Ermittler haben sich unauffällig auf einen Zugriff vorbereitet – nicht einmal die Nachbarn bekommen etwas mit, erinnert sich Elfriede Sichler. Als ihr Mann der Betrügerin sagt, er habe nur 10.000 Euro von der Bank bekommen, schlägt „Laura“ frech vor, dass Seniorenpaar solle noch ein weiteres Konto plündern, bevor sie sich mit der geringeren Beute zufriedengibt. Die 83-Jährige revanchiert sich für die Dreistigkeit, indem sie ihrer angeblichen Enkelin honigsüß einen Kaffee in Aussicht stellt, wenn sie das Geld abholt. „Laura“ schlägt das Angebot aus: Ein Freund werde vorbeikommen, sie habe sich beim Unfall verletzt.

Doch der aufregende Tag endet für das Ehepaar aus Obersuhl mit einer kleinen Enttäuschung: Die Betrüger tauchen nie auf. „Wir hätten es natürlich lieber gesehen, wenn wir die erwischt hätten. Es war alles ein bisschen aufregend, aber am Ende hat es sogar Spaß gemacht“, sagen die Sichlers. (Clemens Herwig)

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