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Selbsthilfegruppe für nahe Angehörige von Häftlingen

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Von: Julia Stüber

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Inhaftierung: Wenn Menschen aus dem näheren Umfeld inhaftiert werden, bleiben die Familienmitglieder mit vielen offenen Fragen zurück. Im Werra-Meißner-Kreis soll sich dazu eine Selbsthilfegruppe gründen.
Inhaftierung: Wenn Menschen aus dem näheren Umfeld inhaftiert werden, bleiben die Familienmitglieder mit vielen offenen Fragen zurück. Im Werra-Meißner-Kreis soll sich dazu eine Selbsthilfegruppe gründen. ©  imago/Thomas Eisenhuth

Eine Frau aus dem Werra-Meißner-Kreis, deren Sohn im Maßregelvollzug sitzt, will jetzt eine Selbsthilfegruppe für Angehörige gründen.

Werra-Meißner – Früher hat sie den Kontakt zu anderen Menschen eher vermieden – ist abends einkaufen gegangen, damit sie keine Bekannten trifft, die sie auf die Geschehnisse ansprechen könnten. Es war ihr peinlich, unangenehm. Wie sollte sie auf Fragen aus dem Umfeld reagieren? Doch eine Frau aus dem Werra-Meißner-Kreis, die namentlich nicht genannt werden möchte, hat beschlossen, mehr über ein Tabu-Thema zu sprechen – und auch andere Betroffene zu unterstützen.

Denn: Ihr Sohn ist seit ein paar Jahren im Maßregelvollzug untergebracht. Dort – in forensischen Kliniken – werden zum Beispiel psychisch kranke Menschen behandelt, die im Kontext der Erkrankungen Straftaten begangen haben. Seit 2018 ist der Sohn der 56-Jährigen inhaftiert – wann er einmal entlassen werden wird, ist unklar, sagt die Mutter. Wird ein Familienmitglied inhaftiert, bleiben Angehörige allein zurück – und haben viele Fragen, erzählt die Frau.

„Wenn jemand ins Gefängnis kommt, wissen zum Beispiel die betroffenen Eltern nicht, wie es weitergeht. Was passiert als Nächstes? Wo gibt es Unterstützung? Mit wem kann ich mich austauschen?“ Solche Fragen quälten auch die 56-Jährige – Hilfsangebote, Ansprechpartner vermisste sie. „Es herrschte Chaos im Kopf. Ich fühlte mich verloren und alleingelassen.“

Auch die Reaktionen aus dem näheren Umfeld machten ihr zu schaffen. „In meinem Fall brachen einige Freunde den Kontakt zu mir ab. Auch meine Familie machte mich für die Entwicklung meines Sohnes und seine Straftaten verantwortlich. Das war sehr schwierig für mich. Man braucht ein dickes Fell.“ Angst, Scham, Getuschel in der Nachbarschaft, Vorwürfe – „das zerfrisst die Betroffenen, die zurückbleiben. Es ist eben ein echtes Tabu-Thema“, sagt die Mutter. Umso wichtiger ist für die 56-Jährige heute, diese Hemmschwelle zu überwinden und über die Thematik zu sprechen. „Natürlich leidet man unter der Situation. Aber man muss auch auf sich selbst aufpassen – man darf nicht daran kaputtgehen.“

Der Maßregelvollzug

Im Maßregelvollzug übernehmen forensische Kliniken die Aufgabe der Behandlung „für psychisch kranke oder suchterkrankte Menschen, die im Kontext ihrer Erkrankung eine Straftat begangen haben und zu erwarten ist, dass sie auch in der Zukunft Straftaten begehen könnten“, erklärt das Hessische Ministerium für Soziales und Integration auf seiner Internetseite. Dabei stehen also Straftat und Erkrankung im Zusammenhang mit der Schuldfähigkeit – „sofern die Beeinträchtigung die Einsicht in das Unrecht der Tat verhindert oder verringert.“ Ziel der Behandlung und Therapie in einer Klinik sei es, dass die Patienten ein straffreies Leben künftig führen können und damit in die Gesellschaft wiedereingegliedert werden. Zudem soll auch die Allgemeinheit vor weiteren Taten geschützt werden, heißt es. Der Maßregelvollzug ist Landesaufgabe. 

Deswegen will die 56-Jährige eine Selbsthilfegruppe gründen und betroffenen Angehörigen einen Raum geben, um sich über Erfahrungen, Probleme und all die Fragen auszutauschen, die eine Inhaftierung mit sich bringen kann.

Kontakt: Selbsthilfekontaktstelle Werra-Meißner-Kreis, Tel.: 0 56 51/30 22 53 80; E-Mail: selbsthilfekontaktstelle@werra-meissner-kreis.de(Julia Stüber)

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