1. Startseite
  2. Lokales
  3. Witzenhausen
  4. Waldkappel

Im Kreis stehen Skigebiete wegen des Klimawandels auf der Kippe

Erstellt:

Von: Juliane Preiß

Kommentare

Grüne Wiese statt Schnee im Gelltal: Susanne Bärmann kümmerte sich bislang um den kleinen Schlepplift. Nach einem Schaden am Stahlseil wird die Anlage aus Kostengründen wohl nicht mehr repariert.
Grüne Wiese statt Schnee im Gelltal: Susanne Bärmann kümmerte sich bislang um den kleinen Schlepplift. Nach einem Schaden am Stahlseil wird die Anlage aus Kostengründen wohl nicht mehr repariert. © Juliane Preiß

Skifahren im Mittelgebirge wird es Mitte des Jahrhunderts wegen des Klimawandels nicht mehr geben. In Waldkappel steht der Lift vor dem Aus, auf dem Meißner sind die Kosten extrem.

Waldkappel – Die Wintersaison hat im Waldkappeler Gelltal gar nicht erst angefangen. Wird sie auch nicht mehr. Dieses Jahr bestimmt nicht, vielleicht aber auch nie wieder. Susanne Bärmann schaut wehmütig den grünen Hang hinab. Am unteren Ende steht umgeben von einem Bretterzaun ein Teil des Schleppliftes. Im Frühjahr hatte sie mit ihrem Mann Stefan bei einem Kontrollgang bemerkt, dass das Stahlseil gerissen war. Sie informierten die Stadtverwaltung, der die Liftanlage gehört. „Das war das Todesurteil“, sagt Bärmann.

Statt das Seil auszutauschen, kam ein Gutachter und begutachtete, wie es eben sein Job ist, die Anlage, die 1993 auf der grünen Wiese vor den Toren Waldkappels aufgestellt wurde. Für die Sanierung der Anlage und Herstellung der Betriebserlaubnis mit allem drum und dran müsse „locker eine fünfstellige Summe“ veranschlagt werden, so Waldkappels Bürgermeister Frank Koch. Viel Geld für eine klamme Kommune. Der Magistrat der Stadt hat deshalb beschlossen, die Liftanlage erst einmal zurückzubauen.

Koch weiß, wie viel Herzblut und Arbeitsstunden die Bärmanns in die Pflege des Skiliftes gesteckt haben, den Susanne Bärmann „unser Baby“ nennt. 2015 haben sie den Liftbetrieb von Alois Franke übernommen, viele Jahre vorher hatten sie schon immer mit angepackt. Susanne Bärmann, die sich als „Waldkappler Uhle“ und begeisterte Skifahrerin bezeichnet, kann sich noch an ihre ersten Abfahrten ohne Lift erinnern. Wie die 400 Meter-Abfahrt zu ihrem vielverheißenden Namen „Gelltalarena“ gekommen ist, weiß auch die 53-jährige Susanne Bärmann nicht mehr. Vielleicht von Jugendlichen, die bei der alljährlichen Rodelgaudi der Freiwilligen Feuerwehr dabei waren. Die kleine Piste mit einem Höhenunterschied von rund 50 Metern sei ein richtiger Geheimtipp. Nicht nur unter Skifahrern. „Wenn es hieß, der Lift läuft, dann war hier richtig was los. Halb Waldkappel kam hierher, und sogar Leute aus Wanfried und Sontra.“ Dann setzten die Bärmanns am Samstagmittag noch eine Gulaschsuppe auf, irgendjemand brachte Kuchen vorbei und Glühwein wurde warm gemacht.

Dass das Gelltal nach Norden ausgerichtet ist, half in den vergangenen Jahren aber dann auch nicht mehr. Der Schnee wurde weniger, das letzte Mal war der Schlepplift 2017 in Betrieb. „2021 hatten wir so viel Schnee, da hätten wir den Lift vier Wochen laufen lassen können“, erinnert sich Susanne Bärmann. Aber 2021 war Corona, der Lift stand still. Trotzdem haben sie und ihr Mann jedes Jahr die Bäume in der Liftspur zurückgeschnitten und die Wiese gemäht. „Der Skilift gehört zu Waldkappel. Das ist so eine Art Kulturgut.“

Frank Koch weiß, dass der Skilift für viele Waldkappeler ein emotionales Thema ist. „Auch ich bin dort immer Ski gelaufen und das Feuerwehrrodeln ist einfach immer eine Riesensache gewesen.“ Aber man müsse das Thema Lift und Skifahren vor dem Hintergrund des Klimawandels betrachten. „Wir sind einfach nicht mehr so mit Schnee gesegnet“, sagt Koch. Man müsse das Verhältnis von Kosten und Nutzen kalkulieren.

Vom Gelltal blickt man Richtung Meißner. Die Pisten dort liegen fast 500 Meter höher, aber nicht hoch genug. Mittelgebirgsregionen, wie dem Hohen Meißner, prognostiziert der Münchner Geowissenschaftler Maximilian Witting keine weiße Zukunft. Er schätzt, dass Mitte des Jahrhunderts Skigebiete in deutschen Mittelgebirgen so gut wie ausgestorben sind. Es könne durchaus noch schneereiche Perioden geben, doch die Schneefallgrenzen werden steigen. Dann sei der Betrieb von Skiliften, die eventuell mit Schneekanonen zusätzlich beschneit werden müssen, wegen der hohen Betriebskosten nicht mehr rentabel.

Geld in Schneekanonen hat Rüdiger Freund schon investiert, aber er hat sie noch nie benutzt. Freund betreibt seit zwölf Jahren die beiden Skilifte auf dem Meißner. Die Untere Naturschutzbehörde habe ihm verboten, die Kanonen zu nutzen, weil dadurch Pflanzen zerstört würden. Die Untere Naturschutzbehörde wiederum sagt, sie sei überhaupt nicht zuständig. Der große Skilift liegt in einem Naturschutz- und FFH- Gebiet. Für Genehmigungsverfahren sei die Obere Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Kassel zuständig. Und die weist darauf hin, dass es nie einen Antrag seitens des Liftbetreibers gegeben habe.

Ein Genehmigungsverfahren, wie es die Naturschutzgebietsverordnung vorsieht, wäre aufwendig. Außerdem braucht man für Beschneiungsanlagen Wasser. „Und Wasser ist auf dem Meißner ein knappes Gut“, sagt Marco Lenarduzzi, Geschäftsführer des Geo-Naturpark Frau-Holle-Land. Viele Flächen der Meißner-Region liegen in Wasserschutzgebieten. Lenarduzzi sieht Beschneiungsanlagen auf dem Meißner kritisch. Skiabfahrt sei kein Problem für die Vegetation, die Frage sei aber die Wirtschaftlichkeit. „Man muss sich doch fragen, wie sich das Ganze tragen soll, bei ein paar Öffnungstagen im Jahr.“

Einnahmen habe er in den vergangenen Jahren kaum gehabt, sagt Rüdiger Freund. Erst schneite es nicht, dann kam Corona und als im Dezember Bilderbuchwinterwetter herrschte, sperrte Hessen Mobil die Straße wegen Schneebruchs. „Ich habe in den letzten Jahren unheimlich viel Miese gemacht“, sagt Freund. Die Skilifte seien für ihn nur noch ein sehr teures Hobby. Freund, der außerdem eine Dachdeckerfirma in Dransfeld im Landkreis Göttingen betreibt, sieht trotz Klimawandels Potenzial in dem kleinen Skigebiet auf dem Hohen Meißner. Aber er fühle sich wie Don Quijote, statt gegen Windmühlen kämpfe er gegen Auflagen. „Ich habe bald keine Lust mehr“, sagt Freund hörbar genervt am Telefon.

Alle Arbeiten, die mit den Meißner-Liften zu tun haben, erledigt Ralf Hohmann. Er habe Mitte der Woche kurz überlegt, ob er die Pistenraupe anschmeißen soll, um die kleine 300-Meter-Abfahrt am Naturfreundehaus zu präparieren. Aber mit Blick auf den Wetterbericht und angekündigten zehn Grad zum Wochenende, hat er sich dagegen entschlossen. „Da lohnt sich der Aufwand nicht, die Raupe schluckt auch 30 Liter Diesel die Stunde.“ Hohmann der aus Frankershausen stammt und mittlerweile in Großalmerode lebt, kennt die schneereichen Winter auf dem Meißner noch.

Die Skilifte auf dem Plateau betreut er seit 20 Jahren. Der Große lief das letzte Mal 2017, der Kleine im Januar. „Da ist viel Idealismus dabei, rentieren tut sich das nicht mehr“, sagt Hohmann. In diesem Jahr haben sämtliche Pächter, die Stadt Hessisch Lichtenau, Hessenforst, die Naturfreunde und zwei Landwirte auf ihre Pacht verzichtet. Nur durch solches Entgegenkommen könne man den alpinen Skisport am Meißner noch am Leben halten.

Auch Susanne Bärmann würde weitermachen. Spontan den Lift im Gelltal anschmeißen, wenn es schneit. „Natürlich ist der Klimawandel ein Problem, wir haben nicht mehr diese schneereichen Winter. Aber solche Dinge, wie der Skilift oder das Freibad, (wo sie Vorsitzende des Fördervereins ist, Anm. d. Red) sind wichtig für die Gesellschaft.“ Sie würde sich wünschen, dass die Stadt Waldkappel sich den „Luxus“ Skilift leistet, ihre Arbeitsstunden stellt sie nicht mehr in Rechnung. (Juliane Preiß)

Auch interessant

Kommentare