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Mediensucht ist Ausnahme im Kreis

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Von: Kim Hornickel, Nicole Demmer

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Eltern sollten ihren Kindern Handy- und PC-Nutzungszeiten einräumen, aber auch einen Überblick darüber haben, wie diese vom Nachwuchs genutzt werden, sagt die Schulpsychologin. Symbo
Eltern sollten ihren Kindern Handy- und PC-Nutzungszeiten einräumen, aber auch einen Überblick darüber haben, wie diese vom Nachwuchs genutzt werden, sagt die Schulpsychologin. Symbo © Christoph Strotmann/dpa

Seit einigen Jahren gibt es - auch wegen der Corona-Pandemie - ein verändertes Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen.

Werra-Meißner – Im Werra-Meißner-Kreis ist seit der Corona-Pandemie die Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen zunehmend in den Fokus gerückt, beschreibt Birgit Reppmann, Schulpsychologin mit Arbeitsschwerpunkt Suchtprävention am Schulamt in Bebra, die Beobachtungen der Lehrer im Kreis.

Belastbare Zahlen liegen für die Region zwar keine vor, eine Studie der Krankenkasse DAK zeigt jedoch einen bundesweiten Trend, der seit der Pandemie einen massiven Anstieg der Mediensucht bei Minderjährigen verzeichne. Demnach wuchs die Zahl der von Computerspielen abhängigen Kinder und Jugendlichen von 2,7 Prozent im Jahr 2019 auf 6,3 Prozent im Juni 2022.

Birgit Reppmann ist seit 2004 Schulpsychologin im Kreis und beobachtet, besonders in den vergangenen Jahren, einen neuen Trend bei der Mediennutzung. So verwendeten nun auch Grundschulkinder Computer, Handys und damit Soziale Medien immer häufiger und intensiver.

Im Werra-Meißner-Kreis gibt es zur Nutzung von Handys und Computern regelmäßig Online-Elterntalks. Angeboten werden sie vom Mediennetzwerk, in dem auch die Fachstelle für Suchthilfe und Prävention vertreten ist, heißt es dort auf Anfrage unserer Zeitung. Zudem gibt es von der Fachstelle regelmäßig Treffen mit Beratungslehrern.

Dabei dürften Handy und Co. nicht pauschal verteufelt werden, sagt Reppmann. Stattdessen sei ein offener und kontrollierter Umgang mit den Geräten angebracht. „Handys werden im Unterricht ja auch sinnvoll genutzt und viele Schulen haben eine feste Handyordnung, die klare Grenzen aufzeigt, damit die Nutzung nicht grenzenlos wird“, erklärt Reppmann.

Sorge vor einer Mediensucht der Kinder und Jugendlichen sei nicht immer gleich angebracht. Nur weil Medien während der Pandemie häufiger genutzt wurden, bedeute das nicht, dass eine Sucht bestehe. „Wenn jedoch die Körperpflege oder der Schulbesuch darunter leiden, ist das schon beunruhigend“, so die Expertin.

Beim Thema Mediensucht sieht Birgit Reppmann, Schulpsychologin am Schulamt Bebra, einen deutlichen Unterschied zwischen Mädchen und Jungen. Während bei den Schülern im Landkreis eher die Computerspiele hoch im Kurs stehen, interessierten sich Schülerinnen mehr für die Sozialen Medien. Das beeinflusse auch das jeweilige Suchtverhalten. Trotzdem stellt Reppmann fest: Egal ob Computer oder Soziale Medien, beide Tendenzen gibt es auch beim jeweils anderen Geschlecht.

Um Kinder aus einer Sucht herauszuhelfen, sei es wichtig, zunächst zu verstehen, warum ein Kind oder Jugendlicher exzessiv Computer spielt oder sich stundenlang mit Sozialen Medien beschäftigt. Psychologin Reppmann spricht dabei von der „digitalen“ und der „analogen“, statt der „realen“ Welt. „Denn die digitale Welt wird ja immer mehr zu einer weiteren, anderen Realität“, erklärt sie.

Bei der Ursachenforschung für exzessiven Medienkonsum stoßen die Experten auf grundlegende Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen. „Dabei geht es zum Beispiel um das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung, das Ausbrechen aus einer stark kontrollierten Umgebung oder um eine schnelle Belohnung.“ Denn wer in einem Computerspiel geübt ist, kann schnell Erfolge feiern und sehnt sich danach eventuell nach mehr. „Eine solch direkte und sofortige Anerkennung ist in der analogen Welt ja nicht immer so leicht, zu bekommen“, erklärt Reppmann. In der Suchtprävention für Grundschulkinder setzen die Mitarbeiter genau dort an – an den Emotionen der Kinder. Freude, Spannung und Kontrolle über die eigenen Gefühle, so funktioniere Prävention bei den Jüngsten, erklärt Reppmann und hat ein Beispiel: „Ganz einfach gesagt, wollen wir den Kindern zeigen, dass man nicht nur durch ein Stückchen Schokolade glücklich wird.“ Die Kinder emotional stärken, ist das Ziel der Experten. Gleichzeitig sei eine gewisse Kontrolle durch Eltern und Lehrer jedoch genauso wichtig, wie Freiheiten aufzuzeigen und diese auch selbst zu vertreten, erklärt Reppmann: „Eltern sind auch Vorbilder. Wenn also am Esstisch ein Handyverbot herrscht, dann gilt das für alle.“ Zeiten für die Handy- und PC-Nutzung einzuräumen, einen Überblick zu haben, was Kinder im Netz anschauen oder wo sie sich digital bewegen, führe zu einer gesunden Mediennutzung und mehr Vertrauen. Seit der Pandemie sei die Aufmerksamkeit für das Thema Mediennutzung bei Minderjährigen deutlich gestiegen. „Viele suchen sich jetzt früh und gezielt Hilfe bei den Fachstellen“, sagt Reppmann.

In einigen Fällen seien es außerdem Klassenkameraden und Freunde der Betroffenen, die ein verändertes Verhalten bei anderen Kindern und Jugendlichen bemerkten und Lehrer darauf ansprechen würden. Die Aufmerksamkeit sei viel größer geworden, Lehrer und Eltern schauten genauer hin. „Das ist auch nötig“, sagt Schulpsychologin Birgit Reppmann. (kh/nde)

Diakonie ist Kooperationspartner 

Um Schüler über Süchte aufzuklären, arbeiten die Schulen im Landkreis mit der Fachstelle für Suchtprävention der Diakonie im Werra-Meißner-Kreis zusammen. Bei Projekttagen oder Elternabenden bieten die Mitarbeiter der Diakonie Tipps und Beratungen für Eltern und Schüler sowie spezialisierte Lehrer im Bereich Suchtprävention. Für Grundschulen gibt es das Programm Klasse 2000, für Schüler ab der 7. Klasse werden Workshops für Suchtprävention angeboten. (kh/nde)

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