Feminismus? Da weichen Männer erstmal reflexartig zurück

Heute am 8. März ist Weltfrauentag. Wir haben zu diesem Anlass mal mit dem Männerberater Boris von Heesen über Feminismus gesprochen.
Eschwege - Anlässlich des Weltfrauentags hat die Gleichstellungsbeauftragte des Werra-Meißner-Kreises, Thekla Rotermund-Capar, den Autor und Männerberater Boris von Heesen für eine Lesung mit Diskussion (Mittwoch, 18.30 Uhr Café Brise in Eschwege) eingeladen, bei dem er anhand seines neuen Buchs „Was Männer kosten – Der hohe Preis des Patriarchats“ vorrechnet, was diese die deutsche Gesellschaft kosten. Wir haben mit dem Autor gesprochen.
Herr von Heesen, Sie wurden mal als Zahlenfeminist bezeichnet, da Sie mit der Sprache des Patriarchats, dem Geld, die Folgen von ungesund-männlichem Verhalten beschreiben – würden Sie sich selbst als ein solcher bezeichnen?
Von Heesen: Generell habe ich ein Problem damit, wenn Männer vor sich hertragen, dass sie Feministen sind. Ich finde viel mehr die Bewegung des Feminismus als Idee der Gerechtigkeit von allen unterstützenswert. Und das tue ich. Ich möchte mir ungern ein Label aufkleben, kann aber damit leben, wenn andere das tun.
Sie sind nicht nur Autor, sondern auch Männerberater: Warum ist Feminismus auch für Männer wichtig?
Hören Männer den Begriff „Feminismus“, passiert häufig ein reflexartiges Zurückziehen. Dabei ist es die Bewegung für die Gerechtigkeit der Geschlechter. Es soll Frauen und Männern also am Ende gleich gut gehen, alle sollen die gleichen Chancen haben. Dadurch können Männer auch gesünder werden. Interessant ist, dass diese Gerechtigkeit zum Beispiel beim Thema Familiengründug dann bedeuten kann, dass nicht etwa der Mann nach der Geburt wieder Vollzeit in die Lohnarbeit gehen muss. Man kann als Paar auch gemeinsam entscheiden, wer wie viel arbeitet, sodass der Mann im Umkehrschluss mehr Zeit mit seinem Kind und Freunden verbringen kann.
Wie werden Männer durch Feminismus gesünder?
Chancengleichheit bedeutet auch, dass Männern mehr Raum gegeben wird, mal in sich reinzuhören und sich um sich selbst zu kümmern. Dadurch werden sie gesünder und leben länger. Sie werden sensibler und verstehen sich selbst besser.
Was sagen Sie Männern, die Angst davor haben, dass sie durch Feminismus benachteiligt werden – so wie Frauen viele Jahre?
Wenn man sich an einen bestimmten Status gewöhnt hat, von dem man denkt, dass er einem zusteht, empfindet man es als ungerecht, wenn tatsächliche Gerechtigkeit hergestellt wird. Der amerikanische Soziologe Michael Kimmel beschreibt das als „kränkende Enteignung“. Manche Männer fühlen sich gekränkt dadurch, dass Frauen gleiche Rechte fordern.
Wie kann man diesen Männern klar machen, dass es bei Feminismus nicht darum geht, Männer zu benachteiligen?
Erst mal sollten Männer den Frauen bei diesem Thema zuhören. Es geht darum, eine grundsätzliche Gerechtigkeit zu schaffen, nicht, dass am Ende ein Geschlecht bessergestellt ist, als das andere.
Was können Männer dafür tun, dass Feminismus besser funktioniert?
Zunächst mal müssen sie sich entspannen und verstehen, dass sie nicht übervorteilt werden sollen. Männer müssen in Solidarität mit Frauen gehen und sie unterstützen. Wenn sie das tun, können auch auf Augenhöhe Dinge angesprochen werden, die für Männer nicht gut laufen.
Ihr Buch heißt „Was Männer kosten“. Worum geht es darin?
Ich war viele Jahre in der Sozialarbeit und der Drogenhilfe tätig. Dabei habe ich eine unbeleuchtete Seite des Patriarchats gesehen. In meinem Buch geht es darum, wie Männer die Gesellschaft belasten. Männer dominieren die Statistik der Drogentoten, bauen mehr Verkehrsunfälle, werden häufiger gewalttätig, deutlich mehr Männer als Frauen sitzen im Gefängnis und so weiter.
Und was bedeutet das für den Feminismus?
Ich finde es schrecklich, dass Einzelschicksale unter dieser sozialen Schieflage leiden. Frauen werden von Männern geschlagen, Kinder werden traumatisiert und Männer versterben früher, weil sie viel mehr Drogen konsumieren. Da sich niemand darum gekümmert hat, benutze ich jetzt die Sprache des Patriarchats, also Geld, um anhand öffentlich verfügbarer Daten aufzuzeigen, was dieses Ungleichgewicht kostet, unter dem alle leiden.
Was kostet es denn?
Ungesunde männliche Verhaltensweisen, die sich in all den von mir untersuchten Statistiken abbilden, belasten Deutschland mit 63 Milliarden Euro zusätzlich.
Sind im Umkehrschluss Männer also die schlechteren Menschen?
Nein, Männer sind keine schlechteren Menschen. Kein Mensch ist besser oder schlechter. Männer, die im Patriarchat aufwachsen und sozialisiert werden, werden Schritt für Schritt von ihrer Gefühlswelt abgetrennt. Sie haben nicht gelernt, sich Hilfe zu holen. Das führt zu so schrecklichen Verhaltensweisen, die in diesen Statistiken abgebildet sind. (Theresa Lippe)