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Werraland Lebenswelten und GWE über den Lohn in Werkstätten im Werra-Meißner-Kreis

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Von: Eden Sophie Rimbach

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Eine Hand hält verschiedene Banknoten. Zu sehen sind 50-, 20- und 10-Euro-Scheine. Die Summe entspricht 240 Euro.
Wie sich der Lohn für Menschen in einer Werkstatt zusammensetzt, ist gesetzlich geregelt (Symbolbild). © Monika Skolimowska/dpa

Eine Interessenvertretung setzt sich für das Basisgeld ein und deutschlandweit wird der Mindestlohn in Werkstätten gefordert. So wird das Thema im Werra-Meißner-Kreis behandelt.

Werra-Meißner – Für Arbeiter in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen wird seit mehreren Jahren der Mindestlohn gefordert. Die Interessenvertretung Werkstatträte Deutschland setzt sich seit 2019 für das Basisgeld ein. Es entspricht 70 Prozent des Durchschnittslohns in Deutschland. Im Werra-Meißner-Kreis ist der Mindestlohn noch nicht angekommen, sei aber auch noch kein großes Thema, wie Unternehmen und Werkstatträte berichten.

„Grundsätzlich würden wir gerne Mindestlohn zahlen, wenn die Politik dafür die Voraussetzungen schafft“, teilt Werraland-Sprecher Lars Winter mit. Selbst könne keine Werkstatt in Deutschland genug erwirtschaften, um diesen zu zahlen. Winter: „Würden Werkstätten ohne Refinanzierung Mindestlohn zahlen müssen, würde es keine Werkstätten mehr geben, denn die Zahlung von Mindestlohn kann keine Werkstatt selbst erwirtschaften.“

Julia Hühn ist die erste Vorsitzende des Werkstattrates der Werraland Lebenswelten. Die Forderung nach Mindestlohn sei dort noch kein großes Thema. Die Frage, welche Bezahlung die Menschen, die in der Werkstatt tätig sind, als gerecht einschätzen, sei schwierig zu beantworten. Julia Hühn: „Wenn wir Mindestlohn bekommen würden, müssten wir auch arbeiten wie Menschen, die den schon bekommen.“ Das würden die meisten Mitarbeiter nicht schaffen. Vielen sei dagegen wichtig, dass es keinen Leistungsdruck gebe und ihnen nicht einfach gekündigt werden könne. Die Frage sei, ob die Mitarbeiter in Werkstätten mit der Einführung von Mindestlohn ihre Schutzrechte verlieren würden.

Mitarbeiter haben Rechte wie Urlaubsanspruch oder Mutterschutz, der Produktionsdruck falle aber weg. Hinzukommen Leistungen wie pädagogische, therapeutische, soziale und medizinische Angebote. Gleiches gelte laut Werkstattleitung Andreas Galle für die Gemeinnützigen Werkstätten Eschwege (GWE). Beide Werkstätten teilen mit, dass sie „absolut hinter einer Reform des Entgeltsystems“ stehen. Diese wird aktuell diskutiert. Mit dem Basisgeld wären die Beschäftigten laut Julia Hühn frei von der Grundsicherung: „Das gibt mehr Selbstvertrauen.“

Im Landkreis arbeiten rund 310 Menschen mit Beeinträchtigungen in der Werkstatt der Werraland Lebenswelten und etwa 140 Menschen, die überwiegend eine psychische Erkrankung haben, in den GWE. Sie haben zwei Standorte in Eschwege und einen in Witzenhausen und gehören zu Aufwind – Verein für seelische Gesundheit.

Basisgeld seit 2019 gefordert

Das Basisgeld wurde von Werkstatträten aus ganz Deutschland entworfen. 2019 veröffentlichte die Interessenvertretung Werkstatträte Deutschland ein Positionspapier. Demnach soll es für Menschen mit dauerhaft voller Erwerbsminderung gelten und unabhängig davon gezahlt werden, ob sie arbeiten. Es solle nicht wie die Grundsicherung funktionieren. Menschen mit Behinderung sollen ihre Konten nicht mehr offenlegen und mehr Geld haben dürfen. (esr)

Winter erklärt, dass Werkstätten laut der in Deutschland geltenden Werkstättenverordnung mindestens 70 Prozent ihres Arbeitsergebnisses an die Beschäftigten auszahlen müssen. Demnach erhalten die Mitarbeiter mindestens 70 Prozent des Geldes, das sie erwirtschaftet haben. Das von der Werkstatt gezahlte Entgelt betrage im Schnitt 250 Euro pro Monat. Die meisten beziehen laut Winter zusätzlich Grundsicherung beziehungsweise eine Rente. Nicht zahlen müssen sie Renten- und Krankenkassenbeiträge. Damit komme ein Beschäftigter auf über 1.000 Euro monatlich. Die Höhe der Rente bemisst sich am deutschen Durchschnittslohn. Auf sie haben die Beschäftigten nach 20 Jahren Arbeit Anspruch.

Letzteres sei den Beschäftigten laut Julia Hühn sehr wichtig. „Wir würden uns sehr freuen, wenn wir mehr verdienen“, sagt sie, fügt hinzu: „Aber wir bekommen ja noch andere Leistungen wie zum Beispiel Grundsicherung.“ Während der Arbeitszeit gibt es Therapie-, Sport- und arbeitsbegleitende Angebote. Über das Basisgeld hat der Rat in einer Sitzung mit anderen Werkstatträten gesprochen. Julia Hühn: „Dann hätten alle Menschen mit Behinderung genug Geld, um unabhängig leben zu können und wie alle anderen auch am Leben teilhaben zu können.“ Galle fügt Winters Worten hinzu, dass die Höhe des Entgelts vom Arbeitsergebnis abhängig sei: „Werkstätten sind hier auf die Zusammenarbeit mit Industrie und anderen Gewerbetreibenden in der Region angewiesen, um Aufträge für die in den Werkstätten beschäftigten Personen zu erhalten.“

Aktuell arbeiten laut Winter 38 Menschen mit Beeinträchtigung auf einem sogenannten BIB-Platz (Betriebsintegrierter Beschäftigungsplatz). Sie bleiben dabei Beschäftigte der Lebenswelten, arbeiten aber in einem heimischen Unternehmen außerhalb der Werkstatt. Dieses zahlt dafür einen Betrag an die Lebenswelten, die diesen ungemindert an den jeweiligen Beschäftigten weitergeben. Laut Winter besteht durchgängig Betreuung und Begleitung durch Jobcoaches.

Damit arbeiten über zehn Prozent der Beschäftigten außerhalb der Werkstatt. „Das ist eine Top-Quote, damit liegen wir hessenweit ganz weit vorne im Vergleich zu anderen Einrichtungen der Eingliederungshilfe“, so Winter. Fünf Beschäftigte absolvieren derzeit Praktika in regionalen Unternehmen und fünf weitere sind bei Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes angestellt. Durch das Budget für Arbeit erhält das jeweilige Unternehmen einen Zuschuss in Form staatlicher Förderung. Bei Aufwind führe der Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ebenfalls über Praktika und BIB-Plätze. Galle: „Inklusion gelingt, wo Menschen mit Beeinträchtigung eine Chance erhalten, sich mit ihren Fähigkeiten einzubringen.“ (Eden Sophie Rimbach)

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