Witzenhausen: Lidl will Verkaufsfläche erweitern

Witzenhausen – Der Discounter Lidl möchte an seinem Standort in Witzenhausen mehr Verkaufsfläche anbieten. Das wird nach Beschluss der Stadtverordnetenversammlung durch eine Verträglichkeitsstudie vorab geprüft. Die Kosten dafür trägt Lidl selbst.
Der Reihe nach: Im Juli 2020 hatte die Lidl Vertriebs-GmbH aus Edermünde eine Bebauungsplanänderung angefragt. Der derzeit 800 Quadratmeter Verkaufsfläche umfassende Markt solle auf 1000 Quadratmeter erweitert werden. Die Stadt hat daraufhin im Juli 2021 beim Regierungspräsidium um Stellungnahme gebeten, unter anderem dazu, ob ein Einzelhandelsgutachten erforderlich wäre. Der Hintergrund dazu: Der Bebauungsplan, festgesetzt als Mischgebiet, erlaubt maximal 15 Prozent der Verkaufsfläche als Sonderposten (Non-Food-Randsortiment).
Das Ergebnis: Eine Verträglichkeitsstudie soll zeigen, ob eine Erweiterung Auswirkungen auf den Einzelhandelsstandort historische Altstadt und Stadtumbauprojekt Isek hat. Zudem soll es ein Beteiligungsverfahren geben.
Dass der Erhalt der Innenstadtgeschäfte dem Parlament wichtig ist, wurde in der knapp halbstündigen Debatte deutlich. Dem vorausgegangen waren bereits rund 50 Redebeiträge im Bau- und Verkehrsausschuss, wie Ausschussvorsitzender Harald Ludwig berichtete.
Abgeordneter Dr. Christian Platner (AfW) betonte, dass Lidl durch die Erweiterung natürlich mit mehr Umsatz rechne und nicht etwa „aus Gutmütigkeit für die Stadt“ erweitere. Das sei Geld, das eben nicht in der Innenstadt, sondern auf der ,Grünen Wiese’ ausgegeben werde.
Hannelore Erfurth (Bündnis 90/Die Grünen) verwies darauf, bei einem möglichen Bau keine noch größere Konkurrenz für die Innenstadt zuzulassen und im Falle eines Baus diesen an Auflagen wie wasserdurchlässiges Pflaster sowie Photovoltaikanlagen zu binden. Axel Vogelei (FDP) mahnte, bei all der Kritik gegenüber der „Grünen Wiese“ zu beachten, wie viele Arbeits- und auch Ausbildungsplätze die Discounter der Kirschenstadt bieten. Es sei fraglich, wie viele Ausbildungsbetriebe es innerhalb der Stadtmauern überhaupt noch gibt.
Daniel Böttcher (Grüne) sieht die Gefahr von Nachahmern. Man habe unter anderem mit Netto, Edeka, Lidl, Aldi, Tegut und mehr unzählige Märkte, die im Zweifel alle bei einer Vergrößerung der Lidl-Verkaufsfläche nachziehen könnten. „Wir investieren in das Programm Zukunft Innenstadt, lassen Lidl aber seine Verkaufsfläche erweitern. Man muss der Großen Koalition die Frage stellen, was bei einer entsprechenden Vergrößerung bei Lidl eingekauft werden kann, was man nicht jetzt auch schon woanders bekommt“, sagte Böttcher.
Die Große Koalition in Person von Stephan Brübach (CDU) betonte: „Wir unterstützen das angestrebte Verfahren der Verträglichkeitsstudie, haben zum ganzen Rest aber noch nichts gesagt“. Zudem würden täglich tausende Menschen aus der Region über die Entwicklung der Einkaufslandschaft durch ihr Einkaufsverhalten entscheiden. „Die Entscheidung wird getroffen, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen und sich die Bürger geäußert haben.“
Heidi Rettberg (Die Linke) stellte klar, dass bei den aktuellen Preisexplosionen viele Menschen über Läden froh sind, in denen es Lebensmittel etwas günstiger gibt.
Dem schloss sich auch Lukas Sittel (SPD) an. „Wir haben einen Markt für Discounter in Witzenhausen, der auch für die umliegenden Regionen von Bedeutung ist“, sagte Sittel. Auch aus Nachbarkommunen komme man zum Einkaufen nach Witzenhausen. Die Stadtverordneten hätten durch eine Verträglichkeitsstudie ohnehin einen Riegel zu unkontrollierter Konkurrenz für Innenstadtgeschäfte vorgeschoben.
Bürgermeister Daniel Herz (parteilos) konnte letztlich zur Klärung beitragen. „Lidl will nicht anbauen, sondern eine bereits vorhandene Lagerfläche zu Verkaufsfläche umfunktionieren.“ Für Lebensmittelhändler gebe es in der Innenstadt keine Flächen, die heutigen Standards entsprechen. „Machen Sie mit bei der Belebung der Innenstadt, indem Sie das, was Sie benötigen, wenn vorhanden regional einkaufen“, so der Appell des Bürgermeisters.
Gualter de Sousa Barbas Baptista (Die Partei) brachte einen satirischen Aspekt ein: „Die Lidl-Erweiterung passt perfekt in das architektonische Meisterwerk unseres Stadteingangs“.