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Er bringt unser täglich Brötchen - Witzenhäuser hat sich selbstständig gemacht

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Von: Henry Valentin

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Die Sonne steigt langsam auf und die Schornsteine der Papierfabrik im Gelstertal dampfen: Sebastian Dülfer ist da schon vier Stunden wach. © Henry Valentin

Sie liefern Bestellungen aus, helfen im Alltag, beraten bei Bankgeschäften: Viele Menschen verbringen den Großteil ihres Arbeitsalltags auf der Straße – als moderne Dienstleister. Wir haben Sebastian Dülfer von "Mein Brötchenbote" begleitet.

Witzenhausen. Es ist früh. Morgens um 4 Uhr. Die Nacht hängt noch wie Blei über den Dächern von Witzenhausen. Kaum ein Auto unterwegs, die Straßen menschenleer. Es ist dunkel, die Dämmerung beginnt nach 5 Uhr – dann startet Sebastian Dülfer seine morgendliche Tour durch Witzenhausen.

Vorher war er schon eine Stunde bei seinem Bäcker, wie er sagt, in Rosdorf. Dort hat er die Brötchen und Brote für seine Tour gepackt. „Ruch heißt der“, sagt Dülfer. Einer, der an ihn geglaubt hat, der ihm die Möglichkeit gegeben hat, sich selbstständig zu machen. 

Mittlerweile hat er 150 Kunden

„Finden sie mal einen Bäcker, der ihre Idee unterstützt, wenn sie gerade mal drei Kunden haben.“ Dülfer hat ihn gefunden. Gerne hätte er auch mit einem Bäcker aus der Nähe von Witzenhausen kooperiert. „Die meisten Bäcker hier haben Sonntags nicht geöffnet“, sagt Dülfer. Deswegen sei keine Kooperation zustande gekommen. Jetzt hat er 150 Kunden, die er mit Brötchen, Brot, Honig, Wurst und manchmal auch Saft beliefert.

Die Karriere von Dülfer war bis dato keine fantastische Geschichte, eine schlechte Wette gegen die Wahrscheinlichkeit. Es war bisher nicht die Story vom Amerikanischen Traum in der bundesdeutschen Republik, kein Sieg der Selbstgewissheit über den kleinen Glauben. 

„Ich war immer zur falschen Zeit am falschen Ort“, sagt Dülfer. Seine Geschichte beginnt als Kaufmann im Einzelhandel, geht über diverse Jobs, Kündigungen und Firmenpleiten. 2017 lief dann sein Vertrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aus, für das er zwei Jahre gearbeitet hat.

Dülfer ist 33 Jahre alt, verheiratet, hat eine einjährige Tochter und lebt in Witzenhausen. Er wollte mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Das war der Grund für die Gründung seines eigenen Unternehmens: „Mein Brötchenbote hab ich es genannt.“ 

2017 erfolgte die Firmengründung

Ende letzten Jahres hat er angefangen mit der Firmengründung. Seinen Traum hat er umgesetzt, mit handgemachten frischen Brötchen, die er nun ausliefert. Seit Januar ist der Witzenhäuser an sieben Tagen in der Woche unterwegs. Seine Tour hat er im Kopf. Wie ferngesteuert fährt er durch die Straßen und Gassen, kennt jeden Kunden, weiß genau, wer welche Lieferung bekommt.

Gleich bellt ein Hund, wenn wir hier lang gehen“, sagt Dülfer. Tür auf, aussteigen, hintere Tür links auf, Tüte rausholen, rein in den Beutel an der Haustür, zurück zum Auto, einsteigen, Türen zu, losfahren. 

Er hat seine Liste, auf der er sich notiert, was sich ändert und welcher Kunde neu oder im Urlaub ist. „Vieles ist einfach Kopfsache und gespeichert“, sagt er lachend. In seinem Auto duftet es nach frischen Brötchen. Bis zu hundert Kilometer fährt er bei einer Tour.

Heute ist er früher dran und schon um halb 8 fertig. Er mag die frühen Morgenstunden sehr, vor allem, wenn die Stadt noch wie ausgestorben ist. Dann ist er mit seinen Gedanken alleine, sieht manchmal einen Fuchs oder einen Marder, erzählt er. 

Das Wetter macht ihm manchmal zu schaffen

Das Wetter stört ihn eigentlich nur im Winter – wenn es kalt ist, es regnet oder schneit. „Das nervt dann schon mal“, sagt Dülfer. In diesem Sommer ist das Wetter allerdings verrückt gewesen, manchmal war es morgens noch 25 Grad warm, sagt er. „Da war ich nach einer Runde schweißgebadet.“ 

Wenn die letzte Tüte ausgetragen ist, fährt er nach Hause, zu seiner Familie. Dülfer will so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen. „Das ist mir wichtig“, sagt er.

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