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Schwarzbauten am Emser Berg erhitzen die Gemüter in Bad Emstal

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Von: Norbert Müller

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Drei wuchtige Neubauten: Im Vordergrund die 2020/2021 errichteten Häuser, die wegen der Missachtung der Vorgaben des Bebauungsplans mit einem Nutzungsverbot belegt sind. Dahinter die früheren Ferienhäuser.
Drei wuchtige Neubauten: Im Vordergrund die 2020/2021 errichteten Häuser, die wegen der Missachtung der Vorgaben des Bebauungsplans mit einem Nutzungsverbot belegt sind. Dahinter die früheren Ferienhäuser. © Norbert Müller

Drei Häuser am Emser Berg werden in Bad Emstal zum Politikum. Die Bauherren haben sich nicht an den geltenden Bebauungsplan gehalten.

Bad Emstal – In ihrer grundsätzlichen Beurteilung sind sich die SPD und die Bürgerliste Bad Emstal (BBE), der auch die CDU partnerschaftlich verbunden ist, einig: Die drei Häuser, die die Unternehmerfamilie Galjard aus Balhorn am Emser Berg im Ortsteil Sand errichtet hat, verstoßen gegen geltendes Baurecht. Vorgaben des Bebauungsplanes zur Traufhöhe, zu Grund- und Geschossfläche wurden ignoriert. Wie man aber nun weiter verfahren soll, da gehen die Meinungen auseinander.

Das wurde bereits in der jüngsten Gemeindevertretersitzung deutlich. Mit einer Stimme Mehrheit setzte die SPD den Aufstellungsbeschluss zur Änderung des Bebauungsplanes Emser Berg gegen die BBE durch.

Im Herbst 2022 sei an den Gemeindevorstand der Wunsch nach einer Änderung des B-Planes am Emser Berg herangetragen worden, blickte SPD-Fraktionschef Heiko Bertsch zurück. Eine Bauherrschaft wünsche die Änderung, nachdem sie bereits gebaut habe, „um eine Heilung ihrer baulichen Verfehlungen herbeizuführen“.

Bertsch erklärte, dass die SPD die Änderung des B-Planes unterstütze, allerdings nicht, um den Verstoß nachträglich zu legalisieren. Eine Ablehnung, so Bertsch, hätte eine Reihe von Nachteilen. Mit einer Ablehnung der Änderung des B-Planes würden die geschaffenen Wohnungen, deren Bedarf unstrittig sei, dauerhaft wegfallen. Zudem würde es eine „Absage an notwendige Anpassungen im Baugebiet und der Steigerung der Attraktivität der noch fünf unbebauten Grundstücke bedeuten“. Man solle also besser dieser „unsäglichen und ungewollten Situation etwas Gutes“ abgewinnen.

„Ich sehe es ein klein bisschen anders“, entgegnete Frank Unseld für die BBE, um dann zu erklären, warum er es ablehnt, die Verfehlungen im Nachhinein zu legalisieren. Sträucher und Bäume hätten weichen müssen, eine mehr als drei Meter hohe Betonmauer ziehe sich nun entlang des Grundstücks. Und vor allem störten ihn die Häuser: „Nein, ich möchte da oben nicht solche Klötze haben, nicht so eine Versiegelung.“ Auch das Argument, mit dem neuen B-Plan ermögliche man eine Nachverdichtung, weil dann auch die älteren Häuser erweitert werden könnten, könne er nicht nachvollziehen, es gebe in Bad Emstal ja auch Leerstand.

Überhaupt könne man die Fragen nicht aus einer rein städtebaulichen Sicht beantworten, sagte Daniel Rudenko (BBE). „Ein Bauherr hat massiv gegen einen bestehenden B-Plan am Emser Berg verstoßen.“ Und Fakt sei, „dass wir einen Rechtsstaat haben. Und der gilt auch in Bad Emstal. Wir haben Bebauungspläne, jeder muss sich daran halten“. Mit einer Anpassung des B-Planes ginge die Botschaft hinaus: „Es geht anscheinend auch anders, indem ich es einfach mache.“ Die Verabschiedung des Aufstellungsbeschlusses verhinderten die Einwände des BBE jedoch nicht. Damit abfinden will man sich seitens der CDU nicht. Dazu will die Bad Emstaler Union nun ein Bürgerbegehren initiieren.

„Unrecht muss Unrecht bleiben“ hat die CDU die gerade gestartete Kampagne überschrieben. „Aus Sicht der Christdemokraten war es das eigentliche Ziel des Beschlusses, dass die Emstaler Gemeindevertretung im Nachhinein einen Schwarzbau genehmigt“, kritisiert Rudenko, der auch CDU-Vorsitzender in Bad Emstal ist, die Entscheidung der SPD-Mehrheit im Parlament. „Die CDU Bad Emstal möchte den Rechtsstaat in Bad Emstal verteidigen“, so Rudenko. Darum solle es ein Bürgerbegehren geben mit dem Ziel, dass der Aufstellungsbeschluss über einen Bürgerentscheid aufgehoben wird. Bis zum 6. April können alle wahlberechtigten Emstaler Bürger mit ihrer Unterschrift in speziellen Listen das Vorhaben unterstützen. Als Termin für den Bürgerentscheid schlägt Rudenko den 8. Oktober vor, an dem auch die Landtagswahl stattfindet.

Da hat man offenbar den Steilhang am Emser Berg unterschätzt: Wladimir Galjard sagt, man habe ursprünglich nicht so bauen wollen, wie die drei Häuser nun dastehen. „Als wir das Projekt angegangen sind, haben wir es auf der Fläche abgesteckt und gesehen, es kann so nicht gebaut werden.“ Das gut 2300 Quadratmeter große Grundstück, auf dem der Senior, Tochter Julia Becker und einer seiner beiden Söhne jeweils ein Haus bauen wollten, ist schwieriges Terrain.

Der Boden der Böschung war zu weich, sagt der 70-Jährige. Wie man es auch gedreht hätte, „der vordere Teil des Hauses hätte in der Luft gehangen“. Kompakter zu planen, sei keine Option gewesen. Dann wären die Räume so klein geworden, dass man sie zu nichts mehr hätte gebrauchen können.

„Damit wir Standfestigkeit bekommen, haben wir die Hälfte des Hauses runtergeschachtet“, erzählt er zu den Problemen. Dort seien Garagen entstanden. Dann sei die Platte für das Kellergeschoss gegossen worden, wobei sich die Platte im Hangbereich auf die – ursprünglich überhaupt nicht vorgesehene – Garage gestützt habe.

Letztlich wurden so zwischen 2020 und 2021 mit Einsatz der ganzen Familie die drei Häuser auf die Fläche gestellt. Ursprünglich, versichert Galjard, hatten es Einfamilienhäuser werden sollen, nun sind es insgesamt sieben Wohnungen. Sechs mit je rund 80 Quadratmetern und noch eine kleine Einliegerwohnung mit 40 Quadratmetern, wobei der geltende Bebauungsplan pro Haus nur 130 Quadratmeter Wohnfläche erlaubt. Zwei junge Familien mit Kindern bewohnen als Mieter geduldet eines der Häuser, sie schlossen die Verträge für die Wohnungen noch ab, bevor wegen des Verstoßes gegen den B-Plan ein Nutzungsverbot erlassen wurde. Der Rest stehe leer.

Die Topografie und die Art des Bodens seien die Gründe für das Ausschachten gewesen. Daraus habe sich alles Weitere ergeben. „Wir hätten dann einen Bauantrag stellen müssen“, sagt der Inhaber einer Firma für Horizontalspülbohrungen, der mit seiner Familie in Balhorn lebt. „Ich gebe zu, wir haben Fehler gemacht.“

Die Bauaufsicht habe die Häuser nicht abnehmen wollen, „dann haben wir mit dem Landkreis und der Gemeinde gesprochen, was wir machen können.“ Man sei zu dem Schluss gekommen, „es geht nur über eine Änderung des B-Plans, den wir selbst bezahlen müssen“, sagt Galjard. Und wenn es nichts wird mit der B-Planänderung? Wird man dann klagen? „Nur ungern“, sagt Tochter Julia Becker. Und der Vater ergänzt: „Wir wollen eine friedliche Lösung.“ „Eine Strafe gibt es auf alle Fälle“, erklärt Julia Becker. „Von der Bauaufsicht wurde schon gesagt, da kommt was. Das wird Geld kosten. Wie viel, wissen wir nicht.“

Die Traufhöhe viel zu hoch, Grund- und Geschossfläche deutlich überschritten. Und das bei allen drei nebeneinanderstehenden Häusern. Das sei schon ein dicker Hund, da will auch Bad Emstals Bürgermeister Stefan Frankfurth überhaupt nichts schönreden. „Wenn es nur um die drei Schwarzbauten ginge, hätte ich auch gesagt: nein.“ Bei der Anpassung des B-Plans gehe es aber um mehr als um die drei Häuser.

Ein wesentlicher Grund für die Gemeinde sei, „dass wir aufgerufen sind, Innenverdichtung zu betreiben, dass auch Bebauung im Garten möglich ist“ und der Verbrauch von Flächen am Ortsrand für Neubauten minimiert wird.

Dem bestehenden B-Plan merke man noch an, dass er einst angelegt wurde für das Gebiet am Emser Berg, auf dem dann Ferienhäuser errichtet wurden, ergänzt Peter Bues vom Bauamt der Gemeinde. Knapp 20 dieser in den 60er- und 70er-Jahren gebauten Häuschen stehen dort oben und sind längst alle zu Dauerwohnhäusern geworden. Über die Änderung des B-Planes könnte man für diese Häuser Möglichkeiten zum Erweitern und Umgestalten erreichen. Außerdem gebe es dort oben noch fünf freie, bereits erschlossene Grundstücke, „die dann noch besser genutzt werden können“.

In dem Verfahren würde man dann auch die Schwarzbauten berücksichtigen. Für die Bauherren wäre die Änderung des B-Planes die einfachste Variante, die sie zwar nicht vor Strafe schützt, aber eine Nutzung der Gebäude ermöglichen würde, sagt Peter Bues. Man müsse jetzt sehen, wie es weitergeht. Denn: „Wir haben den Beschluss gefasst, dass wir uns nochmals mit dem B-Plan befassen und einen Stadtbauplaner an den Tisch holen, der uns in den Ausschüssen berät“, sagt Stefan Frankfurth.

Erst dann komme die Änderungsplanung, die öffentlich auszulegen wäre. „Letztlich würde der Plan dann vom Parlament verabschiedet – oder nicht.“ Nach Frankfurths Einschätzung könnte das nach der Sommerpause der Fall sein. nom

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