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Warum die Toten auf einer Kriegsgräberstätte in Breuna liegen

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Von: Paul Bröker

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Das deutsche Grabfeld der Kriegsgräberstätte in Breuna: Hier liegen laut Angaben des Volksbunds 490 deutsche Kriegstote. Sie waren kurz vor Ende des Kriegs in Nordhessen umgekommen.
Das deutsche Grabfeld der Kriegsgräberstätte in Breuna: Hier liegen laut Angaben des Volksbunds 490 deutsche Kriegstote. Sie waren kurz vor Ende des Kriegs in Nordhessen umgekommen. © Paul Bröker

Zwei große Kriegsgräberstätten liegen in Breuna. Warum, dazu gibt es verschiedene Theorien. Ein Historiker des Volksbundes hat nachgeforscht.

Breuna – Die Grauen des Zweiten Weltkriegs waren gerade vorbei, da errichteten die Befreier der US-Army nahe Breuna die Vorläufer der heute bekannten Kriegsgräberstätten. Nun gibt es Neues zu den damaligen Begebenheiten, wie Archivrecherchen eines Historikers des Volkbunds zeigen. Der ehemalige Breunaer Bürgermeisters Klaus-Dieter Henkelmann, selbst Mitglied im Landesvorstand Hessen des Volksbunds, hatte um Informationen gebeten.

Der Historiker Dr. Götz Hartmann betreut beim Landesverband Hessen im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge das Forschungsprojekt zur Geschichte der hessischen Kriegsgräberstätten. Der 52-Jährige hat in den Aktenbeständen der Frankfurter Landesgeschäftsstelle zwei Ordner mit Dokumenten der 1950er- bis 1970er-Jahre aufgetrieben. „Hinzu kommt ein weiterer Ordner, in dem Frau Hollingshaus seinerzeit Ergebnisse ihrer Recherche abgelegt hat“, schreibt der Historiker in seiner Antwort an Henkelmann, die der Redaktion vorliegt. Ute Hollinghaus hatte in früheren Jahren bereits zur Geschichte recherchiert. Die Ergebnisse prangen seit 2004 auf einer Informationstafel an der Kriegsgräberstätte.

Die Entscheidung, die Grabstätten gerade in Breuna anzulegen, soll ein jüdischer amerikanischer Offizier namens Joseph Eldodt getroffen haben.

Dr. Görtz Hartmann, Historiker Volksbund

„Die Ursprünge der Breunaer Gräberstätten scheinen in den ersten Tagen nach dem Einmarsch der US-Armee im April 1945 zu liegen“, resümiert Hartmann nach Sichtung der Unterlagen. „Die Entscheidung, die Grabstätten gerade in Breuna anzulegen, soll ein jüdischer amerikanischer Offizier namens Joseph Eldodt getroffen haben, der in dieser Zeit Kommandant eines Lagers für deutsche Kriegsgefangene in Welda bei Warburg gewesen sein soll.“

Dr. Götz Hartmann Historiker Volksbund
Dr. Götz Hartmann, Historiker Volksbund © Volksbund Hessen/nh

Joseph Eldodt habe aus Breuna gestammt und sei in den 1930er-Jahren in die USA emigriert. „Seine Existenz und Herkunft aus Breuna werden von einer unabhängigen Quelle bestätigt, nicht jedoch sein Rang in der US-Armee und seine Funktion als Lagerkommandant“, schreibt Hartmann. Auch wenn die Geschichte plausibel klinge, sei Skepsis angebracht, erklärt Hartmann auf HNA-Anfrage. So sei nicht geklärt, ob Eldodt im April 1945 überhaupt befugt war, den Ort für die Stätte auszuwählen.

Angesprochen auf die Familie Eldodt ist Ralf Hartmann, dem Breunaer Hauptamtsleiter, der Name „Eldoth“ ein Begriff. „Den Namen habe ich früher öfters gehört, meistens von den Großeltern. Ich glaube, die Familie hat in der Volkmarser Straße in einem alten Fachwerkhaus gewohnt, das mittlerweile abgerissen wurde und an dessen Stelle jetzt das Haus Stöhr steht.“

Bestattet wurden in der Breunaer Gräberstätte deutsche und amerikanische Gefallene aus den Kämpfen im März und April 1945 im Raum Nordhessen, Thüringen und Sachsen. Außerdem, zumeist als Unbekannte, ausländische Kriegstote verschiedener Herkunft.

Die amerikanischen Toten seien bereits im Sommer 1945 wieder ausgebettet und auf einen Sammelfriedhof der US-Armee überführt worden, der sich in den Niederlanden befunden haben soll.

Ein Sammelfriedhof der US-Armee

Nach Breuna seien die Toten mit Militärfahrzeugen gebracht worden, die den vorrückenden amerikanischen Kampftruppen folgten und sie mit Nachschub versorgten, berichtet Hartmann über die Nachforschungen. Um die Fahrzeuge nicht leer zurückfahren zu lassen, habe man mit ihnen die vor Ort gerade geborgenen Gefallenen, amerikanische wie deutsche, dorthin zurücktransportiert, wo die Fahrzeuge erneut mit Nachschub beladen werden sollten. So die Hypothese. Denn auch hierfür fänden sich keine Belege zu derartigen Befehlen. Plausibel seien die Vermutungen jedoch.

Ein Gedenkstein für Menschen aus Polen und der Sowjetunion: 145 Grabsteine zählt dieser Bereich der Kriegsgräberstätte an der Schulstraße in Breuna.
Ein Gedenkstein für Menschen aus Polen und der Sowjetunion: 145 Grabsteine zählt dieser Bereich der Kriegsgräberstätte an der Schulstraße in Breuna. © Paul Bröker

„In jedem Fall setzt diese Erklärung die Existenz eines größeren Nachschubzentrums der US-Armee in oder bei Breuna voraus“, schlussfolgert der Historiker. Damit gebe es eine Alternative zu der Überlieferung, der zufolge ein von den Nazis vertriebener jüdischer Breunaer nach seiner Rückkehr als Offizier der US-Armee die Ortswahl getroffen haben soll.

So würde sich der Friedhofsstandort Breuna aus den militärisch-logistischen Gegebenheiten und Sachzwängen der letzten Kriegswochen im Raum Mitteldeutschland herleiten. Doch zur weiteren Erhellung der Frühgeschichte der Breunaer Gräberstätten unter amerikanischer Regie müssten die einschlägigen Dokumente in den US-Archiven einsehen werden, schreibt Hartmann. „Diese Quellen liegen uns nämlich leider nicht vor.“

Bis dahin müssten die Breunaer weiter über die Geschichte ihrer Kriegsgräber spekulieren. Die ad hoc zugängliche Überlieferung der Geschichte der Breunaer Kriegsgräber setze erst mit dem Übergang der Verantwortung an den Volksbund im Jahr 1950 und der daraufhin erfolgten ersten Umgestaltung der Anlagen ein, so Hartmann. Diese lasse sich bereits auf der Tafel vor dem Friedhof und auf der Website des Volksbunds nachlesen. (Paul Bröker)

Führung zu Kriegsgräberstätten in Breuna

„Die Kriegsgräberstätten des Zweiten Weltkriegs in Breuna“, so lautet der Titel der Führung, die Dr. Bettina Dodenhoeft im Rahmen der Internationalen Woche gegen Rassismus am Samstag, 25. März, ab 15 Uhr anbietet. Dodenhoeft ist Historikerin bei der Regionalstelle Hessen Nord vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Um Anmeldung bis 22. März wird gebeten per E-Mail unter hessen.nord@volksbund.de oder Tel. 05 61/7 00 91 03. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Treffpunkt ist am Eingang zur Gräberstätte an der Schulstraße. Unterstützt wird die Führung vom Volksbund und der VHS Region Kassel.

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