Biotope in Gefahr: Land lässt Naturräume im Habichtswald erfassen

Der Habichtswald ist nicht nur ein beliebtes Ausflugsziel, sondern er beheimatet auch zahlreiche Biotope. Aufgrund des Klimawandels und intensiver Landwirtschaft sind diese deutschlandweit in Gefahr.
Kassel - Deshalb werden die schützenswerten Naturräume aktuell und noch bis zum Herbst von Gutachterinnen und Gutachtern im Auftrag des Landes Hessen untersucht. Ziel ist es, die Entwicklung der Biotope auf Karten zu erfassen und ihren Zustand zu dokumentieren. Was manchen erstaunen dürfte: Gerade der einst von Menschen gestaltete Welterbe Bergpark Wilhelmshöhe – der Teil des Habichtswaldes ist – ist heute ein Schatz für die Natur.
Die Bestandsaufnahme im Habichtswald hat einen ernsten Hintergrund. Naturschützer hatten in der Vergangenheit erfolgreich Druck gemacht. Weil Deutschland lange Zeit insbesondere nicht genug für den Erhalt artenreicher Wiesen getan hatte, wurde es von der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt (Hintergrund). Entsprechend groß sind die Bemühungen, die bestehenden Biotope zu erfassen und zu schützen.
Eine wichtige Grundlage dafür bietet in Hessen die jährliche Kartierung von Biotopen durch das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG), die dieses Jahr unter anderem im Habichtswald stattfindet. Dabei werden aber nicht nur artenreiche Wiesen untersucht, sondern etwa auch der Wald, Gewässer und Moore.
Für die Biotop-Inventur sind die Gutachter im Gelände unterwegs, werten aber auch Luftbilder aus. Zudem nutzen sie die Ergebnisse älterer Bestandsaufnahmen, um Veränderungen zu erkennen. „Ein besonderes Augenmerk gilt derzeit dem artenreichen Grünland und den Streuobstwiesen“, sagt Uta Engel vom HLNUG. Denn Wiesen und Weiden zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Deshalb hat das HLNUG für den Habichtswald acht unabhängige Expertinnen und Experten mit der Kartierung beauftragt. Wenn in einem Areal eine bestimmte Anzahl unterschiedlicher und schützenswerter Pflanzen vorgefunden wird, erfassen sie den Bereich als Biotop. Gerade der als englischer Landschaftsgarten gestaltete Bergpark erweise sich dabei als sehr artenreich, so Gutachterin Susanne Raehse. Der Park sei nicht nur kulturhistorisch bedeutsam, sondern auch wichtiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Mehr als 20 Biotope konnten dort identifiziert werden. Insbesondere so genannte „Magere Flachland-Mähwiesen“, die sich im Bergpark etwa unterhalb des Schlosses befinden, seien „Hotspots für die Insektenwelt“. „Auf diesen Flächen wachsen mehr Kräuter als Gräser, das ist sehr ungewöhnlich“, so Raehse.
Darum weiß auch Siegfried Hoß, Leiter der Gärten bei Hessen Kassel Heritage. Die Wiesen würden nur einmal im Jahr gemäht und nicht gedüngt. Die Heuernte werde erst gemacht, wenn das Gras reif ist. Somit soll gewährleistet werden, dass die Samen für das nächste Jahr im Erdreich landen. So grüßt etwa der Kleine Klappertopf alle Jahre wieder, woran sich auch Hoß erfreut.
Auf den Wiesen unterhalb des Schlosses befänden sich 60 bis 70 Pflanzenarten, so Raehse. Wie sensibel das Ökosystem sei, erkenne man daran, dass Störungen auch viele Jahre später noch erkennbar seien. So sei der Bereich im Schlosshang, wo zur documenta 12 im Jahr 2007 einst Reisterrassen angelegt wurden, bis heute wesentlich artenärmer.
Im Oktober soll die Kartierung der Biotope abgeschlossen sein. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen weiteren Naturschutzbemühungen dienen. (Bastian Ludwig)