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Familie aus Kreis Kassel fühlt sich nach Krebsdiagnose des Sohnes „komplett hängen gelassen“

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Von: Hanna Maiterth

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Nach der Krebsdiagnose bei Sohn Lorenz (links) schlagen er und seine Eltern Annette und Horst Klinicki sich mit den Ämtern herum. Die Papiere stapeln sich inzwischen.
Kreis Kassel: Nach einer Krebsdiagnose bei ihrem Sohn Lorenz (links) schlagen er und seine Eltern Annette und Horst Klinicki sich mit den Ämtern herum. © Hanna Maiterth

Vor etwa einem halben Jahr erhielt Lorenz Klinicki (21) aus Habichtswald eine Krebsdiagnose. Sozialamt und Jobcenter unterstützen ihn nicht.

Habichtswald – Es ist eine Verkettung von unglücklichen Umständen, mit denen die Familie Klinicki aus der Gemeinde Habichtswald kämpft. Vor gut einem halben Jahr wurde bei dem 21-jährigen Sohn Lorenz Krebs diagnostiziert. Nur wenige Wochen zuvor hatte er seine Ausbildung zum Fleischer beendet.

Die Ausbildung abzuschließen sei ihm trotz einer starken Lernschwäche, so erklären es seine Eltern, gelungen. Und weil sein ehemaliger Ausbildungsbetrieb dem jungen Mann keine Vollzeitstelle anbieten konnte, wie die Eltern Horst und Annette erzählen, fiel Lorenz Klinicki aus dem System.

Kreis Kassel: Jobcenter und Sozialamt können bei Krebs-Diagnose nicht helfen

Krankengeld bekommt er nicht. Das Jobcenter ist nicht zuständig, weil er aufgrund der Chemotherapie nicht „vermittelbar“ ist. Das Sozialamt kann nichts tun, weil die Rentenversicherung dem jungen Mann erst die „Berufsunfähigkeit“ attestieren muss.

Lange Zeit hängen die Klinickis in der Luft. „Ich habe Depressionen, mir fehlt oft die Kraft und ich vergesse Dinge“, sagt Annette Klinicki. Ihr Mann Horst ließ sich kurz nach der Krebsdiagnose seines Sohnes krankschreiben. Er begleitet den 21-jährigen Lorenz seitdem zu den Arztgesprächen und den kräftezehrenden Therapien. Längst bekommt der Vater nur noch Krankengeld.

Dass die Familie unter einem Dach lebt, ist Fluch und Segen zugleich. Die Eltern können ihm helfen, für ihn da sein. Gleichzeitig ist Lorenz Klinicki durch die Wohnsituation auch finanziell auf sie angewiesen. „Das fühlt sich nicht gut an“, sagt der 21-Jährige, für den im vergangenen Jahr mit der Diagnose ein Traum in weite Ferne rückte.

Vor Krebs-Diagnose: Lorenz wollte Schafzucht zum Beruf machen

Weil er keine Stelle als Fleischer bekam, wollte Lorenz sein Hobby, die Schafzucht, mit Unterstützung des Vaters zum Beruf machen. Alles war schon durchgeplant. Dann kam der Krebs und mit ihm die Irrfahrt zwischen den Behörden. Monate habe es gedauert. „Immer hieß es, wir müssen Geduld haben“, sagt Annette Klinicki. Die Papiere von den Ämtern ebenso wie Informationsbroschüren stapeln sich bereits bei der Familie.

Ganz besonders ärgere sich das Paar über die Aussage, Lorenz hätte mit seiner starken Lernschwäche lieber in eine Eingliederungswerkstatt gehen sollen, statt eine Lehre zu machen. Dann würde er jetzt besser und leichter gefördert. „Ausbildung ist Integration“, finden seine Eltern. „Wir fühlen uns komplett hängen gelassen“, sagt Horst Klinicki.

Die Krebs-Forschung macht Fortschritte: Forschende haben eine mögliche Ursache für die Entstehung von Metastasen entdeckt.

Kreis Kassel: Krebs hindert Lorenz daran, seiner Arbeit nachzugehen

Von den Behandlungen gegen den Krebs geschwächt, kann sich Lorenz nicht immer so um seine Schafe kümmern, wie ursprünglich geplant. Auch wenn Freunde und Familie ihm in den vergangenen Monaten immer zur Seite standen. Dazu kommt, dass er kein eigenes Geld mehr verdient. Das Kindergeld, so der 21-Jährige, reiche nicht aus, um alle seine Schafe dauerhaft zu versorgen. Irgendwann war es so weit. Der junge Mann fing an, seine Tiere zu verkaufen. Früher hatte er 80 Schafe, erzählt Lorenz Klinicki. Inzwischen sind es nicht mal mehr die Hälfte.

Schlussendlich meldete sich die Rentenversicherung bei den Klinickis. Ein Ablehnungsbescheid trudelte vor wenigen Tagen in das Haus, erklärt Horst Klinicki. Der 21-Jährige sei nicht arbeitsunfähig geschrieben worden. (Hannah Maiterth)

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