Alternativen finde man fast immer, doch auch dort sei Vorsicht geboten. Zum Beispiel bei Alternativen zu dem Antibiotikum Penicillin: Häufig werde auf das Breitband-Antibiotikum Amoxicillin zurückgegriffen. Das schlage allerdings auf den Magen und habe häufig stärkere Nebenwirkungen wie Übelkeit, Bauchschmerzen und Durchfälle, erklärt Popert.
Gerade die Apotheken haben wegen der aktuellen Situation alle Hände voll zu tun. Marco Diestelmann, Inhaber der Apotheke am Habichtswald in Ehlen, ist ebenfalls betroffen. „Bestimmte Wirkstoffe und bestimmte Größen sind einfach nicht verfügbar“, sagt er.
Zwar finde man Alternativen, zum Beispiel Veränderungen der Dosierung in Absprache mit dem Arzt, allerdings sei das mehr Aufwand für alle. „Im Moment sehe ich keine Entspannung“, sagt Diestelmann. Die Lage sei anders als die Lage in der Corona-Hochzeit. „Damals war mal ein Wirkstoff nicht verfügbar. Heute zieht sich der Mangel durch viele Wirkstoffe“, sagt er. „Das ist eine andere Dimension.“ Aktuell kriege der Apotheker rund 200 Medikamente nicht geliefert, die er brauche.
Auch in der Löwen-Apotheke in Vellmar sind die Auswirkungen des Medikamentenmangels zu spüren. „Um die 300 Medikamente fehlen uns“, sagt Apotheker Karim Ragab. Genau wie in Habichtswald käme er nur schlecht an Fiebersäfte und Antibiotika. „Das ist aktuell sehr schwierig, denn es ist Erkältungszeit.“ Teilweise finde man andere Lösungen, teilweise müsse er seine Kunden aber auch wieder wegschicken.
„Theoretisch könnte man einige Arzneimittel auch in der Apotheke herstellen. Das muss dann aber mit dem Arzt abgesprochen sein“, sagt Ragab. Bei der eigenen Herstellung gebe es für Apotheken auch strenge Vorschriften. Die meisten Kunden würden allerdings verständnisvoll mit der Situation umgehen, sagt Karim Ragab. „Manchmal geht es einfach nicht anders.“
Ähnlich geht es auch Alina Lang, Inhaberin der Brunnen-Apotheke in Hofgeismar. Auch dort fehlen zahlreiche Mittel. „Manchmal fehlen leider auch lebenswichtige Medikamente, die man nicht einfach so umstellen kann“, sagt sie.
Alina Lang betont, dass eine enge Zusammenarbeit mit Arztpraxen aktuell sehr wichtig sei. „So entwickelt man dann auch ein gewisses Vertrauensverhältnis zu den Kunden“, sagt die Apothekerin. „Das unterscheidet uns auch vom Online-Handel. Dort wird nicht nach anderen Lösungen gesucht – es heißt einfach nur, dass das Produkt nicht verfügbar ist.“
Dennoch sei die aktuelle Situation nicht haltbar. „Wir merken gerade, wie abhängig unser Land von anderen Ländern ist“, sagt sie. Manchmal werde ein Wirkstoff für die ganze Welt nur in einer Firma produziert. (Clara Pinto)
Einige Krankenhäuser in Deutschland warnen auch vor dem Mangel von Krebspräparaten. In der Lungenfachklinik in Immenhausen, in der unter anderem auch Krebspatienten behandelt werden, gebe es aktuell keine fehlenden Arzneimittel. Chemotherapiemittel und Immuntherapiemittel seien immer geliefert worden. „Es gab wenige Fälle in diesem Jahr, in denen uns mal etwas nicht geliefert werden konnte“, sagt Dr. Achim Rittmeyer, Oberarzt für pneumologische Onkologie in Immenhausen. In diesen Fällen habe die Klinik allerdings immer ausweichen können, denn manche Mittel habe man bevorratet.