300 Jahre alte Wolfhager Zehntscheune wird zum Bürogebäude

Bereits seit über einem Jahr arbeiten die Handwerker an der Wolfhager Zehntscheune. Einige Überraschungen hatte das Gebäude schon in petto. Im Frühling 2024 soll es fertig sein.
Wolfhagen – Mehr Licht, klarere Linien und immer wieder frisches, helles Holz. Ein Schacht für einen Aufzug, den es bislang nicht gab und der zwischen Erdgeschoss und dem zweiten Obergeschoss für Barrierefreiheit sorgen wird, ist entstanden. Eine neue Treppe aus Beton, die später einmal die oberen Stockwerke erschließen soll, steckt noch in der Schalung. In der Zehntscheune in Wolfhagen hat sich einiges getan. Seit einem guten Jahr sind Handwerker in dem 300 Jahre alten Gebäude aktiv. Sie verwandeln das Fachwerkhaus mit seinen einst gedrungenen, kleinen und schiefen Räumen in ein modernes Bürogebäude, in dem an die 30 Arbeitsplätze für Mitarbeiter der Kreisverwaltung entstehen werden.
Es dauerte nicht lange, bis zur ersten großen Überraschung. Die betraf die Statik und führte dazu, dass das Vorhaben nun langsamer vorankommt als erhofft. Und so werden die Beschäftigten nicht schon gegen Jahresende ihre Büros übernehmen, sondern voraussichtlich erst im April 2024, sagt Michael Joost, bei dem als Leiter der Abteilung Energie und Stadtentwicklung im Wolfhager Rathaus die Fäden für das Projekt zusammenlaufen.

Etliche Balken hätten ersetzt werden müssen, sagt auch Architekt Michael Bohl vom Planungsbüro Müntinga + Puy in Bad Arolsen. Oftmals sei der Querschnitt der alten Hölzer nicht ausreichend gewesen, um die berechnete Last aufzunehmen und abzuleiten. An den Decken hätten sie große Schäden vorgefunden. Einige Balken seien gebrochen gewesen, mehr als die Hälfte der Kanthölzer habe ausgetauscht oder zumindest verstärkt werden müssen, sagt Bohl. An den Randbereichen seien sie in der Tragstruktur auf Fäulnis gestoßen. Die Zehntscheune sei über die Jahrhunderte hinweg immer wieder baulich verändert worden. Hölzer wurden von früheren Bauherren abgebeilt, um sie irgendwie passend zu machen für das Bauwerk. Dabei verlieren sie an Masse, was zulasten ihrer Tragkraft geht. Einzelne Deckenbalken hingen bis zu 40 Zentimeter durch, sagt Bohl. Die einstigen Nutzer glichen die Höhenunterschiede aus mit viel Lehm und anderem schweren Material.
Joost ist froh, dass die Zehntscheune nun von Grund auf erneuert und damit die Chance ergriffen wird, sämtliche Mängel zu beheben – auch jene, die bei einer oberflächlichen Ertüchtigung gar nicht aufgefallen wären. Wäre das Gebäude ohne eine Sanierung oder Erneuerung der Bausubstanz als Büro genutzt worden, hätte es mit Blick auf das Ausmaß der entdeckten Schäden irgendwann problematisch werden können, sagt Joost.

Eine besondere Herausforderung wartet mit den unterschiedlichen Bodenhöhen im Erdgeschoss. An der Ritterstraße ist das Gebäude am tiefsten, beim Museum am höchsten. 50 Zentimeter gilt es auszugleichen, um die geforderte Barrierefreiheit herzustellen. „Das Ganze ist ein riesiger Aufwand“, sagt Joost. Jegliche Voraussetzungen für den Brandschutz und die Barrierefreiheit fehlten in einem 300 Jahre alten Gebäude und müssten nun nachträglich integriert werden.
Der unerwartbar hohe Aufwand hat auch Auswirkungen auf die Kosten. Hinzu kommt die allgemeine Preisexplosion für Material und Handwerkerleistungen. Und so kletterte die Bausumme von 3,2 Millionen Euro auf inzwischen 4,5 Millionen. Einen Teil der Kosten ist über einen Landeszuschuss gedeckt. Die Stadt Wolfhagen wird sich ihren Anteil an den Kosten über die Vermietung der Immobilie an den Landkreis zurückholen.

Zum Baustart wurde die Zehntscheune entkernt, Schäden wurden aufgenommen, die statischen Berechnungen im Bestand und für das geplante Bauwerk erstellt. Die Zimmerleute arbeiten seit fast einem Jahr an einer neuen Holzkonstruktion, Fenster wurden ausgetauscht. Derzeit erhält die Zehntscheune eine neue Fassade.
Demnächst werden die haustechnischen Gewerke an die Reihe kommen, die Rohinstallationen für Heizung, Sanitär und Elektro. Die Putzer werden auf die Außenwände eine mineralische Innendämmung aufbringen und einen Lehmputz. Dann rücken die Trockenbauer an, ziehen Decken ein, füllen die Räume zwischen den Holzbalken mit Wänden und formen die 19 Büros. „Als Letztes kommt der Landkreis und trägt die Möbel in die Räume“, sagt Joost. (Antje Thon)