Anni Haßler feiert 100. Geburtstag in Wolfhager Seniorenheim

Anni Haßler kann auf 100 Lebensjahre zurückblicken. 100 Jahre, die trotz Schicksalsschlägen nie dazu führten, dass sich Anni Haßler unterkriegen ließ.
Wolfhagen/Kassel – Ein strahlendes Lächeln breitet sich auf Anni Haßlers Gesicht aus als ihre Geburtstagsgäste „Viel Glück und viel Segen“ anstimmen. Sie sitzt am Kopf eines festlich gedeckten Tisches im Seniorenzentrum Wolfhagen. Auch Vertreter von Politik und Kirche sind gekommen, um ihr am Dienstag zum 100. Geburtstag zu gratulieren.
Die Musik hat im Leben der Kasselänerin eine ganz besondere Bedeutung. Ihre Tochter Barabara Hillert (72) sagt: „Meine Mutter hat noch musiziert, da war sie schon weit über 90 Jahre alt.“ Aus gesundheitlichen Gründen musste Anni Haßler das Musizieren aufgeben, früher habe sie aber Akkordeon, Orgel, Flöte und Mundharmonika gespielt.
Noch nachdem Anni Haßler 2005 in eine Wohnung des „Betreuten Wohnens“ in Wolfhagen einzog, habe sie sich zudem das Streichinstrument Psalter selber beigebracht. Das gelang ihr so gut, dass sie mit dem Psalter 2012 auf dem Viehmarkt in Wolfhagen auftreten konnte. Zudem spielte sie früher jedem Bewohner des „Betreuten Wohnens“ und des Seniorenzentrums in der Nachbarschaft zum Geburtstag ein Ständchen.
Schwiegersohn Wolfgang Hillert sagt: „Sie wollte anderen Menschen mit der Musik eine Freude machen.“ Und mit Hilfe ihrer Verwandten tat Barbara Hillert das in gewisser Weise auch an ihrem Geburtstag. Zu ihrem Jubiläum hat Anni Haßlers Familie rund 1000 Euro für das Seniorenzentrum gesammelt. Mit dem Geld hat die Einrichtung ein E-Piano gekauft, das nun allen Bewohnern zu Gute kommt.
„Ich kann, wenn ich will“
Dem Älterwerden begegnet Anni Haßler mit viel Selbstironie und Humor. Versteht sie etwas nicht, ruft sie zum Beispiel „Können Sie das Ganze noch mal auf Deutsch sagen?“ und lacht dabei herzlich. „So weit bin ich noch fit“, stellt Anni Haßler dankbar fest. Wichtig sei es, sich nicht hängen zu lassen. Entschlossen sagt sie: „Ich kann, wenn ich will.“
Barbara Hillert weiß, dass ihre Mutter viele Schicksalsschläge erlebt hat und sich dennoch nie unterkriegen ließ. „Die Jugend meiner Mutter war durch die Kriegsjahre geprägt.“ Als Deutschland den Zweiten Weltkrieg auslöste, war Anni Haßler 16 Jahre alt. Ihre Tochter erzählt, durch den Zweiten Weltkrieg habe die heute Hundertjährige zwei der engsten Familienangehörigen verloren. Anni Haßlers Vater sei im Oktober 1944 bei einem Bombenangriff auf Kassel gestorben, Anni Haßlers Bruder sei vermutlich in Stalingrad gestorben.

Anni Haßler heiratete während des Krieges
Auch die Liebesgeschichte der Kasselänerin ist durch den Krieg geprägt. Sie bietet innerhalb der Familie Haßler noch heute einiges an Erzählstoff. „Meine Mutter hat meinen Vater, Hermann Haßler, kennengelernt als er während des Militärdienstes im Büro der Flugabwehr in Kassel arbeitete“, sagt Barbara Hillert. Begegnet sei sich das spätere Paar, weil Anni Haßler in dem Schreibwarengeschäft gearbeitet habe, in dem Hermann Haßler den Bürobedarf einkaufte. Da Hermann Haßler vom Bodensee stammte, sollte dort auch die Hochzeit des Paares stattfinden. „Mein Vater hat zum Heiraten extra Urlaub von der Kriegsfront bekommen“, sagt Barbara Hillert. „Da aber eine Unterlage für die Trauung noch fehlte, wollte der Standesbeamte meine Eltern nicht trauen. Das hat natürlich für große Aufregung gesorgt.“

Zufällig sei der Beamte allerdings krank geworden und sein Vertreter habe ein Einsehen gehabt. „Der Vertreter hat alle Augen zugedrückt“, sagt Barbara Hillert. „Danach ist meine Mutter wieder zurück nach Kassel gefahren und mein Vater wurde zurück an die Kriegsfront geschickt.“ Auch nach dem Krieg hat das Leben für Anni Haßler noch viele Entbehrungen bereitgehalten. So starb Anni Haßlers Ehemann bereits im Alter von 59 Jahren. Der Liebe zu ihrem zweiten Partner wegen zog Anni Haßler 2002 nach Wolfhagen.
„Trotz allem ist meine Mutter immer froh geblieben“, sagt Barbara Hillert. Das Erlebte habe Anni Haßler in ihrem Leben vielmehr motiviert, sich viel sozial zu engagieren. „Meine Mutter war in der Kirche sehr aktiv und hat zum Beispiel 25 Jahre lang einen Altenclub geleitet.“ Barbara Haßler erinnert sich zudem daran, dass die Familie immer wieder Pflegekinder aufnahm, wenn deren Eltern sich kurzzeitig nicht kümmern konnten. „Etwa 25 verschiedene Pflegekinder haben über die Jahre hinweg mal bei uns gewohnt“, erinnert sich die 72-Jährige. (Maike Lorenz)