Luthers Reformen mit Knalleffekt

Niederelsungen. Es ist ein mächtiger Pyroknall, der die 1500 Premierengäste am Samstagabend auf der Waldbühne direkt ins Jahr 1505 und weiter ins Leben von Martin Luther katapultiert.
Zwischen dem strengen Regiment der katholischen Kirche, einem immer lauter werdenden Schrei nach sozialer Gerechtigkeit und der medialen Revolution durch die Erfindung des Buchdrucks ist man mittendrin, wenn Luther einen Sturm entfacht, dessen Auswirkungen er weder kontrollieren noch absehen kann. Immer und immer wieder wird er von den Folgen seines Handelns und seiner inneren Dämonen heimgesucht, bis er schließlich einen gewissen Frieden in seiner späten Ehe findet.
Katharina von Bora, Lucas Cranach, Philipp Melanchthon, Thomas Müntzer - sie alle finden sich wieder in der packenden Inszenierung der Spielgemeinschaft, die einen an nur einem Abend an alle wichtigen Stationen Luthers von Worms über Rom bis nach Wittenberg führt, vom Bauernaufstand zur Nonnenflucht und weiter vom Ablasshandel hin zum Verfassen der Augsburger Bekenntnisse.
Dem Regieteam um Arnd Röhl ist es wieder einmal geglückt, einer zweifelsohne komplexen Geschichte die notwendige und fein dosierte Leichtigkeit einzuhauchen, die es für einen unterhaltsamen Theaterabend bedarf. Der Ernsthaftigkeit der aufgearbeiteten Thematik dabei dennoch gerecht zu werden, macht die Niederelsunger Inszenierungen immer wieder – und insbesondere auch diesmal – zu ganz besonderen Geschenken der Theaterunterhaltung. All die vielen Mosaiksteine der Reformation in nicht einmal zweieinhalb Stunden bild- und sprachgewaltig zu einem großen Ganzen zusammenzuführen, ohne dabei Wesentliches außer Acht zu lassen, ist allein aller Bewunderung wert. Die unbändige Spielfreude, mit der nicht nur Philip Röhl als junger und Claus Biederbick als erwachsener Martin Luther dabei auf den Spuren des Urvaters des evangelischen Glaubens durch Politik, Religion und Liebe wandeln, ist nicht nur maximal fesselnd, sondern macht noch dazu jede Menge Spaß. Auch und vor allem durch den genialen Zug, musizierende Erzähler als Brücke zum Publikum einzusetzen, gelingen selbst große Zeitsprüngen wie von selbst. Auch im normalen Leben als Singer und Songwriter gemeinsam aktiv, haben Arnd Röhl und Dieter Wehner sechs Lieder eigens für das Stück geschrieben, die sich dank des harmonischen Zusammenspiels mit ihren „Freyspihl“-Kollegen Gunhild Kloppmann, Eva Götte und Carsten Jubelt im Nu wie ein reißfester Faden durch eine faszinierende und spannende Geschichte ziehen, die voller Bedeutung auch für die Welt von heute ist und vielleicht gerade deshalb mit einem mächtigen Knall direkt ins Herz trifft.