Monika Vöcking und Anja Fülling sind Rettungskräfte für die Psyche

Notfallseelsorger leisten Menschen in äußerst belastenden Situationen Beistand. Monika Vöcking und Anja Fülling berichten von ihrer Arbeit.
Wolfhager Land – Wenn die Handys von Monika Vöcking (52) und Anja Fülling (46) einen ganz bestimmten Klingelton von sich geben, wissen sie, es ist etwas Furchtbares passiert. Es ist das Signal dafür, dass eine Person in den Altkreisen Hofgeismar oder Wolfhagen dringende seelische Unterstützung braucht.
Vöcking und Fülling sind nicht nur Pfarrerinnen, sondern gemeinsam mit 40 anderen Kollegen als Notfallseelsorger in den Altkreisen Hofgeismar und Wolfhagen tätig. Ihre Aufgabe ist es, Menschen Beistand zu leisten, die großer psychischer Belastung ausgesetzt sind. „Ein Großteil unserer Einsätze sind häusliche Tode. Da haben die Angehörigen meist keine Möglichkeit gehabt, sich auf den Tod vorzubereiten“, sagt Anja Fülling. „Der Notarzt muss einen Einsatzort auch wieder verlassen. Wir sind da, damit niemand alleine gelassen wird.“
Wenn Rettungskräfte bei einem Einsatz bemerken, dass ein oder mehrere Notfallseelsorger benötigt werden, melden sie dies an die Leitstelle der Feuerwehr. Diese löst den Handyalarm der Notfallseelsorger aus. Häufig mit nicht viel mehr Wissen als einer Adresse macht sich ein diensthabender Notfallseelsorger dann auf den Weg zum Einsatzort.
Notfallseelsorger leisten Beistand
„Wir versuchen, als emotional nicht involvierte Person für die Betroffenen da zu sein“, sagt Monika Vöcking. Anja Fülling ergänzt: „Wir helfen, die Situation zu bewältigen. Kleine Dinge zu tun, hilft Betroffenen manchmal schon, um nicht vollständig von einer Situation überrollt zu sein.“ Gemeinsam mit Hinterbliebenen klären die Notfallseelsorger, wer informiert werden muss und ob sie sich den Beistand von einer ihnen nahe stehenden Person wünschen.
„Wir versuchen, in der Momentaufnahme Stabilität und Halt zu geben“, sagt Anja Fülling. Auch religiöse Rituale wie eine Aussegnung seien für manche Menschen eine Hilfe. Beiden Notfallseelsorgerinnen ist aber sehr wichtig zu betonen: Die Religion spielt bei ihrer Arbeit nur dann eine Rolle, wenn Betroffene sich dies auch wünschen.
Kleine Dinge zu tun, hilft Betroffenen manchmal schon, um nicht vollständig von einer Situation überrollt zu sein.
In den Altkreisen gibt es etwa 30 Einsätze im Jahr
Anja Fülling ist seit etwa sechs Jahren Pfarrerin in Altenhasungen. Wie die 46-Jährige berichtet, habe sie in der Zeit etwa drei Einsätze als Notfallseelsorgerin gehabt. „Die Einsatzdichte ist in unserer Region nicht sonderlich groß. Insgesamt gibt es in den beiden Altkreisen etwa 30 Einsätze im Jahr.“
In vorherigen Pfarrstellen hat Fülling mehr Erfahrungen als Notfallseelsorgerin gemacht. Sie weiß: Menschen reagieren auf emotional sehr stark belastende Situationen sehr unterschiedlich. „Manche Menschen werden sehr aktiv und haben das Bedürfnis, sich zu bewegen, andere dagegen setzen sich hin und sagen nicht mehr viel.“ Jede Art zu trauern sei richtig.
Für Einsätze, in denen Kinder beteiligt sind, hat Anja Fülling immer auch Buntstifte und Papier dabei. Das helfe, mit den Kindern in Kontakt zu kommen. „Wenn Kinder und Jugendliche beteiligt sind, sind die Einsätze besonders schwierig.“
Die Arbeit als Notfallseelsorger hat bei Monika Vöcking und Anja Fülling die Sicht auf Leben und Tod beeinflusst. „Leben können sich von einer auf die andere Minute verändern. Die Einsätze machen einem deutlich, wie verletzlich das Leben ist“, sagt Monika Vöcking. (Maike Lorenz)