Seltener Molch bei Ippinghausen braucht den Bagger

Amphibienschützer Detlef Schmidt entdeckte in einem Gewässer bei Ippinghausen seltene Kammmolche. Zu ihrem Schutz rollte nun der Bagger.
Ippinghausen – Das Ergebnis hat Detlef Schmidt überrascht. Schmidt zählt zum Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz in Hessen (AGAR) und hat im vergangenen Jahr im Auftrag von Hessen Forst den Artenbestand von Teichen im Langen Rod und im Schmalen Grund bei Ippinghausen überprüft. Und siehe da, in einem der Gewässer entdeckte er eine recht stattliche Population an Kammmolchen. Die Art gilt als so besonders und selten, dass sie nach den Richtlinien der Flächen-Fauna-Habitate (FFH) streng zu schützen ist.
Dieser Schutz geht sogar so weit, dass für die Erhaltung der Art geeignete Schutzbemühungen unternommen und lebensraumverbessernde Arbeiten erbracht werden müssen. Deshalb rückte im Januar in dem idyllischen Tal, durch das ein Zufluss zur Elbe plätschert, ein Bagger an. Denn der Himmelsteich – ein Gewässer, das sich überwiegend aus Niederschlägen speist – drohte zu verlanden. Am Boden hatte sich bereits eine dicke Schicht Faulschlamm gebildet, alles andere als gute Bedingungen für den Fortbestand der schützenswerten Art.

„Wir haben bei unseren Untersuchungen nur erwachsene Tiere gefunden und keine Larven“, sagt Schmidt. Das könne bedeuten, dass der Teich den Kammmolchen, die 40 Jahre und älter werden können, als Kinderstube nicht mehr attraktiv genug war. Früher oder später wären die Kammmolche aus dem Schmalen Grund also verschwunden.
Baggerfahrer Volker Löber aus Martinhagen, mit dem Hessen Forst und die AGAR bereits mehrere Artenschutzprojekte umgesetzt haben, machte sich also ans Werk und schaufelte den stinkenden Schlamm aus dem stehenden Wasserloch. Entfernt wurden zudem Ufergehölze, deren Schattenwurf für die Ausbreitung der Schwanzlurche eher hinderlich ist.
Bagger ist für Molche keine Gefahr
Für die Kammmolche, die ihren Namen einem gezackten Rückenkamm zu verdanken haben und der zudem an einen Drachen erinnert, ist der Eingriff unproblematisch, da sie nur zwischen März und Juli Zeit im Wasser verbringen. Das restliche Jahr verbringen sie in einem Umkreis von 800 Metern bis zwei Kilometern um ihr Laichgewässer im Wald.
Detlef Schmidt rechnet fest damit, dass die Kammmolche bereits in diesem Frühjahr von dem nun tieferen und sauerstoffreicheren Tümpel profitieren werden. Neben diesem seit Jahrzehnten bestehenden Gewässer wurden weitere sechs neu angelegt. Auch sie dürften in Kürze bevölkert werden vom Kammmolch, aber auch von Arten wie Berg-, Teich- und Fadenmolch, Erdkröte und Grasfrosch, die bei dem Monitoring im vergangenen Jahr ebenso nachgewiesen wurden wie der Feuersalamander.

Geeignet sei der Standort für den Eingriff aus mehrerlei Hinsicht, sagt Rainer Weishaar, der bei Hessen Forst zuständig ist für den Naturschutz. Zum einen existiere dort bereits eine hohe Artenvielfalt. Hinzukomme, dass der alte Himmelsteich, in dem das Niederschlagswasser wie in einem Trichter zusammenläuft, selbst in den vergangenen sehr dürren Sommern, nie trockengefallen sei. Die Gefahr sei also gering, dass sich die neuen Laichgewässer als Amphibienfallen entpuppten, aus denen im Sommer das Wasser verdunstet und Tiere verenden. Ein weiterer Punkt: Es gibt in dem Wald keinen Straßenverkehr, dem die Molche und Kröten auf ihren Wanderungen zum Opfer fallen können. Folglich, so Weishaar, entfielen auch Kosten für Schutzzäune und Leitsysteme.
Bevor die Flüsse künstlich begradigt wurden, hätten sich die Lebensräume für Amphibien nach jeder Flut erneuert, sagt Detlef Schmidt. Gerade frische Gewässer würden von den wechselwarmen Tieren bevorzugt angesteuert. Sie seien reich an Sauerstoff, in ihnen gebe es in den ersten Jahren keine Fressfeinde, zu denen etwa der Gelbrandkäfer und Libellen zählen. Gefahr drohe lediglich durch Vögel. „Die Amphibien sind also auf Bagger angewiesen“, sagt Schmidt.
An weiteren Orten nachgewiesen
Es waren die Kammmolche, die die A 44 östlich von Hess. Lichtenau in einen Tunnel zwangen. Im Landkreis Kassel gibt es neben dem Schmalen Grund bei Ippinghausen noch weitere Standorte. Die befinden sich unter anderem im Umfeld der Pommernanlage in Gasterfeld, unweit der Igelsburg im Habichtswald sowie im ehemaligen Standortübungsplatz Seilerberg bei Ehlen.