HNA-Lesertreff: Schlagabtausch der Wolfhager Bürgermeisterkandidaten
Wer wird neuer Bürgermeister in Wolfhagen? Beim HNA-Lesertreff stellten sich die Bewerber Jens Vial (SPD), Jens Kühle (BWB) und Dirk Scharrer (unabhängig) den gut 500 Besuchern vor.
Wolfhagen – Professionell war das Aufeinandertreffen der Kontrahenten in der Wolfhager Stadthalle am Dienstagabend beim HNA-Lesertreff. Die Kandidaten präsentierten sich gut vorbereitet und bestens informiert. Der amtierende Bürgermeister Reinhard Schaake tritt nicht mehr an und so ist der Weg zum Chefsessel im Rathaus zumindest für einen der Bewerber frei.
Gespannt waren Redaktionsleiterin Michaela Pflug und Redakteur Norbert Müller, wie Kühle, Scharrer und Vial die Fragen parieren würden, die sie ihnen zu verschiedenen Themen stellten. Hier ein Auszug aus der teils sehr lebhaften Diskussion.
Betreuung in Kitas
Spürbare Entspannung erwarten die Kandidaten mit der Fertigstellung der Burg als fünfgruppige Kita. Die vielen Flüchtlinge und deren Kinder stellten die Stadt vor eine Herausforderung, sagte Jens Vial. Dirk Scharrer hält „erhebliche Nachbesserungen“ bei der Ganztagsbetreuung für zwingend. Wie seine Vorredner sieht auch Jens Kühle Potenzial bei der Personalgewinnung. Neben der Bezahlung müsse auch das Umfeld für die Erzieherinnen attraktiv sein. Alle Bewerber begrüßten die Entscheidung, den Sanierungsstau in den Kitas nun aufzulösen.
Energiewende
Alle Bewerber messen der Energiewende große Bedeutung bei. Dirk Scharrer möchte sich einsetzen für eine autarke Energieregion Wolfhagen. Die Netze müssten ausgebaut werden. Investitionen in die kommunale Nachhaltigkeit hätten positive ökologische, wirtschaftliche und soziale Effekte.
Jens Vial bezeichnete Wolfhagen bei der Nutzung erneuerbarer Energien nach wie vor als Vorzeigekommune, auch wenn der Anteil der Erneuerbaren seit zwei Jahren wieder unter das Ziel von 100 Prozent gefallen ist. Er wolle zusammen mit den Stadtwerken und der Bürgerenergiegenossenschaft den Ausbau von Wind- und Solarenergie vorantreiben. Ähnlich bewertet Jens Kühle die Lage, die von den Stadtwerken unterbreiteten Vorschläge müssten nun umgesetzt und die Bürger müssten mitgenommen werden.

Finanzen
Bei der Höhe des Schuldenstandes gingen die Meinungen auseinander. Während Dirk Scharrer von 34 Millionen Euro sprach, sollen es laut Jens Kühle gar 40 Millionen Euro sein. Die HNA hatte auf Nachfrage im Rathaus die Summe von gut 21 Millionen Euro genannt bekommen. Beim Blick auf die Fülle an Aufgaben, zu denen auch die Kitasanierung und der Radwegeausbau zähle, werde die Stadt wohl noch „eine Weile mit den Schulden leben müssen“, sagte Scharrer. Das Auslagern von Arbeitsbereichen und die Gründung von Eigenbetrieben könnten Entlastung bringen.
Laut Vial liege Wolfhagens Pro-Kopf-Verschuldung bei 3000 Euro bei einem hessenweiten Schnitt von 5300 Euro. Man müsse alle Ausgaben und Dienstleistungen prüfen, müsse gleichzeitig aber auch Mut für Investitionen haben. Für Kühle sind es „definitiv zu viele Schulden“. Die Zinsen, die für die Schulden fällig werden, belasteten Jahr für Jahr den Haushalt. Beim Personal müsse sich die Stadt schlanker aufstellen.

Innenstadt
Mit einem Zuschussprogramm für Mieter von Läden möchte Jens Kühle wieder Leben in die Innenstadt bringen. Mit etwa 30.000 Euro pro Jahr könne die Innenstadt attraktiver werden. Das Geld sei sinnvoller angelegt, als die 70.000 Euro für einen Mehrgenerationenplatz. Dirk Scharrer möchte Anreize schaffen, Begegnungsstätten und Repaircafés Raum geben. Das, was da ist, sollte man erhalten, sagt er. Jens Vial ist der Meinung, dass Kultur, Gastronomie und eine Markthalle für Leben sorgen würden. Flächen für temporäre Händler seien eine Option. Dort, wo Ladengeschäfte leer blieben, könne auch Wohnraum entstehen, sind sich alle drei Bewerber einig.
Wirtschaft
Für Jens Kühle gibt es im Hiddeser Feld zu viel Logistik und zu wenig Jobs. Ihm komme es auf die Ansiedelung mittelständischen Gewerbes an. Auch sei er dafür, Lasten, die mit einem Gewerbegebiet verbunden seien, zu verteilen. Er und seine Mitbewerber unterstützen die Pläne, in Istha Gewerbeflächen auszuweisen.
Dirk Scharrer hält große Logistikzentren ebenfalls nicht für den richtigen Weg. Für Gewerbeflächen brauche es einen Kriterienkatalog. Mit den Flächen müsse vorsichtig umgegangen werden. Für Jens Vial ist entscheidend, dass im Hiddeser Feld 1000 Jobs entstanden seien. „Die Beschäftigten verdienen 40 Millionen Euro“, so Vial. Die dort abgeschöpfte Gewerbe- und Grundsteuer liege in einem siebenstelligen Bereich. Allerdings sei er gegen eine Erweiterung des Hiddeser Feldes um 45 Hektar.

Sporthalle
Bei der Sanierung der weißen Sporthalle an der Walter-Lübcke-Schule bevorzugt Dirk Scharrer weder die kleine, noch die große Lösung, sondern die richtige. Er stellte die Kosten infrage, die für eine Küche und einen Multifunktionsraum aufgerufen wurden. Jens Kühle kritisierte einmal mehr Verwaltungsversagen, als im Vorfeld im Rathaus ein Schreiben um Thema abhandengekommen war. Und er monierte den zeitlichen Druck, der seitens des Landkreises Kassel als Schulträger aufgebaut werde. Jens Vial sieht sich in der Pflicht, etwas zu tun. Vor allem auch für den Vereinssport. Bei der finanziellen Beteiligung sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Auch er übte am straffen Zeitplan des Landkreises Kritik.
Tourismus
Für einen Beitritt zur Touristischen Arbeitsgemeinschaft (TAG), der bislang versäumt wurde, sprachen sich alle aus, Jens Kühle mit der Einschränkung, dass die Konditionen noch einmal verhandelt werden müssten. (Antje Thon)
Hinweis in eigener Sache: Aufgrund eines technisches Problems konnte der Mitschnitt des Lesertreffs erst verspätet eingebunden werden.