Unter dem Dach der Stadtkirche Zierenberg ruhen Gebeine

In der Serie „Unsere Gotteshäuser“ stellen wir einige Kirchen im Landkreis vor. Heute besuchen wir die Stadtkirche in Zierenberg.
Zierenberg – Im Dachstuhl über den Sitzbänken der Kirche in Zierenberg befindet sich eine auf den ersten Blick unscheinbare Kiste aus Holz. Wenig unscheinbar ist ihr Inhalt: Übereinandergestapelt liegen hier zahlreiche menschliche Knochen. „Diese Knochen hat man bei einer Sanierung der Kirche in den späten 80er-Jahren gefunden“, berichtet der ehemalige Kirchenvorsteher Wilfried Segatz.
Der 76-Jährige steht im Dachstuhl der Kirche. Riesige jahrhundertealte Holzbalken fügen sich hier zu einem gewaltigen Gerüst zusammen. Segatz deutet auf die Ränder des Dachstuhls, unter denen sich die Seitenschiffe der Kirche befinden. „Früher lag hier oben ganz viel Geröll und altes Baumaterial. Die Knochen fand man, als die Arbeiter den Schutt in den 80ern weggeräumt haben.“ Segatz ergänzt: „Dann ist erst einmal die Polizei gerufen worden. Man wusste ja nicht, von wem die Knochen sind.“
Knochen waren ursprünglich vor der Kirche begraben
Schließlich habe sich herausgestellt, dass es sich bei den unter dem Dach begrabenen Menschen um Verstorbene handelt, die ursprünglich vor der Kirche beerdigt worden waren. Als die Kirche 1436 verbreitert worden ist, hätten die ursprünglichen Gräber verlegt werden müssen, sagt Segatz.
Kirchenvorsteherin Katja Wiegand sagt: „Das katholische Denken ließ damals nicht zu, dass die Gräber um einige Meter verlegt werden. Man befürchtete, dass Gott die Gebeine dann nicht mehr wiederfindet.“ Aus diesem Grund hätten sich die Gläubigen entschlossen, die Knochen wieder genau dort zu beizusetzen, wo sie auch vorher gelegen hatten – nur etwa 20 Meter höher als zuvor. „Man dachte sich: Gott schaut von oben auf die Erde hinab, dann ist es unwichtig, in welcher Höhe die Knochen liegen“, erklärt Katja Wiegand.

Wandbilder der Kirche schlummerten jahrhundertelang unter Tünche
Die Gebeine im Kirchstuhl sind allerdings nicht das Einzige, das in der Geschichte der Kirche lange Zeit in Vergessenheit geraten ist. Fachleute gehen davon aus, dass Künstler etwa um 1350 die ersten Wandbilder des Chorraumes erstellt haben. Wie Kunsthistorikerin und Kirchenvorsteherin Vera Leuschner erklärt, zeigen die Wandbilder unter anderem die zwölf Apostel. Dank aufwendiger Restaurierungsarbeiten können sich Besucher die Malereien auch heute noch ansehen. Vollständig erhalten sind die Kunstwerke allerdings nicht und da auch die Restauratoren bereits vollständig fehlende Teile der Malereien nicht wieder ergänzen sollten, fehlen manchen der Apostel nun zum Beispiel die Gesichter.

Lange Zeit war von den Malereien an den Kirchenwänden allerdings noch deutlich weniger zu sehen als heute. Hintergrund ist, dass Landgraf Moritz der Gelehrte im Jahr 1605 das calvinistische Bekenntnis einführte und anordnete alle Bildwerke aus den Kirchen zu entfernen. „Der Landgraf ließ alle Bilder in der Kirche weiß übertünchen. Es sollte allein das Wort gelten“, erklärt Wilfried Segatz. Der 76-Jährige sagt, über die Jahrhunderte hinweg seien die Wandmalereien unter der Tünche langsam in Vergessenheit geraten. Erst im Jahr 1934 seien sie zeitgleich wie in vielen anderen Kirchen im Landkreis wieder freigelegt worden.

„Dass die Malereien all die Jahre unter der Farbe geschlummert haben, hat ihnen nicht nur geschadet. Sie hat sie auch konserviert“, erläutert Katja Wiegand. Schädlicher als die Übertünchung war für die Malereien vielmehr die Freilegung der Malereien. „Die war nicht sehr professionell“, sagt Wilfried Segatz. Denn: „An die Freilegung der Malereien hat man damals die Konfirmanden mit Spachteln drangesetzt. Einige Teile der Malereien sind dadurch weggekratzt worden.“
An die Freilegung der Malereien hat man damals die Konfirmanden mit Spachteln drangesetzt.

Nachdem es zu Beginn der Coronapandemie lange Zeit keine Führungen gegeben hat, sollen diese nun regelmäßig stattfinden, sagt Katja Wiegand. Besucher sollen zudem durch eine Online-Kirchenführung und Turmbesteigungen mit Kaffee und Kuchen im Gemeindehaus angelockt werden, berichtet die Kirchenvorsteherin. (Maike Lorenz)