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Schicht im Schacht: Salzbergwerk Gorleben soll Wiese werden

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Von: Raphael Digiacomo

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Das Bergwerk Gorleben steht als mögliches Endlager Jahrzehnte lang im Zentrum atompolitischer Konflikte. Jetzt soll der Salzstock zugeschüttet werden.

Gorleben – Jahrzehnte lange Diskussionen finden ein Ende: Der Rückbau des lange heftig umkämpften Bergwerks Gorleben in Niedersachsen ist beschlossene Sache. Das Bundesumweltministerium erteilte der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) nun endgültig den Auftrag zur Schließung der unterirdischen Schachtanlage im Kreis Lüchow-Dannenberg, wie das Ministerium am Dienstag (14.06.2022) mitteilte.

Die Entscheidung setzt einen Schlusspunkt unter jahrzehntelange Diskussionen und gesellschaftliche Auseinandersetzungen um den Standort Gorleben als Endlager für hochradioaktiven Atommülls. Der Salzstock Gorleben-Rambow war im September 2020 bei der neue gestarteten Endlagersuche endgültig herausgefallen. Als Grund wurden geologische Mängel genannt.

Schicht im Schacht: Rückbau von heftig umkämpften Salzstock Gorleben kann beginnen

In den 1970er Jahren hatte die Politik die Entscheidung getroffen, im Salzstock Gorleben im Wendland ein Endlager einzurichten, was jahrzehntelange Proteste zur Folge hatte. Nach langem Ärger war die Endlager-Suche komplett neu gestartet worden. Eine Bürgerinitiative wertete den erteilten Auftrag zur Schließung und Verfüllung als einen gewichtigen Meilenstein in der Gorleben-Geschichte.

Salzstock Gorleben
Eine Maschine steht im ehemaligen Erkundungsbergwerk Gorleben in Niedersachsen. Der Rückbau des lange heftig umkämpften Salzstockes kann beginnen. (Archivbild) © Philipp Schulze/dpa

Über mehrere Jahrzehnte wurde der Salzstock, der offiziell nur erkundet werden sollte, faktisch zu einem Endlager ausgebaut. Politik und Atomwirtschaft schufen weitere Fakten, indem sie insgesamt 113 Castor-Behälter mit hochradioaktivem Müll in ein oberirdisches Zwischenlager in Gorleben bringen ließen.

Sowohl der Bau des Erkundungsbergwerks als auch die Castor-Transporte führten zu heftigen Protesten von Menschen aus der Region und ganz Deutschland. Nachdem der damalige CDU-Umweltminister Peter Altmaier (CDU) 2012 entschieden hatte, die Endlager-Suche nach wissenschaftlichen Kriterien neu zu beginnen, wurden die Arbeiten in Gorleben eingestellt.

Salzbergwerk Gorleben soll wieder Wiese werden

Das Bergwerk wurde in den sogenannten „Offenhaltungsbetrieb“ überführt – die Anlage wurde also schlafen gelegt, nicht aber beerdigt. Die Schächte wurden verschlossen, aber nicht zugeschüttet. Atomkraftgegner hatten dies verlangt, konnten sich zunächst aber nicht durchsetzen.

Jetzt aber freut sich die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg über einen „gewichtigen Meilenstein der Gorleben-Geschichte“. „Auf den offiziellen Beschluss haben wir lange gewartet“, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke gestern.

Salzstock Gorleben
Das ehemalige Erkundungsbergwerk Gorleben. © Philipp Schulze/dpa/Archivbild

Immerhin habe die Offenhaltung des Bergwerks jährlich zwischen 14 und 16 Millionen Euro gekostet. „Und solange der Bergwerksbetrieb andauerte, war die Befürchtung im Raum, dass der alte Standort bei einem schwierigen Verlauf der Endlagersuche doch wieder aus dem Hut hätte gezaubert werden können.“

Streit um Atommüll: Bergwerk Gorleben wird kein Endlager

Die Ankündigung des Ministeriums beendet auch Gedankenspiele örtlicher CDU-Politiker. Sie hatten angeregt, das Bergwerk mit seinen Schächten und Stollen sowie auch die überirdischen Gebäude sollten eine sinnvolle Nachnutzung erfahren. Nichts was mit Atom zu tun habe, das müsse ausgeschlossen werden, aber es gebe denkbare und überlegenswerte Alternativen. Chancen, die man „nicht einfach so wegschmeißen sollte“.

Das Areal eigne sich etwa als Standort für Windräder, im Bergwerk könnte Energie aus Erdwärme gewonnen werden, es lasse sich dort auch Wasserstoff produzieren und lagern. Auch eine Nutzung als „Heilstollen“ wie im österreichischen Gastein sei denkbar, meinten einige Christdemokraten. 14.000 Gäste kämen dort Jahr für Jahr hin, um sich in den dortigen ehemaligen Bergwerksstollen zu kurieren.

Die Bürgerinitiative wünscht sich für den anstehenden Rückbau Transparenz. Die BGE, so Sprecher Ehmke, solle vor Ort über die geplanten Rückbauschritte informieren. Auf jeden Fall müsse ein Rest der früheren Mauer um das Bergwerk im Wald stehen bleiben: „Als Mahnmal für die verkorkste Atommüllpolitik.“

Standort für ein Endlager für radioaktiven Abfälle soll bis 2031 gefunden werden

Das Bundesumweltministerium räumt unterdessen ein, dass die Hinterlassenschaften der Atompolitik das Land noch „über Jahre und Jahrzehnte beschäftigen“ werden. Es bleibe eine anhaltende Herausforderung für Politik und Gesellschaft, den Atomausstieg mit einer sicheren Endlagerung des Atommülls zu vollenden.

Der Standort für ein Endlager für die hochradioaktiven Abfälle soll bis 2031 gefunden sein. Frühestens ab 2050 könnte es befüllt werden. Und erst dann wird in Gorleben auch das letzte Kapitel in der Auseinandersetzung um den Atommüll geschlossen werden.

Für Castorbehälter wie diese sucht Deutschland ein Atommüll-Endlager unter der Erde. Zwei der geeigneten Wirtsgesteine - Ton und kristallines Gestein - finden sich auch auf der Ostalb. ÌSymbolfoto pixabay
Für Castorbehälter wie diese sucht Deutschland ein Atommüll-Endlager unter der Erde. (Symbolfoto) © Adobe Stock

Denn während am Ort des Erkundungsbergwerks in gut 10 Jahren wieder „grüne Wiese“ wachsen soll, wie die BGE ankündigte, bleibt das nahe gelegene oberirdische Atommüll-Zwischenlager Gorleben mit seinen 113 Castor-Behälter bestehen, bis das Endlager betriebsbereit ist. (Reimar Paul, Raphael Digiacomo)

Lange Zeit war Gorleben die „Messlatte“ bei der Endlagersuche. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil kritisierte Bayern und Sachsen bei der Atommüll-Endlagersuche.

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