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Bundestag debattiert über Schutz von Minderheitensprachen

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Von: Peter Mlodoch

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Schutz für Minderheitensprachen: Das war am Donnerstag Thema im Bundestag. Gesprochen wurde dort etwa in Plattdeutsch und Friesisch.
Schutz für Minderheitensprachen: Das war am Donnerstag Thema im Bundestag. Gesprochen wurde dort etwa in Plattdeutsch und Friesisch. © Christian Hager/dpa

Sie sind vom Aussterben bedroht: Minderheitensprachen wie Plattdeutsch und Friesisch. Deswegen diskutierte der Bundestag über deren Schutz - in verschiedenen Sprachen.

Hannover – Achtung: „Hier warrt Plattdüütsch snackt.“ Oder auch: „Hier wädt Seeltersk boald.“ Gestern waren im Deutschen Bundestag ungewohnte Töne zu hören. Das Parlament befasste sich mit dem Schutz und der Förderung der europäischen Regional- und Minderheitensprachen. „Die Rednerinnen und Redner sollen dann auch in der jeweiligen Sprache die Debatte bestreiten“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Filiz Polat aus Bramsche vor der Debatte an. „Das ist eine Herausforderung, auch für den stenografischen Dienst. Das muss gut vorbereitet sein.“

Die Niedersächsin selbst durfte allerdings nicht ans Pult. „Ich kann leider keine dieser Sprachen“, bedauert Polat. Aber sie werde den Kollegen ein Glossar mit plattdeutschen Zwischenrufen zukommen lassen, verspricht die Abgeordnete. „Davon leben solche Debatten.“ Der Parlamentsklassiker „Hört, hört“ ist darin als „Kiek mol an“ ebenso zu finden wie „Dummes Zeug“ als „dumm tüch“.

Europaweit sind Minderheitensprachen vom Aussterben bedroht

Der Hintergrund freilich ist sehr ernst. Europaweit sind Minderheitensprachen vom Aussterben bedroht. Ganz oben auf der roten Liste steht dabei das Seeltersk, das Saterfriesisch, das nur im Saterland im Landkreis Cloppenburg gesprochen wird. „In’t Geheel ferblieuwe in Düütsklound dälich ruuchwäch twoduzend Ljudene, do disse Tal bale konnen.“ Auf Hochdeutsch: In Deutschland gibt es insgesamt nur noch rund 2000 Leute, die diese Sprache können. „Saterfriesisch ist die kleinste Minderheitensprache Europas und damit auch die gefährdetste“, warnt Polat.

In Deutschland sind vier nationale Minderheiten anerkannt: die Friesen, die Dänen in Schleswig-Holstein, die deutschen Sinti und Roma sowie die Sorben. Die friesische Volksgruppe unterteilt sich in die Saterfriesen und die Nordfriesen, die vor allem an der schleswig-holsteinischen Nordsee-Küste wohnen. Das sorbische Volk wiederum unterscheidet man in Niedersorben in Brandenburg und Obersorben in Sachsen. Die Sinti und Roma verteilen sich über ganz Deutschland, deren Sprache nennt sich Romanes. „Auch in Niedersachsen gibt es große Communities, die daran arbeiten, dass ihre Sprache nicht verloren geht“, berichtet Parlamentarierin Polat.

Deutschland hat sich verpflichtet, auch die Sprachen dieser vier Minderheiten zu schützen. Niederdeutsch oder Platt zählt nicht zu den Minderheitensprachen, fällt als norddeutsche Regionalsprache mit seinen vielen Dialekten von der holländischen bis zur polnischen Grenze aber ebenfalls unter den Schutz der europäischen Sprachcharta. Auf zwei Millionen wird die Zahl der Platt-Snacker geschätzt.

Friesisch und Niederdeutsch noch ohne gesetzliche Grundlage

„Sprachenvielfalt bedeutet eine kulturelle Bereicherung“, betont Polat. Das sei auch eine Frage der Identität. „Die Menschen haben ein Recht darauf, ihre Sprache sprechen und auch lernen zu können.“ Bei den Sorben im Osten bestehe darauf ein gesetzlicher Anspruch. Beim Friesischen und Niederdeutschen sei man noch nicht soweit. „Daran müssen wir arbeiten.“

Auch Niedersachsens CDU-Fraktionsvize Ulf Thiele, der selbst recht gut Platt snackt, fordert deutlich mehr Engagement des Landes: „Die Landesregierung muss dringend die plattdeutsche Schriftsprache normieren, damit unsere Schulen rechtliche Sicherheit bei der Anwendung bekommen.“ Außerdem verlangt der Ostfriese, dass jeder, der Platt oder Saterfriesisch spreche wolle, in der Verwaltung auch einen passenden Ansprechpartner finde. „Hier ist Niedersachsen seit 15 Jahren säumig.“

Anlass der Bundestagsdebatte war der 25. Jahrestag des Inkrafttretens der Europäischen Sprachencharta, zu deren elf Erstunterzeichnern Deutschland 1998 gehörte. Viele Vertreter der Minderheiten verfolgten die Reden in ihrer Sprache live als Zuschauer. Auch Dänisch und Sorbisch waren dort zu hören. (Peter Mlodoch)

Plattdeutsch ist in seiner Existenz bedroht

Plattdeutsch droht zu verschwinden. Grund sei ein Sprachwechsel seit den 1950er und 1960er Jahren, erklärt das Niederdeutschsekretariat in Bremen. Statt „Plattdüütsch“ wurde zunehmend Hochdeutsch gesprochen. Es habe als Bildungshemmnis gegolten. Experten des Europarates in Straßburg hatten im vergangenen Jahr sofortige Maßnahmen gefordert, um den Fortbestand der Sprache zu sichern. (ams/dpa)

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