Gasförderung in der Nordsee: „Insulaner“ und CDU im Konflikt
Ein niederländische Unternehmen will in der Nordsee nahe Borkum nach Erdgas bohren. Insulaner und CDU sind sich uneinig in Fragen der Gasförderung.
Hannover – Bei der Klausurtagung der CDU-Landtagsfraktion auf Borkum ging es auch um Gasförderung in der Nordsee. Die Worte immerhin blieben freundlich. „Es ist gut, dass wir frühzeitig informiert wurden“, lobte Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) den hohen Besuch aus Hannover. „Auch wenn die Botschaft nicht gut für uns ist. Unsere Bedenken bestehen nach wie vor.“
Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) sprach von einem „konstruktiven Dialog“, blieb in der Sache aber hart: Die geplante Erdgasförderung durch das niederländische Unternehmen One-dyas in einem Feld 20 Kilometer vor der Inselküste überschattete die Klausurtagung der CDU-Landtagsfraktion, die eigentlich der Einstimmung auf den Landtagswahlkampf dienen sollte. Jetzt soll eine Kompensation für Borkum den Konflikt entschärfen.
Gasförderung in der Nordsee: Insulaner und CDU sind sich uneinig
Das Gasvorkommen schlummert nah am Nationalpark Wattenmeer. One-dyas will es vom niederländischen Hoheitsgebiet anzapfen und mit einer Querbohrung auch auf deutscher Seite liegende Felder ausbeuten. Dafür braucht der Konzern neben der Genehmigung aus dem eigenen Land auch das Okay von Niedersachsen.

Im Gegenzug soll die Hälfte des geförderten Gases hierher fließen. Nachdem sich die SPD/CDU-Landesregierung vor einem halben Jahr gegen das Projekt gesperrt hatte, ist sie nach dem russischen Angriff auf die Ukraine umgeschwenkt. Das sei ein unabdingbarer Beitrag zur Versorgungssicherheit, lautet das Argument.
Es werde aber ein volles Verfahren nach deutschem Recht geben, mit Planfeststellungsbeschluss einschließlich Umweltverträglichkeitsprüfung, versicherte Althusmann. „Wir werden alles tun, damit es den Insulanern weiter gut geht und Borkum auch für Touristen die schönste Insel bleibt.“
Gasförderung in der Nordsee könnte Einfluss auf Wattenmeer und Borkum haben
Bürgermeister Akkermann und viele der 5500 Bewohner befürchten das Gegenteil. Bohrrückstände, die an die Strände gespült werden, Absenkungen, die auf der Insel zu spüren sind und Verschmutzungen des Badewassers lauten die Sorgen. Das Mindeste sei, frühzeitig eine Kompensation solcher Schäden sicherzustellen, forderte Akkermann.
„Wichtig ist eine Beweislastumkehr, damit es nicht zu jahrelangen Streitigkeiten kommt.“ Also das Unternehmen müsse beweisen, dass die Bohrungen nicht die Ursache für auftretende Beeinträchtigungen auf der Insel seien. Göran Sell, Geschäftsführer der kommunalen Nordseeheilbad GmbH, deren 150 Mitarbeiter für die Energieversorgung und für den Tourismus zuständig sind, warnte vor Imageverlusten.
„Eine gut sichtbare Bohr-Plattform steht im Widerspruch zum Weltnaturerbe.“ Borkum wolle bis 2030 klimaneutral werden. Bei einem Gespräch mit Althusmann und CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer hinter verschlossenen Türen trugen Akkermann und Sell ihre Bedenken vor.
Borkumer Erklärung: Neue Entwicklungsperspektiven in der Diskussion
Der Besuch aus der Landeshauptstadt sicherte danach einen Ausgleich für die Insel vor. Die Fraktion verabschiedete in ihrer „Borkumer Erklärung“ eine entsprechende Passage. Es dürfe aber nicht der Eindruck entstehen, dass sich die Insulaner kaufen ließen, betonten die beiden Christdemokraten.
Neben einer unbürokratischen finanziellen Kompensation für Schäden ist allerdings auch eine Art Belohnung in Form von neuen Entwicklungsperspektiven in der Diskussion. Borkum könne einer der Standorte der geplanten Geothermie-Projekte werden, kündigte Althusmann an. Mit der Energie könne man dann Haushalte und Gästeunterkünfte heizen.
Ganz praktische Mittel sollen gegen die Bedenken helfen. Das bei der Förderung notwendige Abbrennen von überschüssigem Gas solle nicht mehr mit den üblichen Hochfackeln, die bis zur Insel leuchten würden, passieren, erklärte der Wirtschaftsminister. Man müsse prüfen, ob dafür nicht auch Bodenfackeln geeignet seien.
Umweltschutz kritisches Thema auch für Landtagswahl am 9. Oktober
Das übrige Programm gestaltete sich für Niedersachses CDU-Chef deutlich angenehmer. Abgeordnete und Mitarbeiter feierten ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 9. Oktober. Ein Sieg dort sei in greifbarer Nähe, so Althusmann.
Die Niedersachsen-Union biete ein modernes Angebot: Umweltschutz, Öko-Landbau und Kulturförderung seien bei ihr in guten Händen, sagte Fraktionschef Toepffer. Immer wieder Lob gab es für die paritätisch von Männern und Frauen besetzte Wahlliste, die Althusmann gegen so manchen männlichen Widerstand durchgesetzt hatte. Trotz allem geht der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen wie der Windenergie nur schleppend voran. (Peter Mlodoch)