Fragen und Antworten: Studienplätze für künftige Landärzte in Niedersachsen

Wie umgehen mit dem Ärztemangel auf dem Land? Niedersachen versucht es nun mit einer Landarztquote. Ab heute kann sich auf entsprechende Plätze beworben werden.
Hannover – Niedersachsen will sich mit einer Landarztquote gegen den wachsenden Ärztemangel abseits der Städte stemmen. Das Land setzt dabei auf eine Selbstverpflichtung junger Mediziner – noch vor dem Studienbeginn. Ab heute können sich Interessenten auf reservierte Studienplätze bewerben. Dazu Fragen und Antworten.
Was ist die Landarztquote?
Jungen Menschen soll der Zugang zum Medizinstudium erleichtert werden, wenn sie sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der Weiterbildung zehn Jahre lang als Hausarzt in einer Region mit zu wenig Ärzten zu arbeiten. Wo das ist, legt das Land mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) fest – zum ersten Mal wird das 2032 sein.
Warum wurde die Quote eingeführt?
Wer krank ist oder einfach ärztliche Beratung braucht, soll auch auf dem Dorf nicht erst einen langen Weg zurücklegen müssen, um einen Arzt oder eine Ärztin zu finden. Dieses Szenario droht aber, denn die etwa 5200 Hausärztinnen und Hausärzte sind im Schnitt 55,5 Jahre alt, erklärt die KVN. Bis 2035 sei daher damit zu rechnen, dass etwa 1450 Ärzte aufhören werden – mehr als jeder Vierte. „Diese Lücke muss geschlossen werden“, sagt ein KVN-Sprecher. „Schon heute haben wir 466 offene Hausarztsitze in Niedersachsen.“
Wie viele Landarzt-Studienplätze gibt es?
Es geht um 60 Humanmedizin-Studienplätze. Davon entfallen 15 Plätze je Winter- und Sommersemester auf Göttingen sowie nur zum Wintersemester 18 Plätze auf Hannover und 12 Plätze auf Oldenburg. Erwartet werden 600 Bewerbungen pro Jahr.
Wer kann sich bewerben?
Die einzige zwingende Voraussetzung für Interessenten ist die Hochschulzugangsberechtigung, meist das Abitur. Die Abi-Note entscheidet aber nicht allein über die Erfolgsaussichten. Bewerbungen sind in der Zeit vom 1. bis 31. März 2023 möglich.
Wie läuft das Verfahren?
Im ersten Schritt des Bewerbungsprozesses macht die Abiturnote 30 Prozent der Bewertung aus. Ein Test für Medizinische Studiengänge fließt auch mit 30 Prozent ein. Einschlägige Berufserfahrung wird mit 40 Prozent berücksichtigt. Die besten 120 Bewerber werden zu Auswahlgesprächen eingeladen, bei denen es vier Stationen an zwei Tagen geben wird. Infos zum Verfahren stehen auf nizza.niedersachsen.de.
Können sich die Bewerber aussuchen, wo sie später arbeiten?
Ihre Ortswünsche werden berücksichtigt. Am Ende bestimmt aber der Niedersächsische Zweckverband zur Approbationserteilung (NiZzA) den Einsatzort der Landärzte.
Können die Bewerber einen Rückzieher vom Job auf dem Land machen?
Theoretisch ja – wenn sie eine im Gesetz festgeschriebene Vertragsstrafe von 250 000 Euro zahlen. Sie können jedoch beantragen, dass ganz, teilweise oder zeitweise auf die Strafzahlung verzichtet wird, wenn ihnen dadurch eine besondere Härte droht, etwa wirtschaftliche Existenznot. Laut KVN verdienen Hausärzte in Niedersachsen rund 300 000 Euro im Jahr.
Hilft die Quote wirklich?
„Mit der Landarztquote treffen wir eine wichtige Vorsorge, um dem zunehmenden Mangel an Medizinern im ländlichen Raum zu begegnen“, sagt Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Auch Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) sieht in der Quote ein „gutes Anreizsystem zur Übernahme frei werdender Praxen“.
Was denkt die Branche?
Die Ärztekammer ist optimistisch. „Die Patientenversorgung im Flächenland wie Niedersachsen wird damit gestärkt“, sagte Vizepräsidentin Marion Charlotte Renneberg. Aber: Bis der Effekt zu spüren ist, werden noch viele Jahre ins Land gehen – die Kassenärztliche Vereinigung geht unter Berücksichtigung der Aus- und Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin von zwölf Jahren aus.
Was kostet das Verfahren?
Im Gesetzentwurf sind die Kosten mit rund einer Million Euro im ersten Jahr und rund 450 000 Euro pro Folgejahr angegeben. Das hängt damit zusammen, dass zunächst die Strukturen geschaffen werden mussten, wie die Konzeption des Auswahlverfahrens und die Erstellung des Bewerbungsportals. (lni)
Kommentar: Versorgung abseits der Städte sichern
Die Landarztquote für Niedersachsen ist notwendig und richtig. Sie ist ein Zeichen dafür, dass es die Landesregierung ernst meint mit dem Ziel ihrer Gesundheitspolitik, in Zukunft eine flächendeckende und möglichst wohnortnahe medizinische Versorgung zu gewährleisten – und Fehler zu korrigieren.
Niedersachsen ist das zweitgrößte Bundesland. Während in Städten wie Göttingen und Braunschweig die ärztliche Versorgung für die Menschen top ist, sieht es abseits der Zentren, draußen auf dem Land anders aus: Haus- und Facharztpraxen arbeiten am Limit, Patienten müssen Wartezeiten und weite Fahren in Kauf nehmen, was besonders für ältere, wenig mobile Menschen eine Qual ist. Verschärfend hinzu kommt, dass viele Landärzte bald aus Altersgründen aufhören werden. An Nachwuchs fehlt es, weil zu wenig ausgebildet wurde und der Landarzt für viele Studenten nicht dem Mediziner-Traumbild entsprach. Das muss sich ändern. Eine Verpflichtung für das spätere Arbeiten in unterversorgten Gebieten wird helfen. Auf dem Land ist auch nicht alles schlecht. Dort ist der Mediziner noch nah dran am Patienten, der Verdienst zudem so schlecht auch nicht – und Landarzt irgendwie doch ein traumhafter Job. tko@hna.de