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Eine Autoskeptikerin für VW: Grüne wollen Schlüsselpositionen besetzen

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Von: Peter Mlodoch

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Die Grünen wollen nach der Landtagswahl Schlüsselpositionen besetzen. So könnte mit Julia Willie Hamburg eine Autoskeptikerin im VW-Aufsichtsrat landen.

Hannover/Wolfsburg – Es ist eine Vorstellung, die so manchem Christdemokraten und Genossen in Niedersachsen die Kinnlade runterfallen lässt: eine Grünen-Frau als Landesvertreterin im VW-Aufsichtsrat? Eine Autoskeptikerin an einer wichtigen Schaltstelle von Deutschlands größtem Autokonzern?

Abwegig ist der Gedanke nicht mehr. Die Grünen streben bei der Landtagswahl am 9. Oktober 2022 ein Ergebnis „auf Augenhöhe“ mit der Konkurrenz von SPD und CDU an. Man sei „kein Anhängsel“ mehr, heißt es.

Volkswagen AG
BrancheAutomobilindustrie, Finanz- und Logistikdienstleistungen
Gründung28. Mai 1937 (Berlin)
HauptsitzWolfsburg
LeitungHerbert Diess (CEO)
Mitarbeiterzahl672.800 (2021)
Umsatz250,2 Mrd. Euro (2021)

Grüne wollen nach Landtagswahl in Niedersachsen Schlüsselpositionen besetzen

Julia Willie Hamburg, Niedersachsens Kultusministerin
Julia Willie Hamburg, Grüne-Fraktionsvorsitzende. © Sven Brauers

So beanspruchen sie – unabhängig vom künftigen Partner – schon mal selbstbewusst Schlüsselressorts wie das Wirtschaftsministerium für sich. Was Grünen-Shootingstar Robert Habeck auf Bundesebene kann, sollte auch im Land möglich sein, so lautet die interne Parole der Öko-Partei, die nach den jüngsten Umfragen an der 20-Prozent-Marke kratzt.

Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg, früher ausgewiesene Schul- und Sozialexpertin ihrer Landtagsfraktion, will sich längst nicht mehr auf Unterrichtsfragen oder Gesundheitsthemen reduzieren lassen. Munter präsentiert sie sich als Fachfrau für Energie, Produktionsverfahren und industrielle Transformation.

Als Wirtschaftsministerin in der künftigen Landesregierung stünde ihr – neben dem Ministerpräsidenten – auch ein Sitz im Kontrollorgan des Wolfsburger Autobauers, an dem das Land rund 20 Prozent der Anteile hält, zu. Hamburg nennt den Posten einen „zentralen Hebel“ zum Gestalten. „Natürlich ist das eine Schlüsselfunktion, die attraktiv und für uns wichtig ist.“

Grüne-Fraktionsvorsitzende und Autoskeptikerin Julia Willie Hamburg will Wirtschaftsministerin werden

In der rot-grünen Koalition von 2013 bis 2017 stellten die Grünen mit ihren 13,7 Prozent vier Ministerien: für Umwelt, Landwirtschaft, Wissenschaft und Justiz. Die wirklich großen Ressorts wie Innen, Finanzen, Kultus und eben Wirtschaft beanspruchte Ministerpräsident Stephan Weil für seine SPD, die auf 32,6 Prozent gekommen war.

Damit gingen auch die beiden Aufsichtsratsposten beim größten Arbeitgeber des Landes wie selbstverständlich an die Genossen, nämlich an Weil selbst und an Wirtschaftsminister Olaf Lies. Unter der amtierenden Groko hat dessen CDU-Nachfolger Bernd Althusmann den zweiten Sitz inne. „VW ist in Niedersachsen ein bedeutender Akteur und ein wichtiger Partner“, erklärt Hamburg im Gespräch mit unserer Zeitung.

Niedersächsische Wirtschaftsministerin würde Sitz im VW-Aufsichtsrat zustehen

„Das Unternehmen kann mit seiner Power ein entscheidender Motor für die notwendige Mobilitätswende sein.“ Ein erster großer Schritt sei das Vorhaben, die Pkw-Produktion komplett auf Elektroantriebe umzustellen, sagt die Fraktionsvorsitzende, die bereits fast jedem VW-Werk in Niedersachsen einen persönlichen Besuch abgestattet hat.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Niedersachsen-Grünen inzwischen rege Kontakte mit diversen Ebenen des Konzerns wie dem Betriebsrat pflegen. Dieser Austausch gilt aber nicht nur für den Autobauer. Die Öko-Partei ist dem Beispiel von SPD und CDU gefolgt und hat mit dem „Grünen Wirtschaftsdialog“ ein regelmäßiges Gesprächsformat mit Firmen ins Leben gerufen. Gegenseitige Berührungsängste gehören der Vergangenheit an.

Volkswagen
Bei einem Wahlerfolg der Grünen könnte mit Julia Willie Hamburg nach der Landtagswahl eine Autoskeptikerin im VW-Aufsichtsrat landen. (Symbolbild) © Moritz Frankenberg/dpa/Symbolbild

Schon vor zwei Jahren durfte zur Überraschung vieler Volker Müller, der Chef der Unternehmerverbände Niedersachsen (UVN), auf einem digitalen Landesparteitag der Grünen eine Gastrede halten. Wenn in zwei Wochen die UVN zum Industrieforum „Energieversorgung“ laden, sitzt neben SPD-Umweltminister Olaf Lies und CDU-Wirtschaftsstaatssekretär Berend Lindner der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Detlev Schulz-Hendel auf dem Podium.

Landtagswahl in Niedersachsen: Ein Blick auf den Wahlabend im Oktober

„Natürlich reden wir regelmäßig mit den Grünen“, berichtet der UVN-Boss. Müller und Hamburg duzen sich; Probleme lassen sich auch schon mal auf dem ganz kurzen Dienstweg am Rande einer Veranstaltung klären.

Hat also eine Regierungsbeteiligung von erstarkten Grünen für die niedersächsische Industrie ihren Schrecken verloren? So ganz sorgenfrei blickt der Hauptgeschäftsführer nicht auf den Wahlabend im Oktober. „Am Ende wird es um die fachlichen und sachlichen Themen gehen.“

Jurist Müller hat auch ein Beispiel parat: „Wir brauchen eine umfassende Entschlackung von Genehmigungsverfahren.“ Das bei Flüssiggasterminals schon umgesetzte und für Windanlagen angepasste neue Tempo müsse auch für alle anderen industriellen Vorhaben gelten. „Wer A sagt, muss auch B sagen.“ (Peter Mlodoch)

VW muss sich bezüglich mutmaßlicher Sklavenarbeit, Menschenrechtsverletzungen und Menschenhandel in Brasilien erklären. Zukünftig will VW in der Zelltechnologie von E-Autos führend sein.

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