Vermisstenfälle: Die Polizei sucht 388 Jugendliche und 182 Kinder in Niedersachsen
Zahlreiche Personen werden in Niedersachsen vermisst. Die Polizei sucht aktuell nach 388 Jugendlichen und 182 verschwundenen Kindern.
Göttingen/Hannover – Im Raum Göttingen, genauer in Lödingsen (Flecken Adelebsen), endete kürzlich die Suche nach einer vermissten Jugendlichen innerhalb von zwei Tagen – dank Hinweisen von Passanten – glücklich. Die 13-Jährige war wohlauf. Leider enden nicht alle Suchen so positiv, manche gar tragisch, und gar nicht so wenige überhaupt nicht.
In Niedersachsen sucht die Polizei laut Landeskriminalamt (LKA) aktuell nach 182 vermissten Kindern und 388 Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren, die verschwanden und bislang nicht wieder aufgetaucht sind, wie das LKA mitteilte. Für Eltern, Angehörige und Freunde dürfte es das Schlimmste sein, was sie sich vorstellen können, ein nicht enden wollender Alptraum.
Niedersachsen: Polizei sucht 388 vermisste Jugendliche und 182 verschwundene Kinder

Gründe für das Verschwinden von Kindern, so weit sie bekannt werden, sind demnach vor allem Entziehungen durch ein Elternteil – oder die Kinder verschwinden aus Heimen. Auch Unglücksfälle spielten eine Rolle. Die meisten Kinder tauchten allerdings nach kurzer Zeit wieder auf – wie jetzt im Fall der 13-Jährigen aus Lödingsen.
Aktuell werden im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Göttingen „Vermisstensachen im niedrigen dreistelligen Bereich geführt“, teilt die Direktion auf Anfrage unserer Zeitung mit. Im Bereich der Polizeiinspektion Göttingen liegt diese Zahl im mittleren zweistelligen Bereich, also zwischen 50 und 70.
In der Polizeiinspektion Northeim sind es zwischen 20 und 40. Die Statistik erfasst aber nur die Eingänge. Um genaue Zahlen zu bekommen, müsste sie täglich aktualisiert werden, wie eine Sprecherin sagte. In vier Fällen der Polizeidirektion werden die Personen länger als zwei Jahre vermisst.
Polizei: Vermisstenfälle so schnell wie möglich anzeigen
Werde ein Kind vermisst, komme es auf schnelles Handeln an, so das Landeskriminalamt. Anders als bei verschwundenen Erwachsenen gingen die Ermittler bei vermissten Kindern grundsätzlich von einer Gefahr aus. Das bedeutet: Die Polizei nimmt sofort die Ermittlungen nach dem Aufenthaltsort oder möglichen Gefahren auf.
Gibt es Anhaltspunkte für eine Straftat, wird ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Experten raten, bei Vermisstenfällen die Polizei so früh wie möglich zu informieren und eine Vermisstenanzeige zu erstatten. So könnten Spuren bestmöglich ausgewertet und Hinweise gefunden werden.

Außerdem sollten Eltern vermisster Kinder die Freundinnen und Freunde des betreffenden Kindes sowie andere Eltern anrufen. Darüber hinaus sollte jemand zuhause sein, falls das Kind zwischenzeitlich gefunden wird oder heimkommt. Auch an vertrauten Orten solle gesucht werden. Das Landeskriminalamt empfiehlt außerdem: „Bleiben sie ruhig und konzentriert.“
Gewissheit: Jeder gelöste Vermisstenfall ist eine Erlösung für die Zurückgebliebenen
Insgesamt werden in Niedersachsen Stand 16. Mai 2022 1231 Menschen vermisst. Die Behörden weisen auch darauf hin, dass die Zahlen der „Vermisstendatei“ des Landeskriminalamts nur eine Momentaufnahme seien, die sich mehrmals täglich änderten. Neue Vermisstenfälle kämen hinzu, andere Fahndungen könnten gelöscht werden.
In aktuell 69 aller Vermisstenfälle bestehe der Verdacht, dass die vermisste Person das Opfer einer Straftat geworden sein könnte. Eltern, Angehörige uns Freunde leben weiter täglich mit der Frage: Wo ist Sie, wo ist Er?
Der Alptraum hält an. Jeder gelöste Vermisstenfall ist so auch eine Erlösung für die Zurückgebliebenen – selbst wenn die Suche nach langer Zeit kein glückliches, sondern ein tragisches Ende genommen hat. (Thomas Kopietz, mit lni)
Manchmal tauchen vermisste Personen wieder auf oder werden von der Polizei – auch mithilfe von Hinweisen aus der Bevölkerung – wieder aufgefunden. So wie im Falle eines 13-jährigen Mädchens aus dem Raum Göttingen. Auch ein seit Mitte Mai 2022 vermisster 29-Jährige aus dem Kyffhäuserkreis in Thüringen ist wieder aufgetaucht.
Wann gelten Menschen als vermisst?
Nach Auskunft der Polizeidirektion Göttingen gelten Menschen dann als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben, ihr Aufenthalt unbekannt ist und für sie eine Gefahr für Leib und Leben angenommen werden kann, beispielsweise als Opfer einer Straftat, einem Unglücksfall, bei Hilflosigkeit oder Selbsttötungsabsicht.
Minderjährige gelten in jedem Fall als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskreis verlassen haben und ihr Aufenthaltsort unbekannt ist. Bei ihnen muss grundsätzlich von einer Gefahr für Leib und Leben ausgegangen werden, solange Ermittlungen oder andere Erkenntnisse nichts anderes ergeben.
Es gibt aber keine Faustregel dafür, wann die Polizei kontaktiert werden wollte, weil die Ursachen für das Verschwinden von Menschen vielfältig sein können und gerade Erwachsene frei über ihren Aufenthaltsort entscheiden können. „Grundsätzlich gilt aber, dass man zeitnah bei der Polizei nachfragen sollte, was zu tun ist, wenn jemand aus seiner gewohnten Umgebung verschwindet und man sich dieses Verschwinden nicht erklären kann“, rät die Polizeidirektion. (tko)