Kann es wirklich nicht genug Antifa geben? So gefährlich ist die radikale Linke

Nach Chemnitz wird über Nazis diskutiert, aber auch über die Antifa. Sind Antifaschisten eine Gefahr für die Demokratie? Oder können sie hilfreich sein im Kampf gegen den Rechtsextremismus?
Wer oder was ist die Antifa?
Das ist nicht so einfach zu sagen, weil es keinen Bundesverband der Antifa-Gruppen gibt. Sie ist eine heterogene Bewegung aus bundesweit mehr als 100 lokalen und regionalen Gruppen, die gegen Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und völkischen Nationalismus eintreten. Wobei eintreten auch wörtlich zu verstehen ist. In der öffentlichen Debatte gelten Antifa-Aktivisten als Chaoten und Krawallmacher, die wie bei den Protesten gegen den Hamburger G20-Gipfel voriges Jahr auch schon mal eine ganze Stadt terrorisieren können.
"Unsere Demokratie ist für sie eine präfaschistische Gesellschaft", sagt der Kasseler Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder: "Sie sehen hinter jedem Baum einen Faschisten." Für die Göttinger Gruppe "Antifaschistische Linke international" (A.L.I.) hat die BRD "nie mit dem Faschismus gebrochen". Darum berufen sich die Aktivisten auf den Schwur der Häftlinge des KZ Buchenwald, deren Ziel eine Welt des Friedens und der Freiheit war: "Solange wir in einer der Welt des Krieges und der Unfreiheit leben, wird uns Gewalt immer begleiten."
Was macht die Antifa?
"Einen ganzen Haufen Bildungs-, Informations- und Mobilisierungsarbeit", wie die "Spiegel Online"-Kolumnistin Margarete Stokowski zuletzt schrieb. Sie meint: "Es kann nicht genügend Antifa geben", damit es in diesem Land "nicht noch düsterer wird". Der "Tagesspiegel"-Reporter Sebastian Leber bedankte sich bereits 2014 bei der Antifa: Wäre sie nicht da, "gäbe es viel mehr Nazis in meinem Leben".
Tatsächlich ist es so, dass bisweilen sogar der Verfassungsschutz, der die Antifa beobachtet, dankbar ist, dass es sie gibt. Durch Outings von Rechtsradikalen tragen die Aktivisten dazu bei, dass Verbrechen aufgeklärt werden können - wie im Fall des Anschlags auf die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die im Oktober 2015 von einem ehemaligen Mitglied der neonazistischen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei niedergestochen worden war.
Für den Politologen Schroeder ist die Antifa darum "eine Art alternativer Verfassungsschutz außerhalb der Verfassung". Gleichwohl sind die Gruppen "selbst extremistisch, weil sie oft jenseits der Legalität agieren".
Ist die Antifa verfassungsfeindlich?
Ja, sagt die AfD, die sie am liebsten verbieten würde. So einfach ist es jedoch nicht. Politikwissenschaftler Schroeder weist darauf hin, dass "kriminelle und terroristische Vereinigungen laut Paragraf 129 des Strafgesetzbuch auf eine gewisse Dauerhaftigkeit und extremistische Zweckbestimmtheit ausgerichtet sein müssen". Die Antifa sei hier jedoch schwer zu fassen, "weil sie sehr kampagnenartig auf einzelne Aktionen ausgerichtet ist".

Was sagen Antifa-Aktivisten über sich selbst?
Zunächst einmal gar nichts, weil es schwierig ist, mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Die Aktivisten der Göttinger "A.L.I." beantworten Fragen grundsätzlich nicht, wenn im Artikel "gleichzeitig Neonazis, Rassisten oder staatliche Behörden wie Polizei oder Verfassungsschutz zu Wort kommen". Damit passt die Antifa für Schroeder nicht in moderne Gesellschaften, die auf Differenzen aufbauen: "Aus dem offenen Diskurs klinken sich die Aktivisten aus. Sie glauben, nur sie allein wüssten die Wahrheit."
Die Wahrheit der Antifa sieht so aus: Militanz ist für die Göttinger A.L.I. "ein politisches Konzept, das viel zu oft als bloße Gewalt denunziert wird". Etwas schwammig fordern sie ein "entschlossenes und zielgerichtetes Handeln", denn "wer keinen Konflikt mit Neonazis möchte, der will, dass sie ungestört Gewalt ausüben können". Ihr Ziel: "Wir streben an, das kapitalistische System zu überwinden, um Demokratie zu ermöglichen."
Wird die Antifa weiterhin bedeutsam sein?
Davon ist auszugehen. In der Vergangenheit wurde die Antifa schon oft totgesagt. Nicht nur in der Linkenhochburg Göttingen sieht sie sich durch den Widerstand gegen AfD und Pegida-Bewegungen längst wieder im Aufwind. Allein in der fast 120.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt soll es laut Schätzungen bis zu 3000 Aktivisten geben.
Während seit den Vorfällen in Chemnitz selbst manche liberale Zeitgenossen bekennen, ihr Vertrauen in die Antifa sei größer als in die Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes, kritisieren andere, erst der Konflikt der radikalen Linken mit den Nazis vergifte den Osten.
Politikwissenschaftler Schroeder erinnert dies an die Zeit der Weimarer Republik mit stärker werdenden Extremisten - auch wegen der "totalitären Schlagseite der Antifaschisten: Sie sind weniger Teil der Lösung als Teil des Problems." Das bedeute jedoch nicht, dass man "vor den Rechtsextremen und Rechtspopulisten kapitulieren" müsse: "Es gibt ja auch einen demokratischen und pluralen Antifaschismus, der den rechten Paroli bietet."