In der CDU wächst derweil stark der Druck auf Armin Laschet. Nach dem Wahldebakel kommen interne Forderungen nach personellen Konsequenzen sowie einem Neuanfang, unter anderem von CDU-Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen.
Man müsse ehrlich aussprechen, was ohnehin jeder wisse: „Die fehlende Akzeptanz des Kandidaten war der Hauptgesprächsgegenstand im Wahlkampf. Das weiß auch Armin Laschet.“ Neben Röttgen spricht auch Jens Spahn offen über das Versagen der CDU. „Dass im Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzenkandidat nicht richtig gezogen hat, kann niemand leugnen. Allein das hat viele Prozente gekostet“, sagte Spahn der Welt am Sonntag. Die Union könne nur erfolgreich sein, wenn sie auch zusammenstünde. Laut Informationen der Bild-Zeitung will sich Friedrich Merz nochmals um das Amt des CDU-Vorsitzenden bewerben und der Nachfolger von Laschet werden.
+++ 13.52 Uhr: Nach den Gesprächen zwischen FDP und Grüne sind die Parteiführungen vor die Presse getreten. FDP-Chef Christian Lindner berichtete, dass beide Parteien künftig gemeinsam „das Trennende überwinden“ und Brücken finden wollen: „Der Prozess hat heute in einer guten Atmosphäre begonnen, er ist allerdings nicht abgeschlossen.“
Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, sprach von einer „sachorientierter Diskussion“ und einem „guten Start“. Man wolle die Gespräche aber weiter fortsetzen. Die gescheiterte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprach derweil von einem „historischem Moment“. Alle Parteiführungen betonten in ihrer Rede noch einmal die Vertraulichkeit der Gespräche.
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+++ 12.43 Uhr: Spitzenvertreter von Grünen und FDP treffen sich aktuell zur zweiten Gesprächsrunde der Parteien über eine gemeinsame Beteiligung an der neuen Bundesregierung. Mit dabei sind FDP-Chef Christian Lindner, die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie weitere Politiker. Gegen 13 Uhr soll es Statements von Vertretern der jeweiligen Parteiführung geben.
Bei der zweiten Runde sogenannter Vorsondierungen soll es konkreter um Inhalte und Ziele einer möglichen künftigen Koalition gehen. Dazu haben beide Parteien Verhandlungsteams zusammengestellt – auch das Tempolimit könnte Thema werden. Die FDP lehnt ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ab und machte das im Vorfeld der Vorsondierungsgespräche erneut deutlich. „Bei der Mobilität liegen die Wahlprogramme teils deutlich auseinander. Wir Liberalen stehen dabei auch für die Autofahrer ein. Statt Symbolpolitik wie Tempolimit und Verbrennerverbot geht es für uns um eine bezahlbare, nachhaltige und innovative Mobilität. Dafür werden wir uns auch in allen Gesprächen einsetzen“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Oliver Luksic der dpa.
Die Grünen befürworten ein Tempolimit, signalisierten jedoch Gesprächsbereitschaft. „Ich halte nichts davon, einzelne Maßnahmen zur Bedingung zu machen, das verkompliziert die Verhandlungen und wird unserer Aufgabe nicht gerecht“, sagte der Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzende Anton Hofreiter der Rheinischen Post und dem Bonner General-Anzeiger vom Freitag.
+++ 10.00 Uhr: Zunächst kam der Absturz, nun naht die Abrechnung: Nach dem Debakel der CDU bei der Bundestagswahl 2021 in Ostdeutschland stellen sich mehrere Kreisverbände offen gegen Armin Laschet. Der 60-Jährige sei aus Sicht zahlreicher Menschen der falsche Kandidat gewesen, schrieb beispielsweise der Kreisvorstand Altenburger Land in Thüringen an die Berliner Parteizentrale der CDU. Die Option auf eine Beteiligung an der nächsten Bundesregierung müsse zwar bleiben. „Das kann allerdings nicht mit Armin Laschet geschehen“, hieß es weiter.
Die Union hatte es bei der Bundestagswahl 2021 im Osten besonders schlimm erwischt. Bundesweit sackte die Union im Vergleich zum Jahr 2017 um 8,8 Punkte ab auf 24,1 Prozent – in Ostdeutschland waren es 10,3 Punkte minus und am Ende nur 17,1 Prozent. Dort legte die SPD hingegen deutlich zu. Besonders groß scheint der CDU-Schock in Thüringen und Sachsen zu sitzen, wo die AfD auf Platz eins kam. In Sachsen erhielt die AfD beispielsweise 13 Direktmandate der CDU/CSU.
„Ich finde, dass dieses Ergebnis ein wirkliches Desaster für die Union in Deutschland ist“, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer bereits am Montag (27.09.2021) – und sprach von „Fehlern inhaltlicher Art und auch in der personellen Aufstellung“. Inzwischen nennen in der ostdeutschen CDU immer mehr Politiker offen Namen. „Die Personalie Laschet lag wie Blei auf unserem Wahlkampf“, sagte Carsten Körber, neuer Chef der sächsischen CDU-Bundestagsabgeordnetenden, dem MDR. Der thüringische Fraktionschef Mario Voigt betonte gegenüber der Bild-Zeitung: „Es wird ernsthafterweise niemand bezweifeln, dass der Spitzenkandidat jetzt im Osten kein Zugpferd gewesen ist.“
Update vom Freitag, 01.10.2021, 7.35 Uhr: Vor den ersten größeren Gesprächsrunden über eine Regierungsbildung hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz erneut für das von ihm angestrebte Bündnis mit Grünen und FDP geworben. „Ich bin optimistisch, dass eine Ampelkoalition gelingen kann“, sagte Scholz dem Spiegel. Die Deutschen hätten mit ihren Stimmen SPD, Grüne und FDP stärker gemacht.
Scholz betonte die Notwendigkeit, „dass die Parteien auf Augenhöhe miteinander reden und sich alle im Koalitionsvertrag wiederfinden“. Grüne und FDP wollen am Freitagvormittag (01.10.2021) zu ihrer zweiten Gesprächsrunde über eine gemeinsame Regierungsbeteiligung zusammenkommen. Von Sonntag an steigen dann auch die SPD als stärkste Kraft nach der Bundestagswahl und die Union in Gespräche ein. Beide streben jeweils ein Bündnis mit Grünen und FDP an - also entweder eine sogenannte Ampel-Koalition unter Führung der SPD oder ein sogenanntes Jamaika-Bündnis unter Führung der Union.
Angesprochen auf unterschiedliche Politikansätze bei SPD, Grünen und FDP sagte Scholz dem Spiegel; „Ich habe da schon konkrete Vorstellungen, wie das passen könnte.“ Koalitionsgespräche sollten aber nicht über die Medien geführt werden. „Es wäre nicht klug, jetzt über irgendwelche roten Linien zu sprechen. Auch aus unterschiedlichen Ausgangspositionen heraus muss es am Ende eine Verständigung geben können.“
+++ 15.20 Uhr: Das Verhandlungsteam von Armin Laschet, das in Sondierungsgespräche mit den Grünen und der FDP gehen soll, steht offenbar fest.
Wie das Nachrichtenportal Focus Online aus Parteikreisen der CDU erfuhr, umfasst es folgende Politikerinnen und Politiker:
Zuvor hatte die CSU bereits bekannt gegeben, dass Markus Söder, Markus Blume, Dorothee Bär, Alexander Dobrindt und Stefan Müller an den Sondierungsgesprächen teilnehmen werden.
Update vom Donnerstag, 30.09.2021, 14.30 Uhr: Wie es am Donnerstag aus Unionskreisen hieß, will die Unionsspitze am Sonntagabend um 18.30 Uhr mit Vertretern der FDP über eine mögliche gemeinsame Regierung mit den Grünen beraten. Gespräche mit den Grünen seien zu Beginn der kommenden Woche geplant. Eine Grünen-Sprecherin wollte das weder bestätigen noch dementieren. Parteichefin Annalena Baerbock hatte zuvor gesagt, dass eine Einladung der Union vorliege und man in Kontakt stehe.
Doch auch die SPD plant am Sonntag Gespräche zu führen. Die Sozialdemokraten wollen getrennt mit den Grünen und der FDP sondieren, wie die Chancen auf eine Ampelkoalition stehen. Die SPD trifft sich mit der FDP nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) noch bevor diese am Abend mit der Union zusammenkommt. Anschließend reden die Sozialdemokraten mit den Grünen.
Auf die Frage, ob CDU-Chef Armin Laschet gehen müsse, sagte CDU-Bundesvize und Gesundheitsminister Jens Spahn im Deutschlandfunk: „Die Frage stellt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht.“ Die Chefs von CDU und CSU sollten jetzt die Sondierungsgespräche führen. Auch Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann sagte am Mittwochabend (29.09.2021) in der ARD-Sendung „Maischberger“, dass die Chance auf ein Jamaika-Bündnis „noch da“ sei.
Die CSU benannte nach dpa-Informationen inzwischen ihr Team für die Sondierungsgespräche: Neben CSU-Chef Markus Söder sollen CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, Generalsekretär Markus Blume, CSU-Vize Dorothee Bär und der parlamentarische Geschäftsführer der Landesgruppe, Stefan Müller, die Gespräche führen.
Erstmeldung vom Donnerstag, 30.09.2021, 10.57 Uhr: Berlin – Nach ersten „Vorsondierungen“ mit der FDP zeigen sich Grünen-Politikerinnen und Politiker zuversichtlich. Führende Mitglieder der beiden Parteien hatten sich am Dienstag (28.09.2021) getroffen, ein weiteres Treffen wurde für Freitag (01.10.2021) angesetzt. Zudem sind separate Gespräche mit der SPD und der Union geplant.
Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt lobte bereits das persönliche Verhältnis zwischen Grünen und FDP. „Vor vier Jahren, als die Jamaika-Verhandlungen gescheitert sind, hatten wir mit der FDP nicht gerade ein Vertrauensverhältnis. Das hat sich seither aber geändert - weil beide Seiten es wollten“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Donnerstag (30.09.2021). Abgeordnete hätten miteinander geredet, es habe gemeinsame Gesetzentwürfe gegeben, man habe persönliche Vertrauensverhältnisse aufgebaut. „Auch Christian Lindner und ich als Fraktionsvorsitzende und haben so nach und nach verstanden, wie wir ticken“, erklärte Göring-Eckardt. Sie gehört dem zehnköpfigen Team für die anstehenden Gespräche mit den anderen Parteien an.
Auch Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer schlug versöhnliche Töne in Richtung FDP an. Gegenüber der Zeitung Welt verwies der Verkehrsexperte darauf, dass auch die FDP mehr Klimaschutz im Verkehr wolle. „Wenn uns jemand sinnvollere Maßnahmen als unsere vorschlägt, sind die Grünen die letzten, die sich verweigern“, so Krischer.
Der frühere Grünen-Fraktionschef und Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der in Göttingen das Direktmandat holte, ging ebenfalls auf die Liberalen zu. „Die FDP will keinen Stillstand der Gesellschaft mehr. Sie lehnt auch die Methode der Politik ab, sich erst dann zu bewegen, wenn nichts Anderes mehr geht“, erklärte Trittin gegenüber den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Die Liberalen hätten „dazugelernt“.
FDP-Politiker Otto Fricke ließ sich eine Bündnis-Präferenz allerdings nicht entlocken. Beide Optionen seien „weiter gleichrangig“, sagte Fricke der Passauer Neuen Presse. Es sei „fair und vernünftig“, dass die beiden kleineren, potenziellen Koalitionspartner sich besprechen, ehe sie mit den bisher Regierenden in Gespräche eintreten.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht allerdings wenig Chancen für eine Koalition mit der Union. „Ich sehe im Moment nicht, dass man die Union für sondierungsfähig halten könnte, geschweige denn für regierungsfähig“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Was wir brauchen, ist eine zuverlässige Regierung.“ Sie sei zwar der Meinung, dass man unter den demokratischen Parteien keine Option ausschließen sollte, „aber beim Blick auf den Zustand der CDU sehe ich aktuell nicht, wie eine Koalition mit CDU und CSU gehen soll.“
Es spiele auch keine Rolle, ob dabei Armin Laschet oder Markus Söder entsprechende Verhandlungen führen würden: „Jetzt bringt sich ja Herr Söder ins Spiel oder wird ins Spiel gebracht. Aber es geht ja nicht darum, welcher Kopf vorne steht“, so Göring-Eckardt. „Der ganze Laden ist offensichtlich null vorbereitet auf die Zeit nach Merkel - und auch nicht auf die drängenden Aufgaben in unserem Land.“
SPD-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans sprach sich indes für zügige Gespräche mit Grünen und FDP aus. „Wir als SPD wollen nichts überstürzen, aber auch nicht unnötig Zeit verlieren“, sagte Walter-Borjans der Augsburger Allgemeinen. „Dass sich die potenziellen Partner untereinander austauschen wollen, ist zu respektieren“, fügte er hinzu. Fakt sei dabei aber, dass der Auftrag zur Regierungsbildung bei der SPD liege. Ein Großteil der deutschen Bevölkerung scheint dies ähnlich zu sehen, da eine Umfrage einen deutlichen Regierungswunsch offenbarte. (Nail Akkoyun, Tobias Utz, Sarah Neumeyer, Luisa Weckesser und Alina Schröder)