Ihre neue Fraktionsspitze wollen die Kasseler Grünen schon an diesem Wochenende bei einer Klausurtagung wählen. Zu möglichen Kandidaten für diese Aufgabe machen die Grünen keine Angaben. Als wahrscheinlich gilt jedoch, dass eine der verbleibenden bisherigen Stellvertretungen – in dieser Funktion sind Julia Herz, Christine Hesse, Eva Koch und Steffen Müller – den Fraktionsvorsitz übernimmt.
Am Morgen nach diesem spannenden Wahlabend sind die beiden Kasseler Grünen noch dabei, die Geschehnisse einzuordnen. Vor allem das, was sie für sie persönlich bedeuten. „Tatsächlich ist das noch etwas surreal“, sagt Awet Tesfaiesus zu ihrem neuen Job als Bundestagsabgeordnete. „Die Zeiten ändern sich“, beschreibt die 47-Jährige das Gefühl, das bei ihr gerade vorherrsche.
Boris Mijatovic nimmt eher das große Ganze dieser Wahl in den Blick. „Ich freue mich über die 14,8 Prozent für die Grünen. Aber für den Klimaschutz hätte ich mir noch mehr gewünscht. Irgendwie ist das Leben jetzt nicht so richtig einfacher geworden.“
Auf jeden Fall wird sich auch sein Leben durch die Wahl grundlegend ändern. Der langjährige Parteivorsitzende und Noch-Fraktionsvorsitzende der Kasseler Grünen schaffte im zweiten Anlauf den Einzug in den Bundestag. Zwar mussten er und Tesfaiesus die Wahlkreise den SPD-Mitbewerbern überlassen, doch über Platz 8 und Platz 9 der grünen Landesliste sind sie im Bundestag drin.
So richtig könne er es noch nicht verstehen, räumt der 47-Jährige ein. „Aber jetzt gilt es, nach vorn zu schauen.“ In Berlin müsse er sich etwa ein Büro aufbauen, eine Unterkunft suchen und Leute beschäftigen. Die Referententätigkeit für den Europa-Abgeordneten Martin Häusling gebe er auf. Der habe ihn bereits am Sonntagabend „gefeuert“, berichtet Mijatovic.
Weitere Neuigkeiten aus der Politik und zur Bundestagswahl 2021 erhalten Sie mit unserem Politik-Newsletter.
Welche Aufgaben er in der Fraktion übernehmen werde, könne er noch nicht sagen. „Ich werde in Berlin gucken, in welchen Feldern ich mich bewegen kann.“ Auch nach Abgabe des Fraktionsvorsitzes und Stadtverordnetenmandats werde er weiter bei den Grünen in Kassel vertreten sein. „Wir können uns nach der Kommunal- und Bundestagswahl nur eine kurze Pause leisten, in eineinhalb Jahren steht schon die nächste Wahl an.“ Mijatovic meint die Oberbürgermeisterwahl 2023 in Kassel.
Auch Awet Tesfaiesus will sich nun in Berlin auf Wohnungs- oder Zimmersuche begeben. Thematisch würde sie sich gerne für den Bereich soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit einsetzen. Gefreut habe sie sich, dass die Grünen in Kassel bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD den Ausschuss und das Amt für Chancengleichheit durchsetzen konnten. Gerne wolle sie sich weiter für Menschen mit Migrationshintergrund einsetzen. „Da muss sich was tun.“
Das Abgeordnetenmandat begreift die 47-Jährige als „Fulltime-Job“. Deshalb führe sie auch ihre Rechtsanwaltskanzlei nicht weiter. Wird sie sich in Berlin stärker für ihren Wohnort Kassel oder eher für den Werra-Meißner-Kreis, in dem sie kandidierte, einsetzen? „Das kann man gar nicht auseinanderhalten“, betont Tesfaiesus. Ihre Themenbereiche seien ihr am wichtigsten. (Andreas Hermann)