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„Beispielloser Akt“: Warum Nordkoreas Diktator Kim Jong-un hier auf die Knie geht

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Von: Sven Hauberg

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Diktator Kim Jong-un kniet vor einem Grabstein.
Vergangene Woche veröffentlichte Nordkoreas Nachrichtenagentur KCNA dieses außergewöhnliche Foto von Diktator Kim Jong-un. © KCNA/AFP

Nordkoreas Diktator auf den Knien: Ein neues Foto zeigt Kim Jong-un in ungewohnter Pose. Trauert er nur – oder steckt mehr dahinter, wie ein Experte vermutet?

München – Kim Jong-un liebt es, sich selbst in Szene zu setzen. Das hat Nordkoreas Staatschef mit den meisten anderen Diktatoren gemeinsam. Am liebsten zeigt er sich zusammen mit dem Militär des Landes – mit den „einfachen Soldaten“, mit hochrangigen Generälen, sehr gerne auch mit den neuesten Errungenschaften der nordkoreanischen Waffenindustrie. Zuletzt sah man Kim zudem regelmäßig in Begleitung seiner Tochter Kim Ju-ae – Experten spekulieren bereits, ob die etwa 20 Jahre junge Frau als mögliche Nachfolgerin in Stellung gebracht werden soll.

In einer ganz besonders Fotoserie konnte man Kim Jong-un vor ein paar Jahren sogar hoch zu Ross betrachten – auf einem Schimmel ritt der Diktator im Winter 2019 durch verschneite nordkoreanische Landschaften. Was im Westen nicht selten für Häme sorgt, folgt einem genau durchdachten Plan: Durch die sorgfältige Inszenierung solcher Aufnahmen will Kim sich mal als zu allem entschlossener Staatsmann präsentieren, der sich aufopferungsvoll um sein Volk sorgt, mal als Vater, der sich treusorgend um Frau und Kinder kümmert.

Kim Jong-un auf den Knien: „Das erste Mal, dass die staatlichen Medien das zeigen“

Bisweilen lässt Kim sogar Szenen aus der jüngeren Geschichte seines Landes nachstellen. Da sieht man ihn etwa im Wald vor einem Lagerfeuer knien, umringt von Soldaten – ganz ähnliche Aufnahmen ließ bereits sein Großvater, Nordkoreas Staatsgründer Kim Il-sung, verbreiten. Die Botschaft: Kim Jong-un, der seinem Großvater auch optisch verblüffend ähnlich sieht, ist der legitime Nachfolger in Nordkoreas Erb-Diktatur.

Nun aber veröffentlichten Pjöngjangs Staatsmedien eine Handvoll Fotos, die der Korea-Experte Fyodor Tertitskiy von der Kookmin University in Seoul einen „beispiellosen Akt“ nennt: Auf den Bildern sieht man Kim Jong-un, wie er vor dem Grabstein des vor einem Jahr verstorbenen hochrangigen Militärs Hyon Chol-hae auf die Knie geht. „Es scheint das erste Mal zu sein, dass die staatlichen Medien zeigen, wie der Oberste Führer vor etwas oder jemandem kniet“, schreibt Tertitskiy in einem Beitrag für die Seite NK News. Ähnlich emotional sah man Kim nur bei der Beerdigung seines Vaters Kim Jong-il im Dezember 2011, als er weinend von Nordkoreas langjährigem Diktator Abschied nahm.

Welche Motive verfolgt Kim Jong-un mit dem Foto?

Hyon Chol-hae, Jahrgang 1934, war als Teenager während des Korea-Kriegs einer der Leibwächter von Staatsgründer Kim Il-sung und freundete sich damals mit dessen etwa sieben Jahre jüngeren Sohn Kim Jong-il an. In den folgenden Jahrzehnten machte er eine beispiellose Karriere im Militärapparat des Landes, immer eng an der Seite der Herrscherfamilie. Kurz vor seinem Tod wurde Hyon zum Marschall der Koreanischen Volksarmee befördert – „der höchste militärische Rang nach dem Anführer selbst“, so der Analyst Tertitskiy. Hyon soll zudem für die militärische Ausbildung von Diktator Kim Jong-un verantwortlich gewesen sein.

Dass Kim seinem ehemaligen Mentor nun derart symbolträchtig die Ehre erweist, könnte laut Tertitskiy aber nicht nur persönliche, sondern auch ganz pragmatische Gründe haben: Möglicherweise wolle sich Kim als jemand präsentieren, der das Erbe der ersten Generation von Nordkoreas Revolutionären weiterführt, so der Analyst.

Nordkorea rüstet massiv auf

Um seinen Machterhalt und den seiner Familie zu sichern, greift Kim aber auch zu deutlich handfesteren Mitteln als bloßer Propaganda: Er rüstet massiv auf. Seit seiner Machtübernahme 2011 ließ Kim vier Atomtests durchführen, ein weiterer könnte jederzeit folgen. Zudem ordnete Kim bereits mehr als 220 Raketentests an, zuletzt erprobte Nordkoreas Militär erstmals eine Feststoff-Interkontinentalrakete – ein klarer Verstoß gegen UN-Beschlüsse. Erst am Sonntag verlangte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch an der Grenze zwischen Süd- und Nordkorea ein Ende der Atom- und Raketentests des Kim-Regimes. „Diese ballistischen Tests müssen aufhören. Der Versuch, sich selber nuklear zu stärken, muss aufhören. Das ist eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Region.“ Zuvor hatten bereits die G7 bei ihrem Treffen im japanischen Hiroshima das Land zum vollständigen Verzicht auf Atomwaffen aufgefordert.

Seit Beginn der Corona-Pandemie ist das Land noch immer weitgehend vom Ausland abgeschottet. Die Folge sind Versorgungsengpässe bei lebensnotwendigen Gütern wie Nahrung und Treibstoff. Westliche Medienberichte, wonach Nordkorea am 10. Juni seine Grenze zu China öffnen will, wurden bislang nicht von offizieller Seite bestätigt.

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