Corona: Bild schiebt Karl Lauterbach falsche Aussage unter

Karl Lauterbach soll laut Bild eingeräumt haben, dass die Intensivstationen nie überlastet waren. Nur: Die falsche Aussage hat er nie getätigt.
Berlin – Das Ziel der Corona-Maßnahmen in Deutschland war es, eine Überlastung der Krankenhäuser im Allgemeinen, sowie der Intensivstationen im Besonderen zu verhindern, um eine Behandlung der Erkrankten zu gewährleisten. In den Hochphasen der Pandemie im Frühjahr und Herbst 2021 kamen zahlreiche Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen. Intensivmediziner warnten daher vor einem Anstieg der Fallzahlen.
Angesichts der Berichte sorgt eine angebliche Aussage von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beziehungsweise dessen Ministeriums gegenüber der Bild für Aufsehen. Die „Intensivstationen waren nie überlastet“ lautete die große Überschrift auf der Titelseite der Boulevardzeitung am Donnerstag (17.02.2022), der laut Medienmagazin Übermedien bereits am Mittwoch (16.02.2022) online stand.
Bild verbreitet vermeintliche Lauterbach-Aussage und sorgt für Empörung
In den sozialen Medien wurde der Bild-Artikel über die Auslastung der Intensivstationen vielfach geteilt und kommentiert. So heißt es in einem Tweet zum Artikel: „Genau dies war doch immer DIE Begründung für sämtliche ‚Maßnahmen‘! Die waren also völlig unwahr, wie vermutet!“ Ein anderer Twitter-Nutzer schreibt: „Und die Regierung wird trotzdem nicht aufhören, das Volk zu betrügen.“ Auch der wegen der Verbreitung von Desinformationen kritisierte russische Sender RT Deutsch stürzte sich laut Übermedien auf das Thema und titelte „Lauterbach räumt ein: Intensivstationen waren nie überlastet“.
Bild beließ es jedoch nicht bei dem Artikel, sondern schlachtete das Thema weiter aus. „Horror-Szenarien traten nicht ein – Die Lauterbach-Wende bei den Intensivstationen!“, lautet der Titel eines weiteren Textes, der laut Übermedien kaum Unterschiede zum ersten Artikel aufweist. Auch „Bild Live“-Chef Claus Strunz griff das Thema auf. „Auf eine Anfrage hat das Ministerium geantwortet: ‚Die Intensivstationen in Deutschland waren nie überlastet“, erklärte Strunz. Dann wiederholte er, was vielfach von Lesern des Boulevardblattes geäußert wurde: „Was? Ich dachte, das ist der Grund für diese Maßnahmen.“ Dann wiederholte er die Behauptung: „Nein, sie waren nie überlastet.“
Karl Lauterbach: Bild verzerrt Antwort seines Ministeriums zur Lage auf den Intensivstationen
Was Claus Strunz nicht erwähnt, und was weder im Titel noch im Vorspann der Bild-Artikel zu finden ist: Die vermeintliche Aussage ist unvollständig. Wer jedoch hinter die Bezahlschranke schaut, findet die gesamte Antwort des Gesundheitsministeriums, also nicht Karl Lauterbachs selbst, auf eine Anfrage des FDP-Politikers Wolfgang Kubicki: „Eine deutschlandweite, regional gleichzeitige Überlastung aller verfügbaren ITS-Kapazitäten, die eine systemische Unterversorgung von intensivpflichtigen COVID-19-Fällen oder deren strategische Verlegung ins Ausland bedeutet hätte, trat nicht ein.“
Das Gesundheitsministerium erklärt also nicht, dass die Intensivstationen nie überlastet waren, denn das war im Frühjahr und im Herbst der Fall, als die Bundeswehr Intensivpatienten verlegen musste. Auch die Bild räumt – zumindest hinter der Bezahlschranke – ein, dass Patienten verlegt werden mussten und bis zu 70 Prozent der Kliniken wegen personeller Engpässe eingeschränkten Betrieb meldeten.
Bild weist Vorwurf der Desinformation nach angeblicher Lauterbach-Aussage zurück
Die Bild erkennt jedoch keine Fehler. Die Überschrift lege nicht nahe, dass Lauterbach „diese Aussage getroffen“ habe. Sehr wohl lege der Artikel nahe, dass die Aussage Karl Lauterbach zuzuordnen ist, zitiert das Medienmagazin Übermedien eine Antwort der Bild. Begründet wird die Ansicht dadurch, dass die Antwort aus einem Schreiben aus Lauterbachs Ministerium komme.
Auch die Überschrift verfälscht laut Antwort der Bild auf die Fragen der Übermedien-Redaktion die Aussage nicht. Das vollständige Zitat werde explizit wiedergegeben und es werde im Artikel klar benannt, dass regional Patienten verlegt wurden und Operationen von Patienten mit anderen Erkrankungen zeitweise verschoben werden mussten, lautet die Erklärung der Bild gegenüber Übermedien. Als Reaktion auf die den Inhalt der Aussage stark verzerrende Überschrift folgte in den sozialen Medien häufig der Vorwurf der Desinformation gegenüber der Bild. (ms)