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Corona-Fehler Schulschließungen: Lauterbach verweist auf die Wissenschaft – doch so einfach ist es nicht

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Von: Sebastian Horsch

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Von links: Christian Drosten, Lothar Wieler und Karl Lauterbach in einer Bundespressekonferenz im Januar 2022 in Berlin.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (vorne) bei einer Pressekonferenz mit Lothar Wieler (Archivbild). © Stefan Boness/Ipon/Imago

In der Corona-Pandemie waren Schulen und Kitas lange geschlossen. Aus heutiger Sicht ein Fehler, sagt Karl Lauterbach. Doch die Wissenschaft habe eben dazu geraten.

München/Berlin – Karl Lauterbach kennt beide Seiten. Der heutige Bundesgesundheitsminister ist schon lange Politiker. Aber bevor er Ende 2021 ins Kabinett von Olaf Scholz rückte, war er vor allem als Coronavirus-Experte gefragt. In dieser Funktion saß der eigenwillige Rheinländer von der SPD in den ersten beiden Pandemie-Jahren so oft in der ZDF-Talkrunde von Markus Lanz, dass manche schon scherzhaft mutmaßten, Lanz sei eigentlich in Lauterbachs Sendung zu Gast. Auch um die zeitweise geschlossenen Schulen ging es in diesen Runden, wie Merkur.de berichtet. „Ich bleibe dabei: Wir hätten die guten Erfolge mit den vergleichsweise niedrigen Todesfällen ohne die Schulschließungen nicht hinbekommen“, sagte Lauterbach zum Beispiel in einer Lanz-Sendung im Sommer 2020.

Heute sagt er hingegen, es habe etwa bei der Reduzierung von Kontakten einen falschen Schwerpunkt gegeben. Andere Länder hätten die Kontakte in Unternehmen stark heruntergefahren, Deutschland habe „bei den Kindern, insbesondere bei den Kita-Kindern und bei den Schulkindern“ angesetzt. Das solle man so nicht wiederholen, damals sei aufgrund der Studienlage aber nicht so klar gewesen, wie ansteckend Kinder seien. Und Experten aus der Wissenschaft hätten eben dazu geraten – so stellt es Lauterbach dar.

„Schulschließungen können sinnvoll sein, wenn man Hygiene-Maßnahmen nicht gewährleisten kann“

Doch so eindeutig, wie Lauterbach sagt, war es nicht. „Wir haben immer Empfehlungen abgegeben, mit denen man den Betrieb in Schulen und Kitas hätte laufen lassen können, wenn auch unter Anstrengung“, sagte jüngst Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), der Zeit.

Tatsächlich hieß es bereits im Herbst des ersten Corona-Jahres 2020 vom RKI: „Es ist wichtig, diese Einrichtungen durch Einhalten von Hygienekonzepten weiter offen zu halten.“ Und schon bevor Mitte März 2020 die meisten Schulen und Kitas bundesweit fast flächendeckend dichtmachten, erklärten Forscher wie die Virologin Ulrike Protzer von der Technischen Universität und vom Helmholtz Zentrum München einschränkend: „Schulschließungen können sinnvoll sein, wenn man Hygiene-Maßnahmen nicht gewährleisten kann.“

Auch der Berliner Charité-Virologe Christian Drosten, der immer wieder auch persönlich für die Corona-Politik der Bundesregierung verantwortlich gemacht wird, sah Maßnahmen in Sachen Schule und Kita frühzeitig differenziert. Einen Tag nachdem die meisten Bundesländer erstmals Schulschließungen festlegten, sagte er im NDR-Podcast „Coronavirus Update“ vom 13. März 2020: Es gebe „natürlich Unsicherheiten, auch vom wissenschaftlichen Hintergrund her“. Die Politik möge Entscheidungen „an die lokalen Gegebenheiten“ anpassen – „auch mit Leuten, die sich mit Schule auskennen, mit Sozialstrukturen und so weiter“. Später im Jahr stellte Drosten noch einmal klar: „Mitte März ist nicht von der wissenschaftlichen Seite, wo ich auch dazugehörte, empfohlen worden, die Schulen zu schließen.“ Es sei vielmehr ein regionaler Ansatz empfohlen worden.

Und im Münchner Merkur legte der Münchner LMU-Statistik-Professor Göran Kauermann im Frühjahr 2021 dar, warum er die Schulschließungen in Bayern sogar für kontraproduktiv hielt: Denn wenn dort verpflichtend und dicht getestet werde, trügen offene Schulen zur Pandemiebekämpfung bei.

Holetschek: „Die Schließung von Kindergärten und Schulen würde ich so nicht wiederholen“

„Die Schließung von Kindergärten und Schulen würde ich so nicht wiederholen“, sagt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) unserer Zeitung. Die Maßnahmen seien zu sehr zu Lasten der Kinder und Jugendlichen gegangen. Doch man habe damals schnell entscheiden müssen und immer nur den aktuellen Wissensstand heranziehen können. Der Anspruch sei gewesen, Leben zu retten. „Nun, hinterher, sind wir alle klüger“, sagt Holetschek.

Den von Lauterbach geäußerten Vorwurf, besonders in Bayern sei vieles getan worden, „was nicht wissenschaftlich gesichert war“, weist Holetschek aber scharf zurück: „Lauterbach sollte aufpassen, dass er sich nicht völlig lächerlich macht.“ Gerade Bayern habe früh begonnen, an den Schulen zu testen, um Präsenzunterricht gewährleisten zu können. Aus diesen Erfahrungen seien dann nach den Sommerferien 2021 Pooltestungen eingeführt worden. „Die Bundesregierung hat hier außer praxisfernen Belehrungen und zu geringer Refinanzierung über die Test-Verordnung nichts beigetragen“, sagt Holetschek.

Sebastian Horsch, Sebastian Fischer

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