Impf-Skandal von Halle: Polizei durchsucht Büroräume des Oberbürgermeisters - Konsequenzen drohen

Der OB von Halle wurde früher als geplant geimpft. Auch für die Impfung anderer nicht berechtigter Menschen soll er gesorgt haben. Stadträte fordern Konsequenzen.
Update vom 23. Februar, 13.27: Mehrere Stadträte wollen Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) nach dessen vorzeitiger Corona-Impfung die Dienstgeschäfte verbieten. Eine entsprechende Sondersitzung sei für den 15. März einberufen worden, teilte die Stadtratsvorsitzende Katja Müller (Linke) laut dpa mit. Die Einberufung der Sitzung sei von der Mehrheit der Stadträte unterstützt worden.
Beamten kann nach dem Beamtenstatusgesetz „aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden“. Ein zwingender Grund könnte beispielsweise Verdunklungsgefahr bei der Aufklärung der Impfaffäre sein. Dieses Verbot gilt maximal für drei Monate und erlischt wenn bis dato kein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges Verfahren, das auf die Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtet ist, eingeleitet wurde.
Wiegand hatte vor mehr als zwei Wochen eingeräumt, geimpft worden zu sein, obwohl er nach der Impfreihenfolge der Ständigen Impfkommission noch nicht an der Reihe gewesen wäre. Außerdem seien mehrere Stadträte und Mitglieder des Katastrophenstabs geimpft worden. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen Wiegand richtet sich im Kern nicht gegen dessen Impfung. Stattdessen soll der OB dafür gesorgt haben, dass andere Menschen, die noch nicht dazu berechtigt waren, geimpft wurden. Am Montag durchsuchte die Polizei die Diensträume Wiegands (siehe Erstmeldung). Im April erscheint es einen wichtigen Zwischenbericht der Staatsanwaltschaft.
Halle: Diensträume von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) durchsucht
Erstmeldung vom 22. Februar: Halle - In der Affäre um vorzeitige Corona-Impfungen hat die Staatsanwaltschaft in Halle an der Saale die Diensträume von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) durchsuchen lassen. Wiegand sei verdächtig, dafür gesorgt zu haben, dass er und andere unter Missachtung der Impfreihenfolge bereits geimpft wurden, teilten die Ermittler am Montag mit. Es liege womöglich der Straftatbestand der veruntreuenden Unterschlagung vor.
Wiegand hatte eingeräumt, bereits eine Impfung gegen das Coronavirus erhalten zu haben, obwohl er noch nicht an der Reihe war. Auch mehrere Stadträte in Halle wurden bereits geimpft. Die vorzeitigen Impfungen begründete der Oberbürgermeister damit, dass übrig gebliebene Impfdosen vor dem Wegwerfen bewahrt werden sollten.
OB von Halle: Wiegands Büroräume, Gesundheitsamt und Impfzentrum durchsucht
Die Staatsanwaltschaft erklärte hingegen, auch Impfreste dürften nur in der bundesweit rechtlich festgelegten Reihenfolge verimpft werden. Dies betreffe zunächst Bevölkerungsgruppen mit dem Risiko für besonders schwere oder gar tödliche Verläufe einer Coronavirus-Infektion. Wiegand selbst war am Montag auf dpa-Anfrage zunächst nicht zu erreichen.
Die Durchsuchung dauerte den Ermittlern zufolge am frühen Montagnachmittag noch an und umfasste Wiegands Büro, die Diensträume des städtischen Gesundheitsamts sowie des Impfzentrums. Ziel sei die Beschlagnahmung von Beweismitteln zur Aufklärung des bislang nur in Teilen öffentlich bekannten Sachverhalts, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Corona: Diziplinarverfahren gegen Wiegand und zwei Landräte eingeleitet
Nach Angaben der Justizbehörde liegt bisher ein Anfangsverdacht einer Straftat vor. Die Durchsuchung bedeute keine Vorverurteilung, es gelte die Unschuldsvermutung.
In einem Presseschreiben wurde die Staatsanwaltschaft dennoch deutlich. Der Stadt Halle und damit Wiegand als deren Hauptverwaltungsbeamten sei der Impfstoff* nur anvertraut worden. Der Impfstoff gehöre ihm nicht und unterliege den rechtlichen Vorgaben der Corona-Virus-Impfverordnung.
Corona-Impfung: 585 Verstöße gegen das Priorisierungsverfahren?
Nach den Vorwürfen im Zusammenhang mit den Coronavirus-Impfungen hatte das Landesverwaltungsamt in Sachsen-Anhalt bereits in der vergangenen Woche ein Diziplinarverfahren gegen Wiegand und zwei Landräte eingeleitet. Geprüft werden mögliche Dienstvergehen aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Einhaltung der Impfabfolge.
Wie die Landesbehörde am Freitag weiter mitteilte, soll der Oberbürgermeister zudem „mit wahrheitswidrigen Aussagen“ beamtenrechtliche Pflichten verletzt haben. Insgesamt soll es demnach in mindestens 585 Fällen zu einem Verstoß gegen die Priorisierungsvorgaben gekommen sein.
Wiegand uneinsichtig: „Sachgerecht und mit der Corona-Impfverordnung vereinbar“
Wiegand wies am Wochenende in einer Erklärung erneut alle Vorwürfe zurück. Es sei „sachgerecht und mit der Corona-Impfverordnung vereinbar“, dass Menschen, die für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen einen Schlüsselstellung einnähmen, ein Impfangebot erhalten, wenn es um übrig gebliebene Spritzen gehe und niemand mehr mit der höchsten Priorität erreicht werden könne, erklärte er.
Halles Oberbürgermeister war nach eigenen Angaben im Januar zu Hause angerufen worden, da niemand anderes zu dem Zeitpunkt für eine spontane Impfung verfügbar gewesen sei. Wiegand hatte seine Impfung nicht sofort, sondern erst Anfang Februar öffentlich gemacht, ebenso die Impfung von Mitgliedern des Katastrophenschutzstabs und von Stadträten.
Corona-Impfungen: Wiegand verteidigt sich
In der Stadt Halle erhielten nach Angaben von Wiegand insgesamt 29 Mitglieder des Katastrophenstabs und Stadträte ein solches Angebot. Zugleich warf Wiegand Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD)* Versäumnisse vor, weil sie bislang den Umgang mit Impfstoffresten nicht geregelt habe.
„Unser Vorgehen jetzt für rechtswidrig zu erklären und öffentlich anzuprangern, ist schlicht ein Wegducken, indem die Verantwortung auf andere geschoben wird“, kritisierte Wiegand in seiner Erklärung vom Sonntag. Er ist seit 2012 Oberbürgermeister in Halle. (AFP/dpa) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.
„Impf-Vordrängler“ müssen wohl keine Strafen fürchten*. Gesundheitsminister Spahn reagiert auf die Vorwürfe.