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Wegen Null Covid: Millionen Tote in China befürchtet

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Von: Lukas Zigo

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Chinesische Forscher zeigen in einer Studie die Gefahren und Auswirkungen der Null-Covid-Strategie. China ist ein Opfer seines eigenen Erfolges.

Shanghai – Die chinesische Regierung praktiziert eine Null-Covid-Strategie mit wochenlangen Lockdowns. Der Preis ist laut Schätzungen chinesischer Wissenschaftler hoch. Demzufolge könnte eine vollständige Aufhebung der Null-Covid-Strategie eine „Tsunami“-Welle von Infektionen mit 1,55 Millionen Toten auslösen.

Laut ihrer Studie im Wissenschaftsmagazin Nature Medicine könnte es innerhalb von sechs Monaten 112 Millionen symptomatische Ansteckungen geben. Die Intensivstationen würden überrollt: Der Bedarf wäre 15,6 Mal höher als die Kapazität. Obwohl 91 Prozent des Milliardenvolkes geimpft und 53 Prozent auch geboostert sind, könnten Ausbrüche nicht verhindert werden.

Corona in China: Null-Covid-Strategie führt zu Unmut in der Bevölkerung

Die Omikron-Variante habe demnach im schlimmsten Fall das Potenzial, 5,1 Millionen Menschen in Krankenhäusern behandeln zu müssen. 2,7 Millionen Patienten kämen potenziell auf Intensivstationen, schreiben die Autoren um Hongjie Yu, die vor allem an der Fudan-Universität in Shanghai, aber auch in den USA forschen. Die meisten Toten seien aufgrund der Altersunterschiede bei der Impfabdeckung ungeimpfte Menschen über 60 Jahre.

Coronavirus - China
Ein Arbeiter hält Wache in der Nähe der Barrikaden, die für COVID-19-Tests in einer Testanlage errichtet wurden, nachdem die Behörden in Peking eine dritte Runde von drei aufeinanderfolgenden Coronavirus-Tests für Bewohner des Chaoyang-Bezirks angeordnet hatten. © Andy Wong/dpa

Zwar stützen die Wissenschaftler die umstrittene Corona-Politik der Pekinger Führung, umreißen aber auch das Dilemma, indem sich China befindet, und zeigen mögliche Auswege auf. Der Unmut im Land angesichts der harten Maßnahmen wächst. Zehntausende stecken in Quarantäne-Lagern unter teil schwierigen Bedingungen, bei Nahrungsmittellieferungen hapert es - und die medizinische Versorgung ist eingeschränkt.

Shanghai: Warentransport am Größen Hafen der Welt zusammengebrochen

Doch damit nicht genug: Bei Bränden kommen Feuerwehrautos nicht durch Absperrungen. Der Frachtverkehr über den größten Hafen der Welt in Shanghai ist eingebrochen, weil schon Lastwagen fehlen. Lieferketten sind unterbrochen. Die meisten der 26 Millionen Bewohner der Hafenmetropole Shanghai sowie zig Millionen in andern Metropolen vor allem im Nordosten Chinas sind seit mehr als einem Monat im Lockdown.

Nun steht China vor einem hausgemachten Problem. Nach zwei Jahren weitgehend erfolgreicher Virus-Bekämpfung und Abschottung wird das Land heute Opfer seines eigenen Erfolges, da es keinerlei Durchseuchung gibt. „Fehlender Impfschutz und Abwesenheit des Virus lassen die chinesische Bevölkerung ähnlich dastehen wie die gesamte Weltbevölkerung Beginn der Pandemie“, sagt Timo Ulrichs, Experte für globale Gesundheit an der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften Berlin, der dpa.

„Die Null-Covid-Strategie lässt sich angesichts der sehr hohen Infektiösität der Omikron-Variante nur noch mit immer strikteren Maßnahmen aufrechterhalten“, so Ulrichs weiter. „Die Frage bleibt: ‚Was kommt danach?‘“

Corona-Virus: China sollte „eigenen Weg für den Übergang“ entwerfen

Die Forscher um Hongjie Yu zeigen aber auch auf, wie die Zahl der Toten und Erkrankten bei einer angepassten Strategie reduziert werden könnte. Dabei spielten Impfungen, darunter Booster-Kampagnen für ältere Menschen über 60, sowie zusätzliche antivirale Therapien und Kontaktbeschränkungen eine „Schlüsselrolle“. Es müsse eine Kombination geben, weil keiner der Vorschläge allein in der Lage wäre, die Todeszahl auf das Niveau der üblichen Grippewellen (88.000 Tote) zu drücken.

„Ob oder wie lange eine Null-Covid-Strategie aufrechterhalten werden kann, ist fraglich“, schreiben die Autoren der neuen Studie. Alle Nationen sollten sich, wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen, darauf vorbereiten, „einen eigenen Weg für den Übergang von einer Pandemie zu einer endemischen Phase zu entwerfen“.

Corona-Virus: Chinesische Vakzine „scheinen keine ausreichende Immunität zu erzeugen“

Wegen der ansteckenderen Virus-Varianten sei im August 2021 eine „dynamisch“ genannte, etwas gezieltere Null-Covid-Strategie ergriffen worden. Nun debattiere China, wie lange noch so vorgegangen werden könne, meinen die Autoren. So verlagerte sich die Debatte auf Eindämmungsstrategien, wie Belastungen für das Gesundheitssystem reduziert werden könnten. Strategien müssten aufgrund der großen Unterschiede im Land aber auch regional anders zugeschnitten werden.

Die Befürchtung, dass unmittelbar nach einer vorsichtigen Öffnung in China eine Überlastung des Gesundheitswesens erfolgen würde, teile er nicht, sagt Ulrichs. „Da käme es ganz auf die richtige Strategie an, und für die gibt es gute Vorbilder in anderen Ländern.“ China wäre es zu empfehlen, „mit behutsamen Öffnungen das Virus ins Land zu lassen“. Gleichzeitig sollte flächendeckend mit den vier im Westen zugelassenen Impfstoffen geimpft werden. Die chinesischen Vakzine „scheinen keine ausreichende Immunität zu erzeugen“. (lz/dpa)

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