Forsa-Chef Güllner: „Die Grünen bleiben Klientelpartei“

Kassel. Erstmals seit ihrer Gründung haben die Grünen die SPD in einer Umfrage eingeholt (je 24 Prozent). Wir sprachen mit Forsa-Chef Manfred Güllner über den Höhenflug.
Haben Sie Erkenntnisse, aus welchen politischen Lagern die Grünen derzeit diesen großen Zulauf haben?
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Manfred Güllner: Es sind zum einen die alten Stammwähler der Grünen, werteorietiert und postmaterialistisch ausgerichtet, die sich in großem Maße zu den Grünen bekennen. Und zum anderen frühere SPD-Wähler, die lange Vorbehalte gegen Grünen-Politiker wie Jürgen Trittin hatten, der heute geradezu staatsmännisch auftritt. Diese Wähler haben gesehen, wie sich die SPD in Hessen - Stichwort Andrea Ypsilanti - ruiniert hat. Sie sind noch keine Stammwähler der Grünen, sondern parken dort erst einmal.
Zur Person
Prof. Dr. Manfred Güllner (68), in Remscheid geboren, in Bad Arolsen aufgewachsen, gründete 1984 das Meinungsforschungsinstitut Forsa, dessen Geschäftsführer er ist. Güllner ist verheiratet und lebt in Berlin.
Was macht die Grünen derzeit so attraktiv?
Güllner: Sie wirken seriös und solide. Es gibt keinen großen innerparteilichen Streit mehr, es fliegen keine Farbbeutel auf Parteitagen. Die andere große Oppositionspartei, die SPD, kümmert sich dagegen derzeit um Thilo Sarrazin und AKW-Laufzeiten - aber die zehn Millionen Wähler, die der SPD seit 1998 den Rücken gekehrt haben, interessieren sich viel mehr für Renten, Arbeitsplätze und Armutsgefahren als für Kernenergiefragen.
Kann man den Zulauf zu den Grünen als einen Schritt zur Volkspartei werten?
Güllner: Nein, die Grünen bleiben trotz des starken Zustroms eine Klientelpartei für die höheren Bildungs- und Einkommensschichten, derzeit viel mehr noch als die FDP. 40 Prozent der Beamten im höheren Dienst sprechen sich inzwischen für die Grünen aus. Die Anhängerschaft einer Volkspartei ist breiter aufgestellt.
Von Wolfgang Blieffert