Merkels mauer Gipfel: Können so wirklich Fahrverbote verhindert werden?

Mit einem neuen Diesel-Gipfel wollte Angela Merkel Fahrverbote verhindern. Das Ergebnis mutet allerdings mau an - Experten melden schon jetzt Zweifel an. Denkbar also, dass Diesel-Autos vielerorts bald draußen bleiben müssen.
Berlin/München - Das Wortspiel liegt auf der Hand: „Viel Rauch um nichts.“ Vertreter von Kommunen und Ländern hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag in Berlin zusammengetrommelt. Das Ziel war klar - Diesel-Fahrverbote in Großstädten verhindern. Und die Zeit drängt, denn das Problem treibt langsam wilde Blüten: Vergangene Woche beantragte die Deutsche Umwelthilfe sogar schon Zwangsgeld oder Zwangshaft gegen Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) - weil der Freistaat sich weigert, Fahrverbote vorzubereiten.
Dass die Lösung mit dem Verhandlungs-Ergebnis gefunden ist, scheint allerdings ziemlich fraglich. Denn nach einem großen Wurf klingt es nicht. Gelder aus einem schon bestehenden Milliarden-Programm sollen mithilfe von „Lotsen“ schneller an die Kommunen fließen. „Ab Morgen stehen Mittel zur Verfügung“, sagte Merkel nach dem Treffen. Zudem soll der Fonds „verstetigt“ werden, kündigte sie an. Kleines Aber: Dies gelte wenn sich die künftige Regierungskoalition darauf einigen kann. Sie wolle dies einbringen in die Verhandlungen, sagte Merkel.
Wenig Neues - retten Elektro-Busse den Diesel?
Eigentlich wurde also nur bereits Beschlossenes beschleunigt: Viele Kommunen stünden in den Startlöchern, seien aber zur „Untätigkeit“ verdammt, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg vor dem Treffen. „Es ist mehr als ärgerlich, dass wir hier Zeit damit verspielen, eine Förderbürokratie aufzubauen.“ Das Warten auf das Geld könnte sich nun immerhin verkürzen.
Auch wofür die Gelder bei den Städten und Gemeinden verwendet werden sollen ist schon klar. 350 Millionen Euro sind für die Elektrifizierung des Verkehrs vorgesehen, zum Beispiel um Elektro-Busse anzuschaffen, schreibt die Bild. Mit 150 Millionen Euro sollen demnach Diesel-Busse nachgerüstet werden, maximal 500 Millionen Euro gibt es für digitale Parkleit- und Fahrgastinformationssysteme.
Gerichtsverfahren laufen trotzdem weiter - sogar Hendricks ist skeptisch
Aber kann das tatsächlich reichen, um die Schadstoffwerte in den Innenstädten soweit zu senken, dass Fahrverbote vom Tisch sind? Experten und Umweltschützer sind skeptisch. „Die Bundesregierung ignoriert weiterhin die Dimension des Problems. Eine Ölpest lässt sich auch nicht bekämpfen, indem man Fingerhüte ausgibt“, sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Marion Tiemann am Dienstag.
Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte nach dem Treffen ganz offen, es gehöre "zur Ehrlichkeit dazu, zu sagen, dass die beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichen, um das Problem zu lösen". Sie seien aber ein "wichtiger Baustein auf dem Weg zur Lösung des Problems".
Und in der Tat drängt die Zeit. Denn damit die Luft besser wird, könnten Gerichte Fahrverbote erzwingen. Das Verwaltungsgericht Stuttgart sah das zum Beispiel so. Schon Anfang 2018 werden zudem wegweisende Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts erwartet. So geht es am 22. Februar in einer mündlichen Verhandlung um ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf. Dieses hatte die Bezirksregierung verurteilt, den Luftreinhalteplan so zu ändern, dass Grenzwerte eingehalten werden.
Eine Lösung bestenfalls für einige Städte
Schon nach dem ersten Dieselgipfel hatte das Umweltbundesamt berechnet, dass die Luft in fast 70 Städten wohl auch nach Umsetzung der beschlossenen Schritte schmutziger bleibt als erlaubt. Der Düsseldorfer Bezirksregierung schwant etwa, selbst mit einem Diesel-Fahrverbot würde ein Einhalten der Grenzwerte schwer. Dafür würden weitere Maßnahmen gebraucht.
Die Deutsche Umwelthilfe schätzt hingegen, dass immerhin in 20 bis 25 Städten mit Projekten für eine bessere Luftqualität Fahrverbote vermieden werden könnten. Das sind Städte, in denen die Grenzwerte nur wenig überschritten werden. „Die anderen brauchen weitergehende Lösungen, da werden Nachrüstungen etwa von Bussen nicht reichen“, sagte der Geschäftsführer der Umwelthilfe, Jürgen Resch. Der Verband selbst hat viele Klagen eingereicht, damit Luftreinhaltepläne eingehalten werden.
Das Geld ist noch nicht mal komplett eingesammelt
Und dann ist da noch die Crux mit dem Geld. Denn die zu verteilende Milliarde Euro ist noch nicht einmal vollständig eingetrieben. So soll sich die Autoindustrie mit 250 Millionen Euro beteiligen. Wie viel die Hersteller zahlen, richtet sich nach ihrem Diesel-Marktanteil. Bisher haben aber nur der Volkswagen-Konzern, Mercedes und BMW Geld zugesagt. Den Löwenanteil als Diesel-Branchenprimus zahlt Volkswagen mit rund 100 Millionen. Ausländische Hersteller wollen bisher nicht mitmachen. Da ihr Diesel-Marktanteil aber bei rund 35 Prozent liegt, kommen bisher nur rund 160 bis 170 Millionen Euro zusammen. Bleibt eine Lücke von 80 bis 90 Millionen Euro. Eigentlich will die Bundesregierung die Autohersteller stärker in die Pflicht nehmen.
Lesen Sie auch: Umfrage - das halten die Deutschen von Diesel-Fahrverboten
fn/dpa/AFP