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Neuer Verteidigungspakt: USA wollen Chinas Einfluss im Pazifik zurückdrängen

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Von: Sven Hauberg

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James Marape, Premierminister von Papua-Neuguinea, und US-Außenminister Antony Blinken am Montag in Port Moresby.
James Marape, Premierminister von Papua-Neuguinea, und US-Außenminister Antony Blinken am Montag in Port Moresby. © Adek Berry/AFP

Eigentlich wurde Joe Biden in Papua-Neuguinea erwartet, dann aber kam nur sein Außenminister. Dem Pazifikstaat kommt im Wettstreit zwischen den USA und China eine Schlüsselrolle zu.

München/Port Moresby – Der Schuldenstreit, der Washington derzeit lähmt, hat ein unerwartetes Opfer: die Glaubwürdigkeit der USA im Südpazifik. Eigentlich sollte Joe Biden am vergangenen Montag zu einem Staatsbesuch in Papua-Neuguinea eintreffen, als erster US-Präsident überhaupt. Geplant war zwar nur ein Zwischenstopp auf dem Weg vom G7-Gipfel in Hiroshima zu einem Treffen mit Australiens Ministerpräsident Albanese in Sydney. Und doch verbanden viele Beobachter den Besuch mit der Hoffnung, die USA würden sich nach Jahren der Abwesenheit wieder verstärkt in jener Region engagieren, in der auch China zunehmend versucht, Bündnisse zu schließen. Doch statt Biden landete in der Hauptstadt Port Moresby lediglich sein Außenminister Antony Blinken, der Präsident selbst flog von Hiroshima aus direkt zurück nach Washington – eben wegen jenes Disputs über die Schuldenobergrenze der USA.

In Port Moresby traf Blinken am Montag (22. Mai) mit mehreren Staatschefs der Region zusammen. Einer von ihnen, der Premierminister der Cookinseln Mark Brown, hatte Bidens Absage im Vorfeld als „Enttäuschung“ bezeichnet. Im Interview mit der BBC wies Brown zudem darauf hin, dass viele pazifische Inselstaaten „gute diplomatische Beziehungen mit China“ hätten – Peking fülle „eine Lücke“, so der Politiker, der auch Vorsitzender der Regionalorganisation Pacific Islands Forum ist.

Es geht um ein Gebiet, in dem nur ein paar Dutzend Millionen Menschen leben, das sich aber über Tausende Kilometer und unzählige Inseln östlich von Australien erstreckt, bis hin an die Westküste der USA. Rund 20 Prozent der weltweiten Meeresfläche werden von den Regierungen der 15 unabhängigen Inselstaaten, die im Pacific Islands Forum organisiert sind, kontrolliert.

USA und China ringen um Einfluss im Pazifik

Washington betrachtet die Region als seine natürliche Einflusssphäre, nicht zuletzt, weil hier das US-Außengebiet Guam liegt sowie mehrere andere Inselstaaten, die historisch und politisch eng mit den USA verbunden sind. Gleichzeitig streckt China seit einigen Jahren seine Fühler in Richtung Südpazifik aus. Während man etwa in Papua-Neuguinea weiter auf einen Besuch des US-Präsidenten warten muss, war Chinas Präsident Xi Jinping längst da: Bereits im November 2018 besuchte Xi den Zehn-Millionen-Einwohner-Staat, als erster Staatschef seines Landes.

Papua-Neuguinea steht, wie überhaupt die ganze Südpazifik-Region, im Zentrum des globalen Wettstreits zwischen Washington und Peking. Es geht dabei um Rohstoffe (etwa Flüssigerdgas), vor allem aber um Geopolitik. Mit Entsetzen hat man im vergangenen Jahr in Washington beobachtet, wie Peking ein Sicherheitsabkommen mit den Salomonen geschlossen hat, dem Nachbarstaat von Papua-Neuguinea. Was genau in dem Abkommen steht, ist geheim. Kritiker befürchten aber, dass China eine Marinebasis in dem Land eröffnen könnte. Peking und die dortige Regierung weisen das zurück, allerdings erlauben die Salomonen der US-Navy seit der Annäherung mit China nicht mehr, in ihre Hoheitsgewässer einzufahren.

USA und Papua-Neuguinea unterzeichnen Verteidigungspakt

„Wir haben uns manchmal wie ein Überflugland gefühlt“, musste sich noch im vergangenen Jahr US-Außenminister Antony Blinken vom damaligen Premierminister der Fidschi-Inseln anhören. „Kleine Punkte, die von den Flugzeugfenstern der führenden Politiker auf dem Weg zu Treffen gesehen wurden, wo sie eher über uns als mit uns sprachen, wenn sie überhaupt von uns sprachen.“ Um diesem Eindruck entgegenzuwirken, eröffnen die USA derzeit wieder Botschaften in der Region – zuletzt auf den Salomonen und auf Tonga, bald auch auf Kiribati und Vanuatu. Dass Joe Biden, nach sechs Monaten Vorbereitungszeit, nun aber nicht nach Papua-Neuguinea flog, dürfte manchen einen daran zweifeln lassen, wie ernst es die USA wirklich meinen.

In Port Moresby unterzeichneten US-Außenminister Blinken und Papua-Neuguineas Premierminister James Marape am Montag jedenfalls einen Verteidigungspakt. Das Abkommen werde es den Streitkräften beider Länder „erleichtern, im Rahmen unserer gemeinsamen Bemühungen um die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit im gesamten indopazifischen Raum auf neue Weise und an mehr Orten gemeinsam zu trainieren“, sagte Blinken. Noch ist nicht bekannt, was genau in dem Text steht, der erst nach Inkrafttreten veröffentlicht werden soll; Berichten zufolge wird US-Streitkräften aber Zugang zu den Häfen und Flughäfen des Pazifikstaates gewährt. Die Regierung in Port Moresby machte allerdings klar, dass sie auch in Zukunft weiter mit China zusammenarbeiten wolle.

China hat in der Region längst Fakten geschaffen

Denn während Washington die Region gerade erst wiederentdeckt, hat Peking längst Fakten geschaffen. In Port Moresby etwa planierten chinesische Baufirmen 2018 die sechsspurige „Independence Avenue“, die das Parlament des Landes mit dem Zentrum der Hauptstadt verbindet. Auch ein Konferenzzentrum entstand mit chinesischer Hilfe, zudem Wasserkraftwerke, Krankenhäuser und Schulgebäude, die „zu neuen Wahrzeichen in ganz Papua-Neuguinea geworden sind“, wie Xi Jinping anlässlich seines Staatsbesuchs jubelte. 2022 lag das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern bei mehr als 5,2 Milliarden US-Dollar, zwischen Papua-Neuguinea und den USA hingegen bei nur rund 1,6 Milliarden.

So ging das viele Jahre, auch in anderen südpazifischen Inselstaaten: Aus Washington gab es, wenn überhaupt, mahnende Worte, sich dem Einfluss der Chinesen nicht auszuliefern und lieber auf einen demokratischen Partner zu setzen. Peking hingegen schuf Fakten aus Beton und Zement, wenn auch bisweilen mit undurchsichtigen Krediten und begleitet von Korruption. Die USA müssen also einen beachtlichen Rückstand aufholen, wollen sie die Region nicht an Peking verloren geben. „Im vergangenen Jahr haben die Vereinigten Staaten genau zugehört, wir haben Ihnen zugehört“, versicherte Blinken nun den Regierungschefs des Pacific Islands Forum und verwies auf ein Treffen der Politiker mit Biden im vergangenen Jahr in den USA. Zudem stellte er Finanzhilfen in Milliardenhöhe in Aussicht.

Pazifik-Staaten sorgen sich vor Rivalität zwischen USA und China

Vor einer Woche erst wurde zudem bekannt, dass Washington nach langwierigen Verhandlungen ein Assoziierungsabkommen mit Mikronesien verlängern wird, das den Inselstaat weiterhin eng an die USA binden wird. Im Gegenzug erhält Washington Zugang zu Militäreinrichtungen. Auch mit den Marshallinseln ist ein ähnliches Abkommen geplant, mit Palau wurde es unlängst bereits geschlossen. Die USA sind wieder da, so die Botschaft. Und: Es gibt eine Alternative zu China.

Viele der Inselstaaten haben derweil das Gefühl, unfreiwillig in einen Konflikt zweier Supermächte hingeraten zu sein, der nicht der ihre ist. „Wir wollen nicht, dass unsere Region zu einem Gebiet wird, in dem unsere Entwicklungspartner gegeneinander antreten“, sagte der Premierminister der Cookinseln der BBC. „Es gibt viel Raum für alle Partner im Pazifikraum, um uns bei der Verwirklichung unserer Entwicklungsziele zu helfen“. Was der Premier vor allem meint, ist der Kampf gegen die Erderwärmung. Denn der Klimawandel lässt den Meeresspiegel ansteigen, viele Inseln im Pazifik stehen vor dem Untergang. Was die Länder brauchen, ist Geld und Know-how. Ob aus China oder den USA, das spielt eine untergeordnete Rolle, wenn das Wasser bis zu den Füßen steht.

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