Kirche stoppt Einbau von „Schröder-Fenster“ und distanziert sich vom Förderer

Das von Gerhard Schröder gestiftete „Reformationsfenster“ wird nun doch nicht in der Marktkirche in Hannover eingebaut – weil sich der Altkanzler nicht ausreichend von Putin distanziere.
Hannover/Taunusstein – Es ist eine unendliche Geschichte. Im November hatte ein Gericht nach mehrjährigem Streit um Urheberrechte der Marktkirche in Hannover die Erlaubnis gegeben, das „Reformationsfenster“ einzubauen, das von Gerhard Schröder gestiftet worden war. Nun zieht die Kirche selbst die Reißleine. Der Einbau wird gestoppt, weil sich der Altkanzler nicht ausreichend vom russischen Präsidenten Wladimir Putin distanziert, mit dem ihn eine Freundschaft verbindet.
Deshalb könne man das Geschenk nicht annehmen, erklärten die Marktkirche-Verantwortlichen. Die Haltung Schröders sei „unvereinbar mit dem friedensethischen Engagement der Marktkirche“, betont Pastor Marc Blessing.
Das umstrittene Buntglasfenster lagert im hessischen Taunusstein
Erst kürzlich hatte in der mittelalterlichen Backsteinkirche ein Friedensgebet stattgefunden. Danach drängelten sich 1500 Menschen auf dem Vorplatz und forderten ein sofortiges Ende des russischen Angriffs. „Wir wollen für die Menschen in der Ukraine da sein, wir sind ein Ort des Friedens, des Gebets und der Hilfe“, unterstrich Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes.
Das umstrittene Buntglasfenster, entworfen von dem Künstler Markus Lüpertz, lagert derweil in der Glasmanufaktur Derix im hessischen Taunusstein und soll dort nach dem Willen der Marktkirche auch eine Weile bleiben. Derix hat das 13 Meter hohe Kunstwerk fertiggestellt. Schröder (77) und Lüpertz (80) haben es abgenommen. Die Rechnungen sind bezahlt. Formal gehört das Fenster der Marktkirche, die es in Auftrag gegeben hat und nun nach Wegen sucht, wie sie damit umgehen soll.
Die ganze Geschichte begann beim 500. Reformationsjubiläum 2017. Damals wollte Schröder der evangelischen Kirche etwas Gutes tun und ihr ein schmuckes Glaskunstwerk für die Südseite der Marktkirche schenken, wo es sonst nur eine schlichte Verglasung gibt. Bei Firmen und Verbänden sammelte er Spenden ein – es hieß, er wolle Vortragshonorare weitergeben. Als Künstler beauftragte er seinen Freund Lüpertz. Geschätzte Kosten: 150 000 Euro.
Die Marktkirche will die Spenden zurückgeben
Doch das Geschenk kam nicht bei allen an. Kritiker gingen auf die Barrikaden, auch wegen der eigenwilligen Ästhetik. Das Bild zeigt neben Symbolen zur Reformation auch fünf schwarze Fliegen, die für das Böse und die Vergänglichkeit stehen. Ein solches Fenster passe nicht in ein Haus des Glaubens und Gebets, fanden Kritiker, die es in einer Initiative verhindern wollten. Verbündeter war der Anwalt Georg Bissen.
Er argumentierte nicht ästhetisch, sondern juristisch, pochte auf die Urheberrechte seines Stiefvaters Dieter Oesterlen (1911-1994). Der hatte die Marktkirche nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut, in bewusst schlichtem Stil neu gestaltet. Bissen klagte gegen den Einbau des Fensters, konnte sich aber in zwei Instanzen nicht durchsetzen. 2022 wäre das Kunstwerk deshalb installiert worden.
Die Marktkirche will die Spenden jetzt zurückgeben. „Wir werden mit den Spendern sprechen“, sagt Stadtsuperintendent Müller-Brandes. Das werde aber ein Loch in die Kirchenkasse reißen. (Michael Grau mit epd)