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Gelber Sack weg: Kunststoff und Metall in die gelbe Tonne

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Von: Peter Klebe

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Berlin. Eine gelbe Wertstofftonne, in der neben Verpackungsmüll auch Kunststoff und Metall gesammelt werden, soll nach dem Willen von Union und SPD den gelben Sack ablösen.

Kritiker bezweifeln den Sinn des Projekts.

Jetzt wird zusammengeführt, was zusammengehört. Deutschland ist nicht nur Europameister bei der Mülltrennung, hier wird sogar nicht nur Verschiedenes, sondern auch Gleiches getrennt. Beispiele sind Getränketüten mit Aluminiumauskleidung und Verpackungen aus Polyethylen. Sie wandern in den Gelben Sack. Schüsseln aus dem selben Material oder Alupfannen gehen dagegen in den Hausmüll. Das soll ein neues Wertstoffgesetz ändern.

Geplant ist, bundesweit eine neue, gelbe Wertstofftonne einzuführen, die den umstrittenen Gelben Sack ablösen soll. In die Tonne kommen dann nicht nur der bisherige Plastikmüll, sondern auch andere Wertstoffe aus Kunststoff und Metall, etwa Kleiderbügel oder ausrangiertes Plastikspielzeug. Die Details stehen noch nicht fest, grob gesagt sollen praktisch alle Gegenstände aus Kunststoff und Metall in die Wertstofftonne, auch wenn es sich nicht um Verpackungsmüll handelt.

Ein Datum für den Start der gelben Tonne gibt es noch nicht. Bislang haben die Fraktionen der Regierungskoalition von Union und SPD lediglich ein Eckpunktepapier vereinbart. Mit der flächendeckend eingeführten Wertstofftonne, die kostenlos vor die Türen gestellt werden, soll die Menge des wiederverwerteten Mülls um fünf Kilogramm pro Einwohner und Jahr steigen.

Ob das Projekt wirklich der große Wurf ist, darf bezweifelt werden. Das zeigt ein Modellversuch mit der gelben Tonne, der seit Anfang 2013 in Berlin läuft. Dort ist die gesondert gesammelte Abfallmenge um vier Kilo pro Kopf gestiegen. Zudem zeigte sich, dass viele Dinge in die gelbe Tonne geworfen wurden, die dort nicht hineingehören, etwa nasser Hausmüll oder kaputte Elektrogeräte.

In der Hauptstadt machten gemischte Kunststoffe die Hälfte der getrennt gesammelten Wertstoffe aus. Doch das einzige Material, für das die Recyclingindustrie viel Geld zahlt - PET -

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war kaum dabei. PET holten Flaschen- und Müllsammler bereits auf eigene Faust aus den Tonnen. Übrig blieb eine Mischung minderwertiger Plastiksorten, nur knapp zwei Prozent waren als Rohstoff für die Herstellung von Kunststoff geeignet. Mit zwei Dritteln des aufwendig sortierten Plastikabfalls war nichts mehr anzufangen. Er landete dort, wo der Restmüll auch landet - in der Verbrennung.

Wertvoll sind die Metalle in der gelben Tonne. Doch diese müssten gar nicht getrennt werden. Sie könnten auch aus der bei der Hausmüllverbrennung entstehenden Schlacke zurückgewonnen werden. Das aber ist kaum im Interesse der privaten Abfallwirtschaft.

Eine strikte Gegnerin des Gelben Sackes ist die stellvertretende Landrätin des Kreises Kassel, Susanne Selbert (SPD). Sie gehört dem nordhessischen und südniedersächsischen Arbeitskreis Graue Wertstofftonne an. Das duale System sei intransparent, daran ändere auch die gelbe Tonne nichts. Produkte, die über diese Tonne entsorgt werden, würden teurer, weil die Hersteller für die Verwertung mitbezahlen müssten und dies auf den Preis umlegten. Auf jeden Fall müssten die Kommunen die Kontrollhoheit für alle Tonnen bekommen, forderte sie.

So trennen die Deutschen den Müll

In Deutschland werden Abfälle nach Kategorien getrennt und, so weit möglich, wiederverwertet. Ein Überblick:

• Hausmüll: Pro Jahr fallen 50 Millionen Tonnen Hausmüll an. Davon wurden 87 Prozent verwertet (Zahlen von 2013). 1993 war es nach Erhebungen der Statistiker nur ein Drittel.

• Verpackungsabfälle: Hier kamen 16,6 Millionen Tonnen Abfälle zusammen. 70,5 Prozent wurden recycelt.

• Kunststoff: An aussortierten Kunststoffen fielen 5,68 Millionen Tonnen an. 42 Prozent davon wurden wiederverwertet, 57 Prozent kamen in die Verbrennungsanlagen.

• Papier: Im Jahr 2012 wurden 21, 7 Millionen Tonnen Altpapier verbraucht. 15,7 Millionen Tonnen wurden gesammelt, eine Rücklaufquote von 76 Prozent.

• Glas: 7,3 Millionen Tonnen Glas wurden 2013 produziert, davon 4 Tonnen Flaschen. 84 Prozent wurden verwertet. (kle)

Hintergrund: Zweigeteilte Abfallwirtschaft: Kommunale und private Betriebe

• Seit 25 Jahren ist die Abfallwirtschaft in Deutschland geteilt. Hausmüll wird in kommunaler Verantwortung verbrannt, Städte und Kreise investierten in Verbrennungstechnik.

• Verpackungsmüll, also alles, was heute im Gelben Sack landet und alles, was später in die Wertstofftonne käme, wird hingegen von Privatfirmen gesammelt. Die Betriebe der privaten Müllwirtschaft haben einen Jahresumsatz von einer Milliarde Euro. Mülltrennung, einst gestartet, um Verpackungsabfälle deutlich zu reduzieren und nicht vermeidbare Reste neu zu verwerten, ist eine lukrative Geldquelle.

• Auch Altpapier ist wertvoll, private Firmen drängen verstärkt auf den Markt. Aus ihm werden Kartons und Recyclingpapier gewonnen. Eine Tonne gemischtes Altpapier ist im Schnitt 55 Euro wert.

• Mehrere Länder mit Regierungsbeteiligung der Grünen, darunter auch Hessen und Niedersachsen, haben im Frühjahr gefordert, den Kommunen bei der Wertstofftonne die Organisationshoheit zu überlassen. Ob das kommt, ist fraglich. Aus dem Hause von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hieß es dazu, Ziel sei „ein Kompromiss, der private und kommunale Interessen gleichermaßen berücksichtigt“.

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