Kanzleramts-Streit spitzt sich zu: „Alle Protzbauten stoppen“ – Scholz versucht Machtwort

Im Streit um Baupläne des Kanzleramts rufen Linke, FDP und die CDU zum Verzicht des Projekts auf. Kanzler Scholz warnt: Ein Stopp gäbe es nicht zum Nulltarif.
Berlin – Der geplante Erweiterungsbau des Kanzleramts steht schon länger in der Kritik. Im Streit um das 800 Millionen Euro teure Projekt hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Ausbau für entbehrlich erklärt. Lindner will sich stattdessen für mehr Wohnraum einsetzen – und bekommt Rückendeckung von den Linken.
„Wir brauchen einen sofortigen Stopp aller geplanten Protzbauten der Bundesregierung“, sagte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Bartsch betonte: „Wir brauchen bezahlbare Wohnungen für Normalbürger und nicht immer mehr teure Stellen und Büros in den Bundesministerien.“ Auch die Union rät, auf das Projekt zu verzichten.
Lindner bekommt Rückenwind von Linke: „Brauchen Bau-Stopp“ – Kanzleramts-Streit spitzt sich zu
Nach der Kritik am Erweiterungsbau rät CDU-Politiker Christian Haase, lieber später ein geplantes Übergangsquartier des Bundespräsidialamts für die Regierungszentrale zu nutzen. „Das wäre eine pragmatische und vor allem kostengünstigere Lösung“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion dem RND.
Angesichts der schwierigen Haushaltslage sei ein Abbruch der Planungen für die Erweiterung des Bundeskanzleramtes eine Option, die überlegt werden müsse. Zur Unterbringung des Präsidialamtes während der bevorstehenden Sanierung von Schloss Bellevue werde ein neues Bürogebäude in unmittelbarer Nähe zum Kanzleramt gebaut, erklärte er. Das könne nach der Zwischennutzung durch den Bundespräsidenten für das Kanzleramt zur Verfügung stehen. Haase forderte von der Bundesregierung eine umfassende Überprüfung des bisher geplanten Neubauprojektes.
Finanzminister Lindner stichelt bei Streit um Neubaupläne gegen Scholz
Worum geht es bei den Neubauplänen? Das von 1785 an errichtete Schloss Bellevue und das 1998 fertig gestellte Verwaltungsgebäude des Präsidialamts, die Hauptwache und die Parkanlage sollen von 2025 an grundlegend saniert werden. Die Arbeiten sollten laut Angaben mehrere Jahre dauern. Der Bundespräsident und seine Mitarbeiter müssen in dieser Zeit in ein Ausweichquartier ziehen, das bis Ende 2024 nahe dem Hauptbahnhof entstehen soll.
Jüngst hatte Christian Lindner die Neubaupläne des Kanzleramts infrage gestellt und damit erneut eine Diskussionsrunde losgetreten. In der TV-Talksendung Maischberger, sagte Lindner, in Zeiten von mehr Homeoffice und ortsflexiblem Arbeiten könne man darauf doch wohl verzichten. Stattdessen wolle er prüfen, ob dort nicht Wohnraum geschaffen werden könne. Mit Blick auf den Kanzler fügte er hinzu: „Ich glaube, der wird missvergnügt sein, dass ich das jetzt hier vorgeschlagen habe“, stichelte Lindner gegen Olaf Scholz (SPD). Scholz hingegen erklärte, dass wegen der „speziellen Arbeitsabläufe in einer Regierungszentrale und aufgrund von Geheimhaltungsvorschriften“ viel Arbeit in Präsenz erforderlich sei. Ein Bau-Stopp würde 100 Millionen Euro kosten.
Erweiterungsbau des Kanzleramts in der Kritik – Regierungssprecher halten an Plänen fest
Auch wenn der Erweiterungsbau kritisiert wird, hält Regierungssprecher Steffen Hebestreit an den Plänen fest. Hebestreit sagte am Freitag in Berlin, es gebe eine klare Beschlusslage, die auch im September vom Bundesministerium der Finanzen ergangen sei. Die notwendigen Haushaltsmittel seien im Haushaltsplan eingestellt. Die Vorbaumaßnahmen hätten bereits begonnen. Es gebe keinen veränderten Stand.
„Ein Stopp des Projektes oder eine Umplanung ist aus den genannten Gründen nicht vorgesehen“, bestätigte auch eine Regierungssprecherin gegenüber dem Tagesspiegel. Wesentliche Objekt-, Fachplanungs-, Beratungs- und Sachverständigenleistungen sowie Leistungen für vorgezogene Maßnahmen seien bereits beauftragt worden. (bohy)