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„Ukraine werden die Menschen ausgehen“: Politologe rügt bei „Lanz“ Waffenkurs - und erntet Gegenwind

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Politologe Wolfgang Merkel (Mi.) erntete bei „Lanz“ im ZDF Gegenwind.
Politologe Wolfgang Merkel (Mi.) erntete bei „Lanz“ im ZDF Gegenwind. © Cornelia Lehmann/ZDF

Bei „Lanz“ kommt die deutsche Außenpolitik am Dienstag nicht gut weg. Kritik an den Ukraine-Waffenlieferungen beantwortet die ZDF-Runde aber deutlich.

Hamburg – Vor drei Tagen haben die USA einen mutmaßlichen Spionageballon Chinas abgeschossen. Sowohl das Flugobjekt selbst als auch dessen Platzen werden seitdem heiß diskutiert. „Markus Lanz“ will am Dienstagabend (7. Februar) ebenfalls wissen, welche Signale diese Ereignisse senden.

SPD-Chefin Saskia Esken stellt sich in dieser Debatte ganz klar auf die Seite der USA – falls die Spionagevorwürfe bestätigt werden. „Dann muss das Konsequenzen haben“, urteilt sie. Lanz interessiert, warum ein so hoch entwickeltes Land wie China bei der Informationsgewinnung überhaupt auf einen Ballon statt auf Satelliten zurückgreift. Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, wittert hinter der Aktion eine Provokation der Chinesen, die mit ihrem Experiment geprüft haben, wie die Vereinigten Staaten reagieren.

Die Reaktion der Amerikaner hat Lanz überrascht; in der Amtszeit von Donald Trump waren drei solcher Ballons über den USA gesichtet worden, ein Abschuss folgte nicht. Spiegel-Journalist Veit Medick glaubt, dass Staatsoberhaupt Joe Biden damit ein Exempel statuiert hat. „Eines will ein amerikanischer Präsident nicht: schwach gegenüber Peking dastehen“, stellt der Journalist klar. In seinen Augen steht Biden momentan in der Bringschuld. Er müsse seinem Volk und den politischen Gegnern beweisen, dass er nicht nur den Ukraine-Krieg auf dem Schirm hat.

Politologe Wolfgang Merkel erkennt in dem jüngsten Konflikt zwischen China und den USA derweil einen fortschreitenden Wandel. „Wir erleben eine Neuformierung der Weltordnung.“ Da Russland und China gleichermaßen mitmischen möchten, seien die USA nicht mehr alleinige Weltmacht. Merkel gibt zu, dass er besorgt ist: Neuordnungen seien immer risikobehaftet.

„Lanz“ debattiert Migration: Esken strebt Reform der Asylpolitik an

Der Blick wandert gen Afrika: Dort habe China Deutschland längst den Rang abgelaufen. Heusgen sieht dabei ein großes Versäumnis der Bundesrepublik. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) habe zwar eine Afrika-Strategie ausgearbeitet, dabei handele es sich laut Heusgen jedoch um „kein abgestimmtes Papier der Bundesregierung“.

Die SPD-Chefin Saskia Esken nimmt bei „Markus Lanz“ Stellung zum sicherheits- und sozialpolitischen Kurs ihrer Partei.
Die SPD-Chefin Saskia Esken nimmt bei „Markus Lanz“ Stellung zum sicherheits- und sozialpolitischen Kurs ihrer Partei. © Cornelia Lehmann/ZDF

Die fehlende Verbindung zum afrikanischen Kontinent erschwert es zusätzlich, dringend benötigte Fachkräfte nach Deutschland zu locken. Der Moderator fragt Saskia Esken ganz gezielt, ob der Alltagsrassismus und die schlechte Integration für weitere Abschreckung sorgen. „Das bleibt den Menschen nicht verborgen“, antwortet die SPD-Chefin. Migranten hätten es zudem schwer, den sozialen Aufstieg zu schaffen.

Merkel grätscht dazwischen und nennt die deutsche Sprache als größte Hürde für ausländische Fachkräfte. Sie seien in ihren Heimatländern eher mit Englisch als mit Deutsch aufgewachsen und würden deshalb eher in die USA immigrieren. Esken verspricht, eine Reform der Asyl- und Einwanderungspolitik anzustoßen. Neben dem Abbau der Bürokratisierung peilt sie einen Deutschtest an, den die Migranten peu à peu nach ihrer Einbürgerung ablegen. Dies sei für sie eine mögliche Option.

„Markus Lanz“: Verhandeln oder liefern – welche Strategie beendet den Ukrainekrieg?

Auch Deutschlands Optionen im Ukraine-Krieg debattiert Lanz‘ Runde kontrovers. Der Ruf nach Waffenlieferungen verebbt nicht. Gleichzeitig warnen Experten vor einer Eskalation des Konflikts. Zur zweiten Gruppe zählt Wolfgang Merkel, der sich am Dienstagabend vehement gegen weitere Lieferungen ausspricht. „Der Ukraine werden nicht die Waffen ausgehen, der Ukraine werden die Menschen ausgehen“, lautet seine Vorhersage. Er besteht deshalb auf eine diplomatische Lösung.

„Markus Lanz“ - das waren seine Gäste am 07. Februar

Merkel sieht Deutschland im Ukraine-Krieg als einen Vermittler, der die USA immer wieder an den Verhandlungstisch mit Russland bitten muss. Esken stimmt darin überein, dass mit Wladimir Putin verhandelt werden sollte. Im selben Atemzug betont sie aber: Putin selbst lehne etwa auch in Gesprächen mit Kanzler Olaf Scholz immer wieder Verhandlungen ab.

Heusgen erinnert dran, dass Putin die Verhandlungen schon einmal abgebrochen hat. Der russische Aggressor halte die westlichen Mächte für „Weicheier“, weshalb er von einem militärischen Sieg seiner Streitkräfte ausgehe. Der Diplomat glaubt zudem nicht an ein schnelles Ende des Krieges. „Putin hat einen langen Atem“, so Heusgen.

Wie viele rote Linien überschreitet Deutschland noch?

Im In- und Ausland erntet die deutsche Regierung vorwiegend Kritik für ihr zögerliches Handeln im Ukraine-Krieg. Washington, Deutschlands verlässlichster Partner in diesem Konflikt, wird dieses Vorgehen laut Heusgen nicht mehr lange tolerieren. „Wir haben Glück mit Biden“, erklärt der frühere Außenpolitik-Experte von Angela Merkel. Auf lange Sicht wollen die Amerikaner jedoch nicht mehr den Aufpasser in Europa spielen, weshalb wir „unsere Hausaufgaben machen“ müssten.

Lanz meint, dass sich die Ampel-Koalition bereits sehr weit von ihren ursprünglichen Positionen im Ukraine-Krieg entfernt habe. Zunächst wurden etwa Panzerlieferungen ausgeschlossen, um sie später doch zu bewilligen. Der Moderator will wissen: Fällt bei den Kampfjets demnächst die nächste rote Linie, wenn der Druck von außen zu groß wird?

Esken schließt die Lieferung der Kampfflugzeuge – ebenso wie US-Präsident Biden – vorerst aus. Die SPD-Vorsitzende deutet allerdings an, dass Beschlüsse nicht in Stein gemeißelt sind. Die Regierung handelt nach ihrer Aussage gemäß ihren Prinzipien und lässt sich darüber hinaus vom Einfluss seiner Partner lenken.

Merkel kritisiert Deutschland und seine westlichen Verbündeten noch einmal, weil er im Ukraine-Krieg kein strategisches Ziel erkennt, das die Waffenlieferungen rechtfertigt. Für diese Aussage erntet der Politologie wiederum reichlich Gegenwind. Die Gäste beteuern, dass die Ukraine diesen Krieg nicht verlieren soll und dass dies als Ziel genüge.

„Markus Lanz“ – Das Fazit der Sendung

Deutschland muss insbesondere beim Thema Außenpolitik mehr Stringenz an den Tag legen. Eine klare und durchgehende Handschrift ist weder bei Geschäftsbeziehungen noch im Ukraine-Krieg zu erkennen. Eine schlechte Außendarstellung stärkt schließlich nicht nur Putins Selbstbewusstsein. Sie beraubt Deutschland auch seiner Attraktivität für ausländische Fachkräfte. (Kevin Richau)

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