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Munition auf dem Meeresgrund von Nord- und Ostsee

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Von: Peter Mlodoch

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1,6 Millionen Tonnen Weltkriegsmunition liegen in Ost- und Nordsee, wie bei Helgoland.
1,6 Millionen Tonnen Weltkriegsmunition liegen in Ost- und Nordsee, wie bei Helgoland. © marcus brand/dpa

1,6 Millionen Tonnen Munition aus dem Zweiten Weltkrieg sollen auf dem Grund von Nord- und Ostsee liegen. Nun hat der Bund 400 000 Euro für die Planungs- und Erkundungskosten bewilligt. Toxische Sprengstoffe und Schwermetalle drohten in die Meeresumwelt zu gelangen.

Hannover – Auf dem Meeresboden lauern tödliche Gefahren – für Fische, Muscheln, Robben, Schweinswale und die Menschen: In der Nord- und Ostsee verrotten 1,6 Millionen Tonnen Torpedos, Minen und Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg. Die tickenden Zeitbomben bedrohen den Schiffsverkehr und das Ökosystem des niedersächsischen Wattenmeeres.

Nach jahrelangem Hickhack um die Finanzierungsfrage hat der Bund jetzt ein „Sofortprogramm Munitionsaltlasten“ auf den Weg gebracht.

Vor einer Woche bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages für 2022 die ersten 400 000 Euro für Planungs- und Erkundungskosten. Für die Folgejahre sind 22 Millionen Euro vorgesehen, allerdings noch nicht endgültig abgesegnet.

Munition soll geborgen werden

„Auf Basis von Bund und Ländern gemeinsam zu erarbeitender Gefährdungsabschätzungen sollten Zielgebiete für die lokal begrenzte Räumung identifiziert werden“, heißt es im Etat-Kapitel 1601 unter dem Titel 892 05 „Nationaler Meeresschutz“.

So solle in „bekannten Versenkungsgebieten eine Verfahrenskette etabliert werden, die eine umweltschonende und auch ökonomisch effiziente und damit darstellbare Bergung und Delaborierung von Munition möglich macht“.

Dabei könne man bei der „bereits heute als bergungsfähig eingestuften Munition eine kostengünstige unbemannte Bergung mit ferngesteuerten Einheiten erschließen“, fordern die Abgeordneten des Gremiums.

Um die Nordsee-Inseln lagern Tausend Tonnen Munition

„Es war überfällig, dass nun endlich damit begonnen wird, die Weltkriegs-Munition aus Nord- und Ostsee zu bergen“, erklärte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven Christian Kindler.

Besonders rund um die Nordsee-Inseln lagerten noch Tausende Tonnen Munition auf dem Meeresgrund. „Durch das Salzwasser hat längst die Erosion eingesetzt, wodurch Giftstoffe freigesetzt und das Wasser verschmutzt wird.“

„Durch deren Verzehr wird letztendlich auch die Gesundheit von uns Menschen gefährdet“, warnte der Abgeordnete aus Hannover. „Außerdem stellt der Weltkriegs-Müll ein Problem für den Schiffsverkehr und Offshore-Windparks dar.“

Toxische Sprengstoffe und Schwermetalle drohten in die Meeresumwelt zu gelangen

Daher sei es wichtig, dass die Bundesumweltministerin Steffi Lemke und die Ampel-Koalition das Sofortprogramm nun auf den Weg gebracht hätten.

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) lobte den Schritt. „Die Bergung dieser Munitionsaltlasten in der Nord- und der Ostsee ist eine nationale Aufgabe. Das sind die finsteren Hinterlassenschaften der dunkelsten Stunden unserer Geschichte“, so der Ressortchef.

Toxische Sprengstoffe und Schwermetalle drohten in die Meeresumwelt zu gelangen – mit unabsehbaren Folgen für Küste und wertvolle Naturräume wie das Wattenmeer.

Bundesrat hat sich eingeschaltet

Vor zwei Wochen hatte sich die Umweltministerkonferenz in Wilhelmshaven mit dem Problem befasst.

Inzwischen hat sich auch der Bundesrat eingeschaltet. Auf Initiative Niedersachsens hatte die Länderkammer schon im November 2011 das „Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz“ (RüstAltFG) beschlossen, das dem Bund die Kosten für Bergung und Entsorgung von Weltkriegsmunition aufbrummen sollte.

Es war eine Reaktion auf den tragischen Unfall in Göttingen, als im Juni 2010 bei der Detonation einer freigelegten Fliegerbombe drei Bedienstete des niedersächsischen Kampfmittelbeseitigungsdienstes ums Leben kamen.

„Besonders stark betroffene Bundesländer sind mit dieser Situation finanziell überfordert“,

Problem: Der Bund hielt sich zwar als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs für Munitionsrückstände der Wehrmacht zuständig, überließ den Ländern aber die Verantwortung für Bomben und Kampfmittel der Alliierten.

„Besonders stark betroffene Bundesländer sind mit dieser Situation finanziell überfordert“, hieß es. Doch der Vorstoß der Länderkammer scheiterte am Widerstand des Bundes. Weitere Anläufe von Angela Merkel (CDU) verliefen 2014 und 2018 ebenfalls im Sande. Erst die neue Bundesregierung nahm sich der Sorgen an.

„Für die Bergung und Vernichtung von Munitionsaltlasten in der Nord- und Ostsee wird ein Sofortprogramm aufgelegt sowie ein Bund-Länderfonds für die mittel- und langfristige Bergung eingerichtet und solide finanziert“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Jetzt beschloss der Bundesrat, den Gesetzentwurf von 2011 eins zu eins erneut im Bundestag einzubringen. (Peter Mlodoch)

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