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Nach 27 Jahren zurück im Leben: Koma-Patientin wieder bei Bewusstsein

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Von: Tatjana Coerschulte

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Nachdem sie 2018 aus dem Koma erwacht war, besuchte Munira Abdulla mit ihrem Sohn Omar die Scheich-Zayid-Moschee in Abu Dhabi. Die Moschee wurde 2007 eröffnet – damals lag die Patientin bereits seit 16 Jahren im Wachkoma. Munira Abdulla trägt einen traditionellen goldfarbenen Gesichtsschmuck.
Nachdem sie 2018 aus dem Koma erwacht war, besuchte Munira Abdulla mit ihrem Sohn Omar die Scheich-Zayid-Moschee in Abu Dhabi. Die Moschee wurde 2007 eröffnet – damals lag die Patientin bereits seit 16 Jahren im Wachkoma. Munira Abdulla trägt einen traditionellen goldfarbenen Gesichtsschmuck. © Omar Webair

Bei einem Verkehrsunfall 1991 schützte eine Araberin ihren Sohn und erlitt eine Hirnverletzung. In einer Klinik in Bayern kam sie jetzt wieder zu Bewusstsein.

Es klingt wie ein Märchen aus 1001 Nacht, dieses Wunder geschah aber in Bayern: In einer Spezialklinik in Bad Aibling ist eine Patientin nach 27 Jahren im Wachkoma wieder zu Bewusstsein gekommen. Die heute 60 Jahre alte Frau aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) wurde 1991 bei einem Verkehrsunfall in der Oasenstadt Al Ain schwer verletzt. 

Nach jahrzehntelangen Klinikaufenthalten in ihrer Heimat kam Munira Abdulla 2017 in die Schön-Klinik für Therapeutische Neurologie in Bad Aibling. Dort reagierte sie im Juni 2018 erstmals wieder erkennbar auf ihr Umfeld und sprach ihren Sohn an.

„Wir erleben so etwas nach sechs Monaten, auch nach einem Jahr“, sagte Dr. Friedemann Müller, Chefarzt Reha der Fachklinik, gestern gegenüber dieser Zeitung. „Aber nach 27 Jahren – das ist sehr ungewöhnlich.“ Die Schön-Klinik in Bad Aibling ist eines der größten neurologischen Zentren in Deutschland. 

Den Fortschritt publik gemacht hat der Sohn Omar Webair (32). Er wolle anderen Menschen in dieser Situation Mut machen, sagte er der englischsprachigen Zeitung The National aus Abu Dhabi: „Ich habe sie niemals aufgegeben, weil ich immer das Gefühl hatte, dass sie eines Tages aufwachen wird.“

Sie erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma

Omar war vier, als seine Mutter ihn 1991 mit dem Auto von der Schule abholte. Mutter und Sohn saßen auf dem Rücksitz, am Steuer ein Schwager, als ein Bus auf das Auto zuraste. Seine Mutter habe sich über ihn geworfen und ihn so geschützt, schilderte der Sohn in The National. Er überlebte leicht verletzt. Die Mutter erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Die Ärzte gingen davon aus, dass ihr Dämmerzustand sich nicht ändern würde. Fast 30 Jahre verbrachte sie im Wachkoma in Kliniken. Während dieser Jahre besuchte Omar sie nahezu täglich.

Im Frühjahr 2017 wurde das Herrscherhaus der Emirate auf den Fall aufmerksam. Kronprinz Scheich Mohammed übernahm einen Großteil der Kosten für eine Behandlung in der Schön-Klinik in Bad Aibling.

Als Munira Abdulla eintraf, sei sie bei „minimalem Bewusstsein“ gewesen, sagt Chefarzt Müller. Bei genauer Beobachtung habe man eine „Blickfixierung“ erkannt, das heißt, sie habe das Gesicht ihres Sohnes mit den Augen fixiert, wenn er ins Blickfeld kam. Sie habe unter schweren Spastiken gelitten: Muskelverkrampfungen und Gelenkdeformationen hätten es ihr unmöglich gemacht, im Rollstuhl zu sitzen. Ihr Körper sei in sich zusammengesunken gewesen.

Dieses Video ist ein Inhalt der Videoplattform Glomex und wurde nicht von der HNA erstellt. 

Sohn: "Mein Name war das erste Wort, das sie sagte"

In Bad Aibling implantierten die Ärzte ihr eine Medikamentenpumpe unter die Haut, die eine Arznei abgab, die zum Rückenmarkkanal diffundierte. Gleichzeitig wurde die Patientin regelmäßig körperlich mobilisiert.

Ihr Sohn schilderte in The National den entscheidenden Tag im Juni 2018, kurz bevor seine Mutter die Schön-Klinik verlassen sollte. Es habe im Patientenzimmer eine etwas lautere Diskussion gegeben. Auf einmal habe seine Mutter sich bewegt und seltsame Laute gemacht. Die Ärzte konnten aber keine Veränderung feststellen. Drei Tage später sei er am Krankenbett aufgewacht, weil jemand seinen Namen rief: „Das war sie. (...) Jahrelang hatte ich von diesem Moment geträumt, und mein Name war das erste Wort, das sie sagte.“

Weiter auf Pflege angewiesen 

Munira Abdulla ist inzwischen wieder in ihrer Heimat und wird dort behandelt. Sie sei weiterhin vollständig auf Pflege angewiesen, sagt Chefarzt Müller. Aber: „Sie kann in vertrauter Umgebung einfache Fragen beantworten, mit dem Sohn sprechen, Gebete aufsagen. Sie kann sagen, wenn ihr etwas wehtut.“

Für den gesundheitlichen Fortschritt Munira Abdullas gibt es im Deutschen kein treffendes Wort. „Aufgewacht“ ist sie aus dem Wachkoma nicht, auch von Genesung sprechen die Ärzte nicht. Dennoch nimmt sie nun am Leben ihrer Familie teil, nimmt Enkelkinder wahr. Die konsequente Behandlung habe dazu beigetragen, sagt Chefarzt Müller: „Vielleicht hat sie Glück gehabt, dass ihre Zeit reif war.“

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