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„Putins Beichtvater“ spricht über Russlands geopolitische Visionen

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Von: Franziska Schwarz

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Wladimir Putin hat ein neues Sprach-Gesetz für Russland unterschrieben (Symbolbild)
Wladimir Putin © IMAGO/Mikhail Metzel/Kremlin Pool

Georgij Alexandrowitsch Schewkunow ist 64 Jahre alt. Als „Bischof Tichon“ hat er ein enges Verhältnis zu Kremlchef Wladimir Putin.

Riga/Moskau – Manche halten ihn für den „spirituellen Führer“ von Wladimir Putin. Wenige Tage, nachdem der Kremlchef seine Ein-Panzer-Parade in Moskau abhielt, hat sich Bischof Tichon – auch „Putins Beichtvater“ genannt – in einem längeren Interview zum Ukraine-Krieg und der weltweiten Rolle Chinas geäußert.

„Wir haben das ukrainische Volk unterstützt, selbst als es sich für ‚Europäer‘ hielt“, sagte Bischof Tichon im Gespräch mit Meduza. „Wir wurden auch freundlicherweise eingeladen, der europäischen Gemeinschaft beizutreten – was alle begeisterte, außer denen, die sich mit Geschichte auskannten. Und die Geschichte lehrt uns, dass Russland in den Augen des Westens immer ein Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck war“, fügte er an.

Wer ist Erzbischof Tichon?

Bischof Tichon wurde 1958 geboren, sein bürgerlicher Name ist Georgij Alexandrowitsch SchewkunowSeine Autobiografie wurde 2011 in Russland zum Bestseller. Außerdem landete er 2008 als Dokumentarfilmer einen Erfolg, als er Gründe für den Untergang des byzantinischen Reiches präsentierte.

Im Westen wird Tichon häufig als „Putins Beichtvater“ und „spiritueller Führer“ des Kremlchefs tituliert. Beweise dafür gibt es nicht, aber: „Die beiden kennen sich gut, sie führen öfter Gespräche unter vier Augen“, sagte die Russland-Kennerin und Journalistin Christine Hamel 2017 dem SRF über das Verhältnis der zwei Männer. Bischof Tichon begleite Putin zudem oft auf Reisen.

Die FAZ fragte Bischof Tichon 2018 ganz direkt nach dem Spitznamen „Putins Beichtvater“ und danach, welche Bedeutung der orthodoxe Glaube für Putin habe. „Das müssen Sie ihn selbst fragen! Der Präsident besucht regelmäßig die Klosterinsel Walaam, und das ist gut so“, antwortete der Geistliche damals.

„Putins Beichtvater“ hält China-Westen-Konflikt für „unvermeidlich“

Bischof Tichon zeigte sich in dem Interview überzeugt, dass Russland damals das „Gegengewicht zu China“ darstellen sollte. Doch aus Sicht des orthodoxen Geistlichen ist ein Konflikt zwischen China und dem Westen „unvermeidlich“. Der Westen habe vergeblich gehofft, sich mit Russland „abzuschirmen“.

Dann nahmen Bischof Tichons Ausführungen eine überraschende Wende: „Aber unsere eigenen nationalen Eliten sind noch schuldiger als der Westen. Unsere derzeitige Duma ist deshalb so manipulierbar, weil sie ein Nachfolger der Regierung ist, die 1917 den Staatsstreich organisiert hat.“

„Putins Beichtvater“: „Kämpfen in der Ukraine gegen höllischen Faschismus“

Niemand in Russland wolle die Sowjetunion wiederbeleben, betonte „Putins Beichtvater“, denn „Imperien kommen nicht zurück“. Es stimme jedoch, „dass die Russen nur Imperien aufbauen können“.  Beim aktuellen Militärgeschehen in der Ukraine sei das aber „definitiv“ nicht der Fall: „Nein, wir kämpfen dort gegen den grausamen, schrecklichen, höllischen Faschismus“, behauptete Bischof Tichon.

Meduza ist eine Internetzeitung mit Sitz im lettischen Riga. Sie wurde 2014 als Exilmedium gegründet und berichtet in russischer und englischer Sprache.

Bischof Tichon wollte Russlands Geschichte „maximal objektiv“ darstellen

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) führte 2018 ein interessantes Interview mit Bischof Tichon. Zusammen mit der Putin-Regierung hatte er damals patriotische Geschichtsparks für die Jugend entworfen. Kritische Stimmen meinten, dass dort die dunklen Seiten der russischen Geschichte relativiert würden: „Die Geschichte unseres Landes soll maximal objektiv, unterhaltsam und vor allem interessant dargestellt werden“, wies der Geistliche das zurück, gab aber zu: „In Einzelfällen haben wir fehlerhafte Zitate entfernt.“ (frs)

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